Eine Lehrwerkstatt für ehemalige Kindersoldaten

In Deutschland gehört es zum Ritual: Politiker beklagen den Mangel an Lehrstellen; im Gegenzug klagen Arbeitgeberfunktionäre über die unzureichenden Schulkenntnisse der Auszubildenden. Mag ja manchmal stimmen.

Aber stellen Sie sich vor, Sie seien Ausbilder. Die Jugendlichen sind jahrelang nicht zur Schule gewesen, manche überhaupt nicht. Lesen und Schreiben – Fehlanzeige. Meter, Grad oder Liter sind Fremdwörter. Aber nicht nur das: die Jugendlichen sind so massiv psychisch gestört, dass ihre Eltern nicht mehr mit ihnen zusammenleben können – und praktisch alle sind mehrfache Mörder.

Im Kongo, in der Nähe von Bukavu am Kivusee, haben sich zwei Bürgerinitiativen dieser Herausforderung gestellt und Lehrwerkstätten für ehemalige Kindersoldaten gegründet.

Seit dem Ende des Diktators Mobutu war im Kongo fast ununterbrochen Krieg. Vor allem im Osten, im Bergland an den großen Seen, haben sich Besatzungsarmeen, Regierungstruppen, Milizen, selbsternannte Befreiungsbewegungen und mittelständische Warlords in wechselnden Bündnissen bekämpft; und alle haben Kinder und Jugendliche rekrutiert. Kindersoldaten waren billig, hatten keinen Sinn für die Gefahr und taten alles, wozu man sie abrichtete.

Heute durchstreifen die Kivuregion Trupps von Jugendlichen, in Tarnkleidung oder in Edelklamotten, martialisch mit Waffen und anderem Männerspielzeug behängt. Manche haben nacheinander in Regierungsarmee, Rebellenarmeen und diversen Milizen gedient; jetzt sind sie entlassen, ihre Einheiten haben sich aufgelöst, sie sind desertiert, nachdem sie keinen Sold mehr bekommen hatten, oder vor den Grausamkeiten geflohen. Nun stehen diese Jugendlichen ohne Schul- und Berufsausbildung da; außer Töten und Plündern haben sie nie etwas gelernt; niemand weiß, wovon sie leben - großenteils wohl von Raub und Wegelagerei. Ihre Familien sind nicht imstande, sie so wieder aufzunehmen. Und wenn sich niemand um sie kümmert, wird die nächste Miliz sie für den nächsten Krieg anwerben.

Seit April 2001 haben Mitarbeiter von Dialog International Bukavu sich mit ehemaligen Kindersoldaten getroffen, um ihre Situation zu erkunden. Auch die Jugendlichen haben den Krieg satt, sie wollen endlich ein normales Leben führen - aber dafür brauchen sie Hilfe.

Bürgerinitiativen in Burhinyi und Kaziba, zwei Landkreisen in der Nähe von Bukavu am Kivusee, haben das in die Hand genommen, gemeinsam mit der Gruppe von Dialog International in Bukavu.

Auf Regierungsgelder aus Europa konnten sie nicht länger warten. Zwar gibt es allein in Deutschland einen millionenschweren Etat für friedenssichernde Maßnahmen im Kongo, der von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) verwaltet wird; aber die GTZ brauchte schon über drei Jahre, nur um zu der Entscheidung zu kommen, Kindersoldaten-Projekte nicht im Südkivu, sondern nur in einer anderen Region zu unterstützen (die es zweifellos auch nötig hat). Unterdes kassieren Trupps von Kindersoldaten an den Landstraßen Wegezoll, werden Entwicklungsprojekte massiv von Kindersoldaten gestört: da den Jugendlichen niemand eine Zukunft bietet, rächen sie sich, indem sie Felder verwüsten – und wir müssen noch froh sein, wenn nichts Schlimmeres passiert.

In den Lehrwerkstätten lernen jetzt 65 ehemalige Kindersoldaten ein Handwerk: Schreiner, Metall- und Lederverarbeitung. Unter anderem bauen sie Schulbänke für benachbarte Schulen.

Der Haken: Schulbänke werden zwar dringend gebraucht; in vielen Schulen sitzen die Kinder auf dem blanken Erdboden, dichtgedrängt in viel zu kleinen Klassenräumen. Nur: die Schulen haben selbst kein Geld; auch die Lehrer können nur noch arbeiten, wenn die Eltern ihnen am Monatsende Geld oder Naturalien mitbringen. So stand das Projekt, kaum begonnen, schon vor dem Aus.

Jetzt kann es weitergehen, durch einen Zuschuss der Stiftung Demokratie im Alltag in Siegen. Die Stiftung Demokratie im Alltag ist 1974 von dem Siegener Unternehmer Klaus Hoppmann gegründet und dann zur Alleingesellschafterin des Unternehmens gemacht worden. Die Stiftung fördert Vorhaben, die die Fähigkeiten für eine demokratische Teilhabe in Wirtschaft und Gesellschaft entwickeln; ein Schwerpunkt ist die Förderung sozial benachteiligter Jugendlicher im In- und Ausland.

Die ehemaligen Kindersoldaten bekommen jetzt eine Grundschulausbildung, lernen ein Handwerk und erhalten sogar noch eine Starthilfe für die Rückkehr ins bürgerliche Leben – zum Beispiel eine Ziege, die als „rotierender Kredit“vergeben wird: wenn die Ziege das erste Mal Nachwuchs bekommt, wird mit dem Zicklein der Kredit zurückgezahlt. Und die Schulbänke, die die ehemaligen Kindersoldaten bauen, werden einer Schule der Region zur Verfügung gestellt.

Rolf Lang-Körsgen, Hoppmann-Mitarbeiter und im Vorstand der Stiftung, freut sich, dass das Projekt „gerade mit den handwerklichen Aspekten gut zu unserem Unternehmen und seinen Mitarbeitern passt, die letztlich ja einen Teil des Gewinns dafür einsetzen“.

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