Hans-Martin Hirt

BERICHT KONGOREISE 1.-23.6.2005

Zunächst vielen Dank an alle Spender, die diese Reise ermöglicht haben! Meine letzte Reise nach Kinshasa war 2003: Vorbereitung des Einsatzes von "anamed-Missionarin" Elfriede Schüle, Vorbereitung des Projektes "anamed-Schule Kwango", zugesagt damals von BMZ.

Meine vorletzte Reise in den Kwango war 1993: ein fast neues Auto wurde damals schwer defekt durch die schlechten Straßen! Die letzte Reise war 6 Jahre später, 1999: das Auto blieb heile, aber ständige Kontrollen durch betrunkenes Militär machten die Reise zur Tortur, Soldaten wollten das Auto entführen... aber jedes Mal lohnte der Empfang durch die Dorfbevölkerung alle Mühen!

In diesem Jahr 2005 gab es nun mehrere Gründe, nach Kinshasa und Kwango zu reisen:

A. Kinshasa:

B. Kwango

1. Juni 2005: Tsimba Richard, unser kongolesischer Mitarbeiter, der nun in Kanada lebt, kommt mit auf die Reise. Er darf (als Amerikaner!) im selben Flugzeug reisen und 74 kg Reisegepäck mitnehmen, ich als Deutscher nur 20 kg! Seltsam.

2. Juni: Ankunft in Kinshasa, Konda holt mich ohne Probleme aus dem Chaos des Flughafens. Kinshasa ist nochmals viel viel schmutziger geworden: 8 Millionen Bürger ohne Müllabfuhr!

3. Juni: Gespräche mit Konda, Maledi und Elfriede Schüle, die im Auftrag von CFI halbtags anamed-Arbeit macht!

4. Juni: Endlich finden wir ein Auto, das bereit ist, uns ins Landesinnere mitzunehmen. Der Toyota-Landcruiser ist bereits 10 Jahre alt, die Stoßdämpfer sind vom Chauffeur frisch aus Holz geschnitzt, andere Teile unterhalb des Wagens mit Schnüren befestigt, aber der Chauffeur Andre hat den Glauben, damit die Strecke zu bewältigen. Wir vereinbaren 1 USD pro km plus 10 USD Gehalt pro Tag plus alle Dieselkosten; teuer, aber wir haben keine Alternative!

5. Juni: Abends kommen alle Fahrtteilnehmer, der Chauffeur André, Elfriede, Tsimba und Maledi, damit wir frühmorgens losfahren können!

6. Juni: Um 4.30 geht es los, man muss früher aufstehen als alle Polizisten, die uns sonst kontrollieren möchten! Um 17 Uhr schon haben wir 100 km Teerstraße und 250 km Sandstraße hinter uns und erreichen die kath. Mission Popokabaka, sauber, einfach, aber mit fließend Wasser!

7. Juni: Weiter geht es - 100 km sind eine Tagesreise! - über die ev. Mission Zhinabukete nach Kishiama. Der Weg ist extrem schlecht, LKW-Räder haben in dem steinharten Lehm tiefe Spuren hinterlassen, und unser Toyota fährt mehr auf dem Bauch als auf den Rädern. Der Chauffeur schimpft wie ein Rohrspatz.

Herzlicher Empfang mit Frauenchor, Kinderchor, Seminarteilnehmer-Chor und Rede von Pfarrer Mbuandu! Emmanuel und Bindanda sind recht erschöpft: Seit 17 Tagen unterrichten sie ganztägig 35 Teilnehmer in Natürlicher Medizin und Solarenergie. Emmanuel will das Seminar vorzeitig abbrechen, da er kein Geld zur Ernährung der Teilnehmer mehr hat, zum Glück kann ich aushelfen, und somit unterrichten Maledi und ich noch 3 weitere Tage; Maledi über Menschenrechte, ich über Artemisia, Malaria, Durchfälle, Hautkrankheiten und das Spannungsfeld des Heilers zwischen Kirche und Zauberei.

Die Teilnehmer sind von ihrem Staat enttäuscht: auf jedes Huhn sogar sollen sie soviel Steuern zahlen, dass jede Tierhaltung uninteressant wird!

Die Teilnehmer sind sehr dankbar für das hervorragend geführte Projekt. Jeder Teilnehmer bekommt am Schluss einen Solarofen geschenkt und darf diese 30 kg auf dem KOPF! bis zu 100 km selber tragen!

An den Solaröfen diskutieren wir ein paar Verbesserungen.

Die Ältesten des Dorfes beraten mit mir und danken für dieses Projekt, das immerhin auch einen wirtschaftlichen Nutzen für dieses Dorf mit sich bringt. Denn nachdem die Straßen so schlecht sind, kommt wochenlang kein Auto mehr vorbei, und somit ist fast aller Handel zum Erliegen gekommen! Ein Problem für die Ältesten ist das Wasserproblem: Wasser müsste hochgepumpt werden! Ich bedaure, dass ich absolut keine Finanzen dafür habe!

11. Juni: Ansprache in der Kirche und offizieller Schluss des Seminars.

12. Juni: Fahrt nach Bahila.Überall in den Dörfern hat anamed seine Spuren hinterlassen; jedesmal müssen wir anhalten, die Salbenproduktion oder den Heilpflanzengarten bewundern; Hochachtung, was da unsere Mitarbeiter an Gesinnungswandel bewirkt haben!

Rechtzeitig zum Gottesdienst Ankunft im 5000-Einwohner-Dorf Bahila. Es war Bindandas Ehrgeiz, dieses Dorf zu einem Musterdorf zu transformieren, und er hat diesen Gesinnungswandel wirklich und sichtlich erreicht: Keine Ziegen und Schweine mehr, die doch sonst in den Dörfern alles zerstören! Und wirklich, jedes Haus hat seine Felder direkt vor der Haustüre, und hunderte von jungen Obstbäumen wachsen bereits!

In der Kirche darf ich predigen, was die 3 Weisen mit Jesus teilten: Gold, Weihrauch und Myrrhe, Sinnbilder dafür, dass wir mit Armen teilen sollen: unseren Reichtum, und sei er noch so klein, unseren Glauben, und sei er noch so schwach, unsere Heilpflanzen, auch wenn wir nur wenige wirklich kennen!

Im Anschluss daran folgt die Besichtigung der Klinik "Heilige Ingrid" (Die Klinik heißt so, weil anamed-Unterstützerin Ingrid S. uns Finanzen gab, und die lokale Bevölkerung in einer großen Eigenarbeit eine sehr schöne, traditionell gebaute Klinik erstellte; die Gemeinde gab ein großes Terrain kostenlos dazu! Das DIFÄM gab uns ein Mikroskop dazu und Medikamente!

Das Klinikpersonal spielt dann ein Theater, aus welchem hervorgeht, dass sie dringend eine Entbindungsstation benötigen, weil die schwangeren Frauen die 30 km Fussmarsch zur nächsten Station nicht immer überleben! Ich ermuntere sie, mit traditionellen Hebammen zusammen zu arbeiten, finanzielle Zusagen kann ich keine machen.

Was ich dalassen kann sind 2 Stipendien für Frauen für einen zweijährigen Nähkurs, 2 Singer-Nähmaschinen und eine mechanische Schreibmaschine für die Schule. 80% der Kinder beenden nicht einmal die Grundschule, weil sie ihre Lehrer nicht bezahlen können!

Das Dorfkomittee mit Pfarrer, Dorfchef, Klinikpersonal nennt sich anamed-Gruppe, und ich erkläre, dass sie nun eine "politische" Institution sind, die sich für das Dorf einsetzen kann; was immer unrecht ist, sollen sie an mich schreiben mit Kopie an die deutsche Botschaft in Kinshasa!

Ich übernachte sehr schön traditionell im Lehmhaus, aber leider mit Flöhen.

13.6.: Weiterfahrt nach Matamba Solo, in das Dorf, wo ich 6 Jahre lang arbeitete. Die 20 von mir gesetzten Mangobäume sind schon alle etwa 8 m hoch und ernähren viele Kinder, dafür bin ich sehr dankbar! Die von mir gegründete Produktion von natürlichen und chemischen Arzneimitteln ist voll im Gange! Der Gemeindepfarrer ist etwas unglücklich, dass wir die "anamed-Schule" nach Kishiama gelegt haben und nicht nach Matamba Solo. Treffen mit allen früheren Mitarbeitern. Treffen mit den Kindergärtnerinnen, und Treffen mit 8 schüchternen Schülerinnen, die alle ihr Stipendium von anamed bekommen. Wir übernachten im sauberen Kindergarten (gebaut aus Lehm, Holz und Wellblech).

14.6.: Weiterfahrt 10 km nach Muana Muyombo. Bindanda hat dort eine zweite anamed-Klinik gegründet, und ich weiß nicht so recht warum, schließlich haben wir keine weiteren Finanzmittel; und das Dorf zeigt im Gegensatz zu Bahila keinerlei Anstrengungen, die "Divagation" (das Herumstreunen der Tiere) zu beenden. Mehre Dorfchefs kommen zur Besprechung, das Frauenkomitee, der Frauenchor und alle bedanken sich dafür, was Bindanda ohne meine Zustimmung hier mit Hilfe der Bevölkerung aufgebaut hat: Eine Ruine aus der Kolonialzeit notdürftig hergerichtet, Medikamente eingekauft, aber immerhin: zwei sehr schöne Artemisiagärten angelegt, der eine neben der Krankenstation, der mühsam mit Wasser aus dem Tal versorgt werden muss, und ein Garten direkt neben der Quelle! Im Dorf gibt es noch eine weitere Klinik, die vom Staat und von einem kirchlichen Hilfswerk aus Holland unterstützt wird; nur: Medikamente gibt es dort nicht, die versickern alle auf dem Verwaltungsweg!

Ich sage der Bevölkerung, dass sie erst ihre "Hausaufgaben" = Dorfentwicklung erledigen muss, bevor wir uns in irgendeiner Weise für diese Klinik engagieren! Und wir fahren weiter und kommen an 4 schwer arbeitenden, schweißtriefenden Männern vorbei, die eine Liege tragen, auf der eine fast bewusstlose Malaria-Patientin liegt. Ich frage, wohin sie unterwegs sind. Antwort: "In die anamed-Klinik nach Muana Muyombo! Zum Glück gibt es die, sonst müssten wir uns noch 10 km weiter quälen!" Bindanda freut sich, dass ich von seiner Arbeit selbst dort auf einmal tief gerührt bin!

Weiterfahrt nach Kasongo Lunda, wo wir wie zu erwarten mit den staatlichen Büros kämpfen müssen, um nicht allzu viel Gebühren zu bezahlen. Emmanuel ist bereit, an meiner Stelle zu diskutieren, und somit müssen wir nur 20 USD Trinkgeld statt 300 USD "Steuern" berappen.

Der Chauffeur klagt, dass sein Auto nicht mehr richtig fährt, dennoch kommen wir um 22 Uhr übermüdet in Popokabaka an.

15.6.: Besuche der Projekte des katholischen Bischofs in Popokabaka. Das Krankenhaus ist nur mit westlicher, importierter Medizin ausgerüstet, weit im Hinterhof praktiziert eine afrikanische Schwester "im Geheimen" mit traditioneller Medizin. Im Geheimen deshalb, damit der "Inspecteur de la santé" keine nicht-zugelassenen Medikamente vorfindet, sonst würde er hohe Strafen aussprechen, die dann wieder in seine eigenen Taschen fließen: so stranguliert sich das Gesundheitssystem selbst!

Weiterfahrt mit großen Schwierigkeiten durch tiefen Sand nach Kasinsi, der Chauffeur ist verzweifelt. Auf der Mission Kasinsi sind die 2 spanischen Schwerstern noch ganz geschockt von einem Überfall, den sie vor 2 Wochen überlebten: Männer in Uniform raubten ihre Station aus und hielten sie mit Maschinengewehren in Todesangst. Sowohl die Waffen als auch die Uniformen hatten diese sich bei den "Sicherheitskräften" ausgeliehen. Immerhin wurden die Täter gefasst!

16.6. Die Sandstraße ist tagsüber extrem heiß und damit für unseren schwachen Automotor eine Zumutung, deswegen will der Chauffeur nachts fahren, was wir wiederum wegen der Sicherheitslage ablehnen. Wir einigen uns auf die Abfahrtszeit um 4 Uhr morgens. Doch das Auto streikt: Außer dem ersten Gang lässt sich kein anderer Gang mehr einlegen. Immerhin liegen noch 150 km Steppe ohne jeden Bach oder andere Wasserversorgung vor uns: Grund zum Beten! Wir lassen das Auto warmlaufen, und wider Erwarten geht die Kupplung wieder ein wenig. Tatsächlich kommen wir um 15 Uhr in Kinshasa an!

17.6.: Ich will unsere total verschmutzten Kleider waschen, aber es gibt kaum Wasser in der Leitung, das fließt dafür seit Monaten aus Rohrbrüchen auf die Straßen und unterspült die wenigen Hochhäuser. Jemand leiht mir sogar seine Waschmaschine, aber immer wenn die Maschine auf "Schleudern" schaltet, bricht die gesamte Stromversorgung des Hauses zusammen...

18.6.: Wir besuchen den Stadtteil Kinshasa-Masina, den gefährlichsten Stadtteil. Dort wohnen viele Landflüchtige aus dem Kwango, die "Bayaka". Unsere Mitarbeiter Maledi und Tsobi haben 2 Zimmer gemietet, ein "anamed-Labor" mit Uralt-Mikroskop und Matratze (damit der Krankenpfleger jede Nacht dort übernachten kann, um das Mikroskop vor Einbrechern zu schützen). Das andere ärmliche "anamed-Zentrum" wird geleitet von Tsobi und besteht vorwiegend aus Moringabäumen und einem Ernährungsprojekt für unterernährte Kinder, das gut frequentiert ist: Hier wird echte Barfußmedizin geleistet, alles, auch die Produktion von Salben, findet unter reger Anteilnahme der Bevölkerung statt!

Über Müllberge am Stadtrand geht es weiter zu Maledis Artemisiaprojekt: Im Sumpf des Kongotales hat sein Bruder für anamed eine Parzelle erworben, den Sumpf in 1 m tiefen Graben und 20 cm hohe Hügel eingeteilt, jeweils 1 m breit, und baut auf diesen Hügeln Artemisia an: Vorteil, es braucht nie gegossen zu werden! Dies ist ein unwahrscheinlicher Lichtblick für uns alle!

19. und 20.6. trifft sich jeweils das anamed-Kommittee zur Planung der weiteren Aktivitäten. Allerdings sind all unsere Finanzen am Ende! Zum Glück werfen die Artemisia- und Moringaprojekte doch einiges ab, sodass unsere Mitarbeiter zumindest vor dem Verhungern geschützt sind.

21.6. Besuch der neuen anamed-Klinik im Stadtteil Bumbu. Bisher hat unser Mitarbeiter Konda immer Häuser dafür angemietet. Mit viel Engagement hat er jedesmal Ruinen dafür renoviert, und das Ende war immer das Gleiche: Der Vermieter hat ihm hochzufrieden gekündigt. Um solche Fehlinvestitionen zu vermeiden, hat Konda nun eine Parzelle gekauft und benötigt unsere Unterstützung, hier eine saubere, moderne "anamed-Klinik" mit Unterrichtsräumen aufzubauen.

Besuch der Druckerei St. Paul: Wir bezahlen den Druck von 4000 Büchern "Nat. Medizin" in der Kikongo-Sprache und "Nat. Medizin und AIDS" in Französisch!

22./23.6. Rückflug. Eine großartige Reise ist zu Ende, und wir danken allen Unterstützern, die alle besuchten Projekte mitfinanzierten: Im Landesinnern wie in Kinshasa werden Malariapatienten geheilt, finden AIDS Patienten einen neuen Lebensabschnitt, verdammen Pfarrer keine Heilpfanzen mehr als Zauberei, sondern legen selber medizinische Gärten an, wird die Solarenergie bekannt gemacht, gibt es inmitten unvorstellbarer schwieriger politischer Verhältnisse, im täglichen Kleinkrieg ums Überleben, wieder Hoffnung für Tausende: Danke!