Der Pazifist 180 vom 15.Februar 2003

 

KRIEG IST EINE DROGE

Ein Interview mit Chris Hegdes

Chris Hedges hat 15 Jahre als Auslandskorrespondent gearbeitet und 10 davon für die NEW YORK TIMES über Konflikte in Zentralamerika, dem Nahen Osten und dem Balkan berichtet. Kürzlich sprach er mit Molly Marsh vom SOJOURNERS MAGAZINE über sein neues Buch „War Is A Force That Gives Us Meaning“, das die Mythen des Krieges und die Zerstörung beschreibt, die unser Kriegsenthusiasmus der Welt und uns selbst bereitet.

SIE SAGEN, SIE HÄTTEN IHR BUCH GESCHRIEBEN, UM DEN KRIEG ZU VERSTEHEN UND NICHT SO SEHR, UM UNS DAVON ABZURATEN. WAS VERSTEHEN SIE JETZT MEHR VOM KRIEG ALS VORHER?

Der Krieg, wie er in der Gesellschaft präsentiert wird, ist mythisch. Wir verstehen den Krieg nicht. Sie müssen in einen Krieg verwickelt oder von Krieg betroffen sein, um ihn schließlich zu begreifen. Und vielleicht ist es für einen Staat oder ein Imperium unmöglich, einen Krieg zu betreiben, ohne diesen Mythos zu nähren und zu unterstützen. Der Mythos wird vom Staat gefördert, von der Unterhaltungsindustrie, der Presse - es ist jener Mythos von Ruhm, Heldentum, Edelmut, der Mythos, den man letztendlich nicht irgendwie erfahren kann, es sei denn man beteiligt sich an dieser Form von Gewalt oder unterwirft sich ihr in irgendeiner Art und Weise. Die größte Erkenntnis für mich war, daß Krieg, so wie er in unserer Gesellschaft dargestellt wird, eine Lüge ist.

SIE VERGLEICHEN DEN KRIEG GERN MIT EINER DROGE, EINER DROGE, DIE SIE SELBST LANGE ZEIT GENUTZT HABEN. HAT DAS SCHREIBEN DES BUCHES IHNEN DABEI GEHOLFEN, DIE ANZIEHUNGSKRAFT DES KRIEGES FÜR SIE ZU VERSTEHEN?

Jeder, der in Kampfhandlungen verwickelt wird, selbst als Nicht-Kombattant, kann nach diesem Rausch süchtig werden, diesem Gefühl einer Bestimmung, das einem erlaubt, aus den kleinen täglichen Sorgen des Lebens herauszutreten und für eine große Sache zu leben, sich selber mit einer Art von Adel auszustatten. Krieg ist eine Droge - vielleicht das mächtigste Narkotikum, das die Menschheit kennt.

Die Verführung durch Krieg geschieht schleichend, weil so viel von dem, was wir über den Krieg hören, der Wahrheit entspricht. Wie viele Drogen schafft er ein Gefühl von Kameradschaft, Einheit, Gemeinschaft, selbst Kommunion, und dies kann unsere eigene Entfremdung verschwinden lassen und vielen von uns - vielleicht das einzige Mal in unserem Leben - das Gefühl geben, dazuzugehören. Aber natürlich ist das die gleiche falsche Verbundenheit, die Süchtige empfinden, wenn sie ihre Droge nehmen. Wenn die Betäubung durch den Krieg abklingt, verschwinden alle diese Bindungen.

Ich reiste von Kriegsgebiet zu Kriegsgebiet. Erst als ich zurücktrat und mich zwang, mich davon zu befreien, was ein langer, schwieriger Prozeß war, konnte ich mich davon erholen. Ich erwachte und erkannte, daß dies ein selbstzerstörerischer Lebensweg war und daß ich, wenn ich weiterhin mit Gewalt und Gefahr flirten würde, als Toter enden könnte, so wie viele Kollegen, mit denen ich über die Jahre hinweg gearbeitet habe, tot sind.

SIE SCHREIBEN VON DEN „FALLSTRICKEN“ DES KRIEGES - DEN MYTHEN, DIE DER STAAT ÜBER DEN „KAMPF FÜR FRIEDEN UND DEMOKRATIE“ VERBREITEN LÄSST, DER SELBSTANBETUNG, DIE DER PATRIOTISMUS DARSTELLT, DER KLISCHEEHAFTEN REDE ÜBER DEN KRIEG - ALLES, WAS AUF DEN GEGENWÄRTIGEN „KRIEG GEGEN DEN TERRORISMUS“ UND DEN KOMMENDEN KRIEG GEGEN DEN IRAK ANGEWENDET WERDEN KANN.

Eine Sache, die in Kriegszeiten immer geschieht, ist die Herstellung der Sprache, mit der wir uns ausdrücken können, durch den Staat; die Klischees, die Chauvinismen - so wie der „Krieg gegen den Terrorismus“ - werden von der Presse übernommen, und so wird es schwierig außerhalb des Kastens zu sprechen oder zu denken. Wir kämpfen darum, uns auszudrücken, weil es so scheint, daß wir uns nur in der uns gegebenen Sprache ausdrücken können und jene, die uns eine alternative Sprache anbieten, in Kriegszeiten gewöhnlich zum Schweigen gebracht werden. Sie werden als Verräter oder als unpatriotisch gebrandmarkt.

Die Wiederherstellung des Friedens in einer Gesellschaft ist so sehr von der Wiedererschaffung einer gemeinsamen Sprache abhängig. Man sah das in Südafrika bei den Wahrheits- und Versöhnungskomissionen. Obwohl den Mördern des Apartheid-Regimes Amnestie gewährt wurde mußten sie ihre Verbrechen bekennen. So wurde Opfern und Tätern eine gemeinsame Sprache gegeben. Das ist grundlegend für die Heilung und die Schaffung einer Gesellschaft, die in Frieden leben kann. Wenn man nach Bosnien sieht, so ist es dort nicht geschehen, und es gibt in Bosnien keinen Frieden: es gibt die Abwesenheit von Krieg. Die Korruption der Sprache und die Wiederaneignung der Sprache sind grundlegend in Kriegszeiten und grundlegend bei der Schaffung des Friedens.

Patriotismus ist gefährlich, denn er bedeutet immer eine Form von Bejubelung von uns als Nation und Volk, und darin steckt eine Erniedrigung der anderen. Wenn man erst einmal aufhört miteinander zu reden und Sprache zu gebrauchen, die die anderen entmenschlicht und sich selbst erhöht, wird es sehr schwer, friedliche Lösungen zu finden.

WAS MEINEN SIE IM VORWORT; IN DEM SIE SCHREIBEN, DAS BUCH SEI EIN „AUFRUF ZUR BUSSE“?

Sigmund Freud schreibt in „Das Unbehagen in der Kultur“ daß alles Leben ein Kampf zwischen den Mächten der Liebe, oder Eros, und den Kräften des Todes, Thanatos, sei. Zu dieser oder jenen Zeit ist eine dieser Kräfte immer aufsteigend - nicht nur in uns, sondern in der Gesellschaft. Ich glaube, daß wir nach unserer Niederlage in Vietnam eine bessere Nation geworden sind. Wir stellten über uns als Volk und Land Fragen, die wir vorher nicht gestellt hatten. Wir waren gezwungen, uns selbst in einem unschmeichelhaften Licht zu betrachten. Wir verstanden die Kosten und Schrecken des Krieges und es war für uns schwierig, zumindest unmittelbar nach dem Vietnamkrieg, uns in den Mythos zu erheben. Dies war ein Augenblick, in dem Eros in unserem Land aufstieg.

Dies wurde schrittweise aufgeweicht, besonders während der Reagan-Jahre mit der Invasion von Grenada und Panama, und kulminierte mit dem ersten Golfkrieg, als Krieg wieder „Spaß“ wurde. Wir sahen den Golfkrieg als riesiges Videospiel. Wir feierten unsere militärische Tapferkeit und ignorierten die schreckliche Zerstörung, die industrialisierte Kriegsführung den Unschuldigen bringt - und ich meine die irakischen Unschuldigen. Seit dem ersten Golfkrieg steigt Thanatos auf. Und das wird sich leider nicht ändern bis wir in einen Konflikt hineinstolpern, bei dem wir wieder die hohen Kosten bezahlen müssen und aufwachen und realisieren, daß Krieg das ist was er ist: organisiertes Abschlachten.

SIE SCHREIBEN, SIE HOFFEN, DASS IHRE KINDER NIEMALS DASSELBE WIE SIE TÄTEN. WOVOR MÖCHTEN SIE SIE AM MEISTEN BEWAHREN?

Wie jeder, der soviel Gewalt und Tod gesehen hat und Zeuge dieser Art menschlicher Grausamkeit und Schrecken geworden ist, habe ich tiefe Narben die ich für den Rest meines Lebens mit mir tragen werde. Wie viele Kriegsveteranen habe ich mit posttraumatischen Streßsymptomen, Depressionen zu tun - ich trage in mir eine schwere Last. Für das Wissen, das ich gewonnen habe, habe ich einen schrecklichen, schrecklichen Preis gezahlt. Ich möchte nicht erleben, daß meine Kinder diesen Preis bezahlen müssen.

Das Buch von Chris Hedges ist im Verlag Public Affairs erschienen und über Amazon für 23,47 Euro erhältlich.

Quelle: Sojourners magazine, Januar-Februar 2003, Washington DC, Übers.B.Büscher

 

Ende des Völkerrechts?

Klassischer Krieg Auslaufmodell?

In einem Aufsatz zu diesem Thema schreibt Herfried Münkler in der NZZ vom 14.9.02:

„Der Krieg hat sich seiner Fesselungen an die Staatlichkeit, die ihm völkerrechtlich mit dem Westfälischen Frieden angelegt worden sind, entledigt, er hat sich entstaatlicht, um nicht zu sagen privatisiert. Der einstige Kriegsmonopolist Staat konkurriert mit parastaatlichen und privaten Akteuren, mit Warlords, Söldnern und netzförmig miteinander verbundenen Terrorgruppen, die untereinander, aber auch gegen Staaten Kriege führen.“

Münkler stellt fest, daß die Kriege der Neuzeit „symmetrische Kriege“ waren, es bestand eine „klassische Duell- oder Turniersituation“, welche das modere Völkerrecht zu regeln versucht hat, im Kriegs- und Friedensrecht. Inzwischen seien diese symmetrischen Kriege jedoch durch asymmetrische Kriege abgelöst worden, also einseitige Gewaltanwendungen, wozu heute Massenvergewaltigungen gehörten, ebenso wie Massaker und Terroranschläge. Die Reste von Ritterlichkeit seien aus der Kriegführung verschwunden.

Krieg wird wieder ein lukratives Geschäft

Münkler erinnert daran, daß schon vor dem Dreißigjährigen Krieg für einige Jahrhunderte Krieg für Söldner und Landsknechte ein lukratives Geschäft gewesen sei. Die städtische Oberschicht habe die ländlichen Unterschichten „für sich fechten lassen“. Später wurden Kriege so teuer, daß die „privaten Kriegsunternehmen, die Warlords der frühen Neuzeit“ allmählich verschwanden und stattdessen nur noch Staaten genügend Geld für die Rüstung aufbrachten. Erst in jüngster Zeit finde wieder ein Paradigmenwechsel statt: Von den nach 1945 geführten Kriegen seien allenfalls ein Drittel zwischenstaatliche Kriege im herkömmlichen Sinne, zwei Drittel dagegen seien innergesellschaftliche und transnationale Kriege gewesen, „in denen lokalen Milizen, international rekrutierte Guerillagruppen, weltweit agierende Terrornetzwerde sowie regionale Warlords gegeneinander Krieg führten“. Und da spielten nicht mehr hochgerüstete Armeen die entscheidende Rolle, sondern Milizen oder Gefolgschaften von Warlords. Die Waffen dieser „neuen Kriege“ seien billig: Maschinengewehre, Antipersonenminen, kurz leichtes Gerät. Damit seien die „neuen Kriege“ wieder ein lukratives Geschäft geworden.

Die gesamtgesellschaftlichen Kosten solcher Kriege indes seien immens. Doch sie müßten nicht von den Warlords und ihren Hintermännern getragen werden, sondern von der Gesellschaft. Münkler schreibt: „Den Warlords und Milizchefs ist auf eine geradezu infame Weise gelungen, die Gewinne der von ihnen geführten Kriege zu privatisieren und deren Kosten zu sozialisieren.“ Ein Grund unter anderen sei oft das Scheitern des Staatenbildungsprozesses in der nachkolonialen Epoche.

Münkler nennt noch einen anderen ganz entscheidenden Grund, der oft viel zu wenig Beachtung findet: „Es ist freilich nicht nur der Staatszerfall, sondern vor allem auch die Leichtigkeit des Andockens von Bürgerkriegsökonomien an die Kapital- und Warenzirkulation des Weltmarktes, die den Krieg auf eigene Faust und eigene Rechnung so attraktiv hat werden lassen.“ Und dann folgt eine Aufzählung all der Rohstoffe, welche von den Warlords auf diese Weise mehr oder weniger illegal aber unbehelligt in den internationalen Handel geschleust werden. Hier liege eindeutig ein Versäumnis der „OECD-Welt“.

Die Friedens- und Konfliktforschung habe sich dagegen bis in die jüngste Zeit vor allem damit befaßt, „die Rüstungswettläufe des Ost-West-Konflikts zu rekonstruieren und dessen Symmetrie exakt zu vermessen.“

Planern und Strategen der neuen Kriege sei es dagegen gelungen, nicht nur aus der Rüstungsspirale, sondern auch aus jeglicher symmetrischer Kriegführung auszusteigen. Assymetrische Kriegführung wolle mit minimalem Eigenaufwand dem Gegner maximalen Schaden zufügen. Somit richteten sich ihre Angriffe gegen die hochgradig verletzlichen Systeme der Industriegesellschaften. Die „Strategen des Terrors“ hätten herausgefunden, daß moderne Gesellschaften dort, wo sie am leichtesten anzugreifen seien, die schwersten Verletzungen erlitten. Der Partisanenkrieg sei die defensive Form asymmetrischer Kriegführung, die offensive Form sei der internationale Terrorismus. Das bürgerliche Leben diene als Tarnung und Deckung. Die Infrastruktur des Gegners werde als logistische Basis genutzt und in Waffen umfunktioniert: Flugzeugentführungen, Briefbomben, Computerviren usw. Das Ziel sei nicht das Militär sondern das Wirtschaftsleben. Man suche nicht die gepanzerte Faust des Angegriffenen sondern seine Nerven- und Blutbahnen, die den ganzen Organismus träfen.

Abschied vom Völkerrecht?

Münkler stellt abschließend fest: „Der zwischenstaatliche Krieg ist also ein historisches Auslaufmodell und womöglich sind dies auch die daran gebundenen, weil wesentlich an Staaten adressierte Normen des heutigen Völkerrechts.“

Während die Europäer noch versuchten, das bestehende Völkerrecht weiterzuentwickeln und es den veränderten weltpolitischen Verhältnissen anzupassen, hätten die Amerikaner damit begonnen, sich Stück für Stück davon zu verabschieden. Man könnte dem hinzufügen, daß der amerikanische Rüstungsminister Rumsfeld vor diesem Hintergrund seine Rede vom „alten Europa“ geführt haben dürfte. Die USA begannen schon vor einigen Jahren mit dieser Entwicklung, indem sie ihre Mitgliedschaft beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag aufkündigten. Sie ratifizierten immer seltener internationale Konventionen, weigern sich, afghanische Kriegsgefangenen nach den Genfer Konventionen zu behandeln und haben sich zuletzt aus der internationalen Strafgerichtsbarkeit zurückgezogen.

Das „alte Europa“, so der Gedanke Münklers, lange bevor Rumsfeld das Wort in den Mund nahm, versuche, Minimalvoraussetzungen symmetrischer Politik wiederherzustellen. Amerika dagegen begebe sich auf die Fährte der Assymetrie. Während die Europäer das Völkerrecht ausbessern wollten, sei dieses nach Ansicht des offiziellen Amerika nicht mehr zu retten. Europa versuche durch Stützung der Staatlichkeiten Symmetrie wiederherzustellen, während Amerika sich auf einen permanenten Krieg gegen terroristische Organisationen einstelle, in Endlosschleife, wie das alte Rom seine „Barbarengrenze“ hatte, wo immer wieder Kämpfe aufflackerten.

Ein Krieg gegen den Irak werde das Ende des gegenwärtigen Völkerrechts bedeuten. Stattdessen würden die Sieger ein assymetrisches Völkerrecht setzen, in dem die Vorstellung des „gerechten Krieges“ wieder thronen werde.

Herausforderung für die Friedensarbeit

Der Völkerrechtler Daniel Thürer hält diesen Überlegungen in der NZZ vom 8.2.03 entgegen, daß ein Irakkrieg noch in den Bereich der symmetrischen Konflikte gehöre. Ganz entscheidend sei die Interpretation der Resolution 1441 des UN-Sicherheitsrates. Diese Resolution beruhe darauf, daß die „Macht ins Recht“ gestellt sei. Niemand, auch kein Machthaber, stehe über dem Recht oder außerhalb des Rechts. Zur spezifischen Kultur des Rechts gehöre, den Konfliktregelungsmechanismen prinzipiell Vorrang vor dem Einsatz militärischer Gewalt zu geben. Deshalb spricht sich Thürer eindeutig gegen einen Militärschlag aus. Die Prozeduren der kollektiven Entscheidungsfindung im Sicherheitsrat seien gerade geschaffen worden, um nationale Interessen in den „Werte- und Interessenhorizont“ der internationalen Gemeinschaft hineinzustellen. Abschließend weist Thürer darauf hin, daß dem assymetrischen Charakter der neuen Kriege „weltweit neue Formen der Konflitregelung und –beilegung“ entgegengesetzt werden müßten.

Damit öffnet sich ein weites Feld für ernstzunehmende Friedensarbeit. H.R.

DOKUMENTATION

 

Papst Johannes Paul II zum katholischen Weltfriedenstag

" Nein zum Krieg!" Er ist nie ein unabwendbares Schicksal. Er ist immer eine Niederlage der Menschheit. Das Völkerrecht, der aufrichtige Dialog, die Solidarität zwischen den Staaten und die ehrenvolle Ausübung der Diplomatie sind jene Mittel zur Lösung von Streitigkeiten, die des Menschen und der Nationen würdig sind. Ich sage dies mit Blick auf jene, die ihr Vertrauen noch immer in Atomwaffen setzen, und auf die allzu zahlreichen Konflikte, die unsere Mitmenschen noch immer gefangen

halten. Zu Weihnachten hat uns Betlehem an die ungelöste Krise im Nahen Osten erinnert, wo zwei Völker, das israelische und das palästinensische, dazu aufgerufen sind, Seite an Seite zu leben, beide

in Freiheit und Souveränität und in gegenseitigem Respekt. Ohne noch einmal zu wiederholen, was ich Ihnen bereits im letzten Jahr beim gleichen Anlass gesagt habe, beschränke ich mich heute darauf,

angesichts der zunehmenden Verschärfung des Nahost-Konflikts hinzuzufügen, dass dessen Lösung nie durch Terrorismus oder bewaffnete Konflikte durchgesetzt werden kann in der Annahme, militärische Siege könnten der Ausweg sein. Und was soll man über einen drohenden Krieg sagen, der über die Bevölkerung des Irak, des Landes der Propheten, hereinbrechen könnte, eine Bevölkerung, die schon von einem zwölf Jahre andauernden Embargo entkräftet ist? Der Krieg ist nie ein Mittel wie andere, das man zur Beilegung von Auseinandersetzungen zwischen Nationen einsetzen kann. Die Charta der Vereinten Nationen und das Völkerrecht erinnern daran, dass der Krieg, auch wenn es um die Sicherung des Gemeinwohls geht, nur im äußersten Fall und unter sehr strengen Bedingungen gewählt werden darf, ohne dabei die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung während und nach den Kampfhandlungen zu vergessen.

5. Es ist daher durchaus möglich, den Lauf der Ereignisse zu ändern, sobald der gute Wille und das Vertrauen in den anderen vorherrschen und die Umsetzung der übernommenen Verpflichtungen und die Zusammenarbeit zwischen verantwortungsbewussten Partnern an erster Stelle stehen. Ich werde zwei Beispiele hierfür anführen. Das heutige Europa ist zugleich ein vereintes und erweitertes Europa. Es konnte die Mauern niederreißen, von denen es verunstaltet wurde. Es hat sich für die Entwicklung und den Aufbau einer Wirklichkeit eingesetzt, die Einheit und Vielfalt, nationale Souveränität und gemeinsames Handeln, wirtschaftlichen Fortschritt und soziale Gerechtigkeit miteinander zu verbinden vermag.

Dieses neue Europa trägt in sich die Werte, die im Laufe von zwei Jahrtausenden eine Denk- und Lebenskunst zur Entfaltung gebracht haben, von denen die ganze Welt profitiert hat. Unter diesen Werten nimmt das Christentum insofern einen vorrangigen Platz ein, als es einen Humanismus entwickelte, der seine Geschichte und Institutionen geprägt hat. In Erinnerung an dieses Erbe haben sich der Hl. Stuhl und alle christlichen Kirchen bei den Urhebern der künftigen Verfassung der Europäischen Union dafür eingesetzt, dass diese einen Hinweis auf die Kirchen und religiösen Institutionen enthält.

Es erscheint uns in der Tat wünschenswert, dass - unter voller Achtung der Laizität - drei ergänzende Elemente anerkannt werden: die Religionsfreiheit in ihrer nicht nur individuellen und kultischen,

sondern auch in ihrer sozialen und gemeinschaftlichen Dimension; die Zweckmäßigkeit von gut strukturiertem Dialog und Absprachen zwischen den Regierenden und den Glaubensgemeinschaften; die Achtung des rechtlichen Status, den die Kirchen und religiösen Institutionen schon jetzt in den

Mitgliedstaaten genießen. Ein Europa, das seine Vergangenheit missachten und das Religiöse leugnen würde und das keine spirituelle Dimension besäße, hätte sicherlich schlechte Chancen im Hinblick auf das ehrgeizige Projekt, für das es seine gesamten Kräfte mobilisiert, nämlich ein Europa für alle aufzubauen!

Auch Afrika gibt uns heute Gelegenheit zur Freude: Angola hat mit seinem Wiederaufbau begonnen, Burundi hat einen Weg eingeschlagen, der zum Frieden führen könnte, und erwartet von der internationalen Gemeinschaft Verständnis und finanzielle Unterstützung; die Demokratische Republik

Kongo hat ernsthaft einen Dialog auf nationaler Ebene aufgenommen, der zur Demokratie führen soll. Der Sudan hat seinen guten Willen unter Beweis gestellt, auch wenn der Weg zum Frieden noch lang und mühsam ist.

Zweifelsohne darf man sich über solche Fortschritte freuen und die politisch Verantwortlichen dazu ermutigen, keine Mühe zu scheuen, damit die Völker Afrikas nach und nach den Anfang einer Befriedung und somit des Wohlergehens erleben - jenseits von ethnischen Konflikten, Willkür und Korruption. Aus diesem Grund können wir die schlimmen Ereignisse, die die Elfenbeinküste und die Zentralafrikanische Republik erschüttern, nur beklagen und ihre Einwohner auffordern, die Waffen niederzulegen,

sich an ihre jeweilige Verfassung zu halten und die Basis für einen nationalen Dialog zu schaffen. Dadurch wird es leichter sein, alle Glieder der Gemeinschaft des Landes in die Ausarbeitung eines

gesellschaftlichen Projektes einzubeziehen, indem sich alle wiedererkennen. Außerdem ist es erfreulich, festzuhalten, dass die Afrikaner immer mehr danach streben, die geeignetsten Lösungen für ihre

Probleme zu finden, dank des Wirkens der Afrikanischen Union und dank effizienter regionaler Vermittlungen.

 

“Neue Kriege”, alte Gewalt: Zum Diskussionsstand Überlegungen nach der Lektüre zweier neuerer Veröffentlichungen

Von Dr. Heinz Werner Weßler

„Neue Kriege“ sind „Resource wars“. Zum Hintergrund: Der klassische Krieg ist bilateral, der zwischen zwei Staaten und deren Verbündeten ausgefochten wird. Multilaterale zwischenstaatliche Kriege, etwa stWeßlertand Weltkrieg I und II, können als Sonderfälle dieses klassischen Kriegsszenarios gelten.

Auch in den Jahrzehnten des „kalten Krieges“ waren es Staaten, die sich als militärische Akteure gegenüberstanden. In akuten Krisensituationen wie etwa der Kuba-Krise 1962 und bei der Berlin-Krise Ende der 1940er Jahre wurden Grenzen der Belastbarkeit der jeweils anderen staatlichen Supermacht deutlich und beeinflussten deren strategisches Verhalten. Positiv gesehen bestand der „Erfolg“ dieser beiden Krisen, bei denen die Welt nur um Haaresbreite einem Atomkrieg entging, in einem kalkulierbaren Lerneffekt der Supermächte. Der so genannte Stellvertreterkrieg an der Peripherie in Asien und Afrika entstand aus der Logik der Vermeidung offener Konfrontation im Norden der Welt.

Mit dem Ende der Blockkonfrontation und der damit verbundenen taktischen Unterstützung von Regierungen und militärisch aktiven Aufständischen durch so genannte Supermächte schien eine Zeit der Friedensfindung, des Kompromisses und der souveränen Nationalkonferenzen angebrochen. Der Kompromissfrieden zwischen RENAMO und FRELIMO in Mosambik 1992 schien wegweisend, sogar von „afrikanischer Renaissance“ war die Rede. Francis Fukoyamas berühmtes Wort vom „Ende der Geschichte“ sollte plötzlich weltweit gültig werden. Der Genozid in Ruanda 1994 und die scheiternde Demokratisierung in Zaire markierten das frühe Ende dieser Hoffnungen.

Die beiden hier zu besprechenden Publikationen sind ein Produkt des Diskurses der 1990er Jahre, die diese gescheiterten Hoffnungen reflektieren. Die Zahl der militärischen Konflikte in Afrika hat in den letzten Jahren keineswegs abgenommen, wenn auch nicht in Form der von der Afrikanischen Union bzw. der Vorgängerorganisation Organisation für Afrikanische Einheit streng sanktionierten zwischenstaatlichen Kriege.

In den letzten Jahren wurden mehr und mehr Merkmale und strukturelle Ursachen von „heißen“ afrikanischen Konflikten der Gegenwart zusammengetragen, die trotz einer immer wieder schwer übersehbaren regionalen Gemengelage durchaus einheitliche Muster aufweisen. Provisorisch spricht man in diesem Zusammenhang von „neuen Kriegen“ (Mary Kaldor, vgl. Wolf-Christan Paes in: Ungeheuer ist nur das Normale, S.147). Wie in der klassischen marxistischen Analyse von zwischenstaatlichen Kriegen im Kontext des Klassenkampfs sind in der Analyse der „neuen Kriege“ militärische und ökonomische Faktoren eng miteinander verknüpft.

Michael Renner, Wissenschaftlicher Angestellter des renommierten Worldwatch Institutes, hat solche Faktoren in einem Kapitel seines Buches zur Natur der Ressourcenkonflikte zusammen getragen: „Neue Kriege“ finden in einem Umkreis eines schwachen oder zerfallenden Staatswesens, der Machtbereicherung von warlords, reicher Ressourcen und deren Ausbeutung zugunsten eines mit den Feldherren verbundenen Kriegsunternehmertums, inflationär sich verbreitender Kleinwaffen, massiver Menschenrechtsverletzungen, einer schwerwiegenden Leidenssituation für die Zivilbevölkerung und einem militärischen Kampfgeschehen auf eher niedrigem Niveau statt.

Bei allen diesen Konflikten spielen transnationale Konzerne eine wichtige Rolle, denn die Netzwerke, über die die Ressourcenausbeutung und die Kriegsfinanzierung funktionieren, können nur dann „erfolgreich sein, wenn sie über Hehler schließlich Zutritt zu den Märkten der reichen Industrieländer finden“ (Peter Lock, Ungeheuer ist nur das Normale, S.72).

Im Weltsicherheitsrat wurde das Thema Kriegsökonomie zum ersten Mal Anfang der 1990er Jahre intensiv diskutiert, als die Finanzierung der Roten Khmer durch Edelstein- und Tropenholzschmuggel über Thailand thematisiert wurde. Mehrere VN-Berichte zu Angola, Liberia, Sierra Leone und der DR Kongo haben den Zusammenhang von Ressourcenausbeutung und mafiöser Finanzierung der kriegsführenden Parteien erhellt. Dabei wird deutlich, dass das Kriegsziel bei diesen Konflikten nicht so sehr im militärischen Sieg, sondern in der Fortsetzung einer Situation besteht, bei der einige der Akteure durchaus profitieren: „Die Rohstoff-Kontrolle sichert nicht nur die Machtstellung im Krieg, sie wurde mit der Zeit selbst mehr und mehr zur Ursache des Krieges.“ (Anne Jung, Ungeheuer..., 77).

Klaus Schlichte fasst den Diskussionsstand zum Thema „Kriegsökonomie“ zusammen (Ungeheuer...). Zentral ist dabei, dass es nicht nur um kriegstypische Waren wie Waffen und Drogen geht, sondern mehr noch um die leicht abbaubaren Rohstoffe wie Tropenholz, Diamanten, Erdöl und Tantal. Anne Jung (Ungeheuer...) spricht in diesem Zusammenhang in ihrem Beitrag von den „glänzenden Seiten des Krieges“. Der Ressourcenreichtum afrikanischer Länder stellt heute eher ein Risiko als eine Chance auf wirtschaftlichen Aufschwung dar (Philippe Le Billon, Ungeheuer...) – Rohstoffreichtum als Fluch (vgl. Renner 2002: 14ff).

In der VN-Welt gibt es verschiedenartige Ansätze, diese Problematik zu einem Thema internationaler Politik zu machen. Die in den letzten zwei Jahren wohl am intensivsten arbeitende VN-Arbeitsgruppe zu dem Thema beschäftigt sich mit der „Illegalen Ausbeutung von Ressourcen aus der DR Kongo“. Die Struktur der in deren jüngsten Bericht vom Oktober 2002 so genannten „elitekriminellen Netzwerke“, in denen lokale Kriegsherren und die lokalen und internationalen Rohstoffhändler zusammen wirken, ist im Detail oft nur mit großem personellen und sachlichen Aufwand zu recherchieren. Auf diesem Gebiet sind Nichtregierungsorganisationen überfordert, ihre Stärke liegt neben der Lobby- und Advocacy-Arbeit in der theoretischen Durchdringung der Problematik. Die VN, aber auch die nationalen Entscheidungsträger, tun sich schwer damit, im Kontext der „neuen Kriege“ die dringend erforderlichen politisch-operativen Maßnahmen zu entwickeln.

Michael Renners Untersuchung ist eine Weiterentwicklung eines Artikels für den jährlichen Worldwatch-Report State of the World 2002, der auch in deutscher Übersetzung erschienen ist (Zur Lage der Welt 2002. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbücher 2002). Er hat durch diese Bearbeitung zweifellos an Substanz gewonnen, basiert allerdings weniger auf eigenen Recherchen als auf einer Auswertung der vorhandenen Informationen. Der Wert der Untersuchung liegt in einer zusammenfassenden Sichtung von dem, was in den letzten Jahren bereits publiziert wurde und wie die internationale Gemeinschaft darauf reagiert hat. Auf S.55 findet sich etwa eine Liste der VN-Resolutionen mit Embargomaßnahmen gegen einzelne Staaten und ihre Rohstoffe, angefangen mit der Resolution 788 mit dem Waffenembargo gegen Liberia.

Der Weltsicherheitsrat hat sich vor allem hinter das Embargo gegen „Blutdiamanten“ aus Angola geklemmt, mit denen sich die UNITA über Wasser hielt und hält. Renner erwähnt den Bericht der Arbeitsgruppe unter dem kanadischen VN-Botschafter Robert Fowler nur kurz, analysiert aber die damit aufgeworfene Frage der Sanktionsbrecher und des Umgangs mit ihnen nicht. Ebenso werden die OECD-Richtlinien für transnationale Unternehmen nicht auf ihre Tauglichkeit als Instrument im Kampf gegen die Gewaltökonomie der „neuen Kriege“ untersucht. So werden die Handlungsoptionen der internationalen Gemeinschaft (Sanktionen, Embargos, Entwicklung von Zertifikationssystemen etc.) nur sehr pauschal vorgestellt.

Der Fluch der Ressourcen wird auch in den VN immer deutlicher, doch sie tun sich schwer, im Konsens Strategien durchzusetzen, um den tödlichen Zyklus von Rohstoffexporten und Waffenimporten zu unterbrechen oder wenigstens einzuschränken. Die fälschungssichere Zertifizierung von Rohstoffen wird derzeit im Diamantenhandel in einer engen Kooperation zwischen Nichtregierungsorganisationen, den VN und der World Federation of Diamond Bourses bzw des World Diamond Council versucht,. Die „Kimberley-Deklaration“, am 1.1.2003 in Kraft getreten, ist ein Selbstregulierungssystem des Rohdiamantenhandels. Unklar ist, ob es gelingt, eine zuverlässige internationale Kontrolle der Handelskette vom Erzeuger über den Zwischenhandel bis zum Verbraucher und die dazu erforderliche Behörde aufzubauen, die die erwünschte Zertifizierung von Diamanten zuverlässig garantieren kann. Für den Diamantenhändler De Beers, der knapp 50 Prozent der Förderung und 65 Prozent des weltweiten Handels kontrolliert, ist die Kimberley-Deklaration angesichts des sensiblen Rohstoffs Diamant schon jetzt ein großer PR-Erfolg.

Dieses Dilemma der Kimberley-Deklaration steht für das Dilemma der ganzen fatal transactions campaign, mit der NROs auf die tiefliegende Problematik der Rohstoffexporte aus Kriegsregionen akufmerksam machen wollen. „In Zeiten globalisierter Weltwirtschaft funktionieren Rohstoff-Kampagnen nicht mehr nach dem alten Muster ‚Hier steht der Feind, dort ist unserer Lösung’“ (Ungeheuer..., S.83). Die Basis jedes Konsensmodells darf nicht verunklart werden: „Die konsequente Parteinahme für die Opfer des Krieges muss immer oberste Priorität haben“ (ibid.).

Falls das Zertifizierungsmodell, verbunden mit Sanktionsdrohungen gegen illegalen Handel, sich als erfolgreich erweist, stellt sich natürlich die Frage, ob das Instrument „Zertifizierungsbehörde“ die gültige Antwort der Staatengemeinschaft auf die Ökonomie der „neuen Kriege“ darstellt. Sind wir auf dem Weg zur marktregulierenden Zertifizierung für Rohstoffe nach dem Vorbild der verarbeitenden Industrie (wie bei Teppichen ohne Kinderarbeit, Textil-, Sportartikel- und Spielzeugindustrie mit gerechten Betriebsbedingungen in der Dritten Welt etc.)?

„Mit dem Verkauf dieses Handys werden keine Kriege in Afrika finanziert“ – bis zu einem solchen Aufdruck auf Handy-Verpackungen ist noch ein weiter Weg. Es bleiben erhelbliche Zweifel an der Durchsetzbarkeit: Selbst die Regierungen der Staaten in der Dritten Welt können kaum anders als skeptisch reagieren: Sie streuben sich gegen jedes neue Mittel der Einmischung in innere Angelegenheiten und sehen in der drohenden Zertifizierung von Rohstoffexporten ein besonders raffiniertes Kontrollinstrument der Industriestaaten über die Dritte Welt.

Auf Seiten der internationalen Gemeinschaft ist der ekklatante Widerspruch zwischen den milliardenteuren internationalen Militärinterventionen und dem Einsatz zur Verhinderung der „neuen Kriege“ offensichtlich: Eine internationale Friedenspolitik der Staatengemeinschaft, die sich bei der Problematik der „neuen Kriege“ als handlungsunfähig erweist, verdient ihren Namen nicht.

Eine konsistente politische Strategie zum Umgang mit der Herausforderung der „neuen Kriege“ ist noch in weiter Ferne. Leider können hier die beiden besprochenen Bände wenig helfen. Ebenso vermisst der Rezensent eine Darstellung der Wahrnehmung des Themas Kriegsökonomie im Rahmen der VN über die letzten Jahrzehnte hinweg. Gerade bei Renner, der in einem narrativen par force-Ritt durch die Ressourcenkonflikte der Welt führt, kommt die grundlegende Reflexionen auf Handlungsoptionen entschieden zu kurz.

Die kontroverse Debatte um den Umgang mit der Coltan-Problematik in der DR Kongo zeigt, um was es geht: Bei der Analyse des Phänomens der „Kriegsökonomie“ herrscht zunächst eine gewisse Einigkeit, unklar ist nur, wie die Abnehmerstaaten der Rohstoffe darauf reagieren sollen. Was sollen NROs im Norden der Welt fordern, wofür sollen sie sich einsetzen? Eine in der DR Kongo aktive NRO setzt sich mit Nachdruck gegen die Forderung nach einem internationalen Tantal-Embargo im Zusammenhang mit dem „neuen Krieg“ in der DR Kongo ein und bezeichnet den Einsatz für ein Tantal-Embargo sogar als moralisch „unverantwortlich“.

Von einem Schuldbekenntnis involvierter transnationaler Unternehmen hat man selbstverständlich in keinem Fall etwas gehört. Im Gegenteil, sie sehen sich in jedem einzelnen Fall selbst als Opfer und und vermuten – wie Peter Kählert als Vertreter von H.C.Starck beim International Policy Dialogue im November 2002 auf dem Petersberg - „dass NGOs und ein Teil der Medien hinter gesellschaftlichem Engagement von Unternehmen oft nur böse Absichten vermuten und dies auch kundtun.“ Aus unternehmerischer Sicht muss die Diskussion um das Thema Ökonomie der „neuen Kriege“ die Investitionsbereitschaft transnationaler Unternehmen schädigen.

In der Tat muss es das Ziel der Politik sein, sinnvolle private Investitionen auch in Konfliktregionen zu befördern. Doch die Politik kann nicht tatenlos zusehen, wenn unternehmerische Profite gewaltsame Konflikte initiieren oder befördern. Dabei ist der Gegensatz zwischen den Interessen des Marktes und den Forderungen der Gerechtigkeit vielleicht nur ein scheinbarer: Letztlich muss es im Sinne des Marktes sein, wenn mehr Transparenz in das menschenrechtliche Umfeld hineinkommt: Eine vernünftige Marktregulierung kommt letztlich dem Markt zugute. Transparenz („Publish what you pay“) ist das Zauberwort der Stunde. Eine intensive Lektüre der OECD-Richtlinien für transnationale Unternehmen liefert auch schon viele Hinweise für einen fruchtbaren Dialog zwischen menschenrechtlich und friedenspolitisch orientierten NROs und den transnationalen Unternehmen.

Im Falle des Irak oder Jugoslawiens sahen sich die VN durchaus in der Lage, zwischenstaatlichen Handel transparent zu machen und effektiv zu kontrollieren bzw. Embargomaßnahmen durchzusetzen. Es gibt also durchaus Präzedenzfälle für komplexe Maßnahmen der Handelskontrolle, auch in der gegenwärtigen Epoche der so genannten Globalisierung mit ihrem Ideal der Liberalisierung des Welthandels. Hier geht es um Zwangsmaßnahmen. In Afrika allerdings, so steht zu befürchten, bringt die internationale Gemeinschaft den notwendigen politischen Willen nicht auf, der Problematik der „neuen Kriege“ mit innovativen Maßnahmen zu entgegnen.

Hinweis: Im Dezember 2002 ist der Rundbrief 5 der pax christi-Kommission Zentralafrika und – in Zusammenarbeit mit medico international, dem Netzwerk Afrika-Deutschland und der Vereinten Evangelischen Mission – eine umfangreiche Broschüre zum Thema „Was hat mein Handy mit dem Krieg im Kongo zu tun?“ erschienen. Beide Dokumente können beim pax christi Sekretariat (sekretariat@paxchristi.de) angefordert werden!

* Renner, Michael, The anatomy of resource wars. Washington: Worldwatch Institute 2002 (Warldwatch Paper :162). 91 S.

* Medico international (Hrsg.). Red.: Anne Jung, Ungeheuer ist nur das Normale : Zur Ökonomie der ‚neuen’ Kriege. Frankfurt a.M.: Babuse Verlag, 2002. 165 S.

 

Laurien Ntezimana erhalt Theodor-Haecker-Preis für politischen Mut und Aufrichtigkeit der Stadt Esslingen

Laurien Ntezimana, mit dem Der Pazifist und Dialog International in Verbindung mit Twese Hamwe seit Jahren verbunden ist erhält einen Friedenspreis der Stadt Esslingen. Wir freuen uns mit Laurien über diese verdiente Auszeichnung.

In der Begründung der Stadt Esslingen, die Oberbürgermeister Dr. Jürgen Zieger bekanntgab, wird Herrn Ntezimanas Schutz bedrohter Tutsi beim Völkermord 1994 und sein fortwährender Einsatz um Aussöhnung und Verständigung der Volksgruppen in Ruanda mit dem Ziel friedlichen und geeinten Zusammenlebens hervorgehoben.

"In einer Situation unvorstellbarer Gewalt und unkontrollierbarer Brutalität hat Laurien Ntezimana - der Bevölkerungsgruppe der Hutu angehörend - aufgrund seiner humanitären Gesinnung sowie seiner religiösen Überzeugungen und unter Einsatz seines Lebens Tutsi vor dem sicheren Tod bewahrt. Unter großen Schwierigkeiten und der notwendigen Trennung von seiner Frau und seinen vier Kindern setzt sich Laurien Ntezimana heute in seinen Projekten für die Verständigung der Volksgruppen in Ruanda ein mit dem Ziel einer Perspektive für das traumatisierte Land", sagte Zieger.

Laurien Ntezimana wurde 1955 geboren. Er studierte katholische Theologie in Kinshasa (Zaire) und Leuven (Belgien).

Nachdem er mehrfach mit dem katholischen Klerus in seinem Heimatland in Widerspruch geraten war, gründete er den "Service d'Animation Théologique", eine theologische Laienorganisation mit dem Ziel der Verbreitung eines ganzheitlichen Menschenbildes unter der ruandischen Bevölkerung.

Während des Genozids der Hutus an den Tutsis 1994 schützte und versteckte Laurien Ntezimana bedrohte Tutsis. Ebenso setzte er sich für sichere Fluchtwege der Tutsis ein. 1998 wurde Laurien Ntezimana zusammen mit seinem Mitarbeiter Modeste Mungwarareba für diesen Einsatz mit dem Friedenspreis von Pax Christi International ausgezeichnet.

Zwischenzeitlich hatten seine Frau und seine vier Kinder Asyl in Belgien erhalten und er setzte seinen Ansatz der Verständigung und des friedlichen Miteinanders in Ruanda fort. Im Januar 2000 gründete er die Organisation AMI (Association "Modeste et Innocente"), um die Idee eines Netzwerks der Versöhnung in Ruanda weiter zu verbreiten. Hierzu gehören laientheologische ebenso wie pädagogische Aktivitäten. Die Arbeit von AMI wird von internationalen kirchlichen Organisationen wie Misereor, Caritas und Fastenopfer unterstützt. Im Jahre 2002 wurde Laurien Ntezimana inhaftiert und auch aufgrund der Proteste von Organisationen wie Amnesty International vorläufig auf freien Fuß gesetzt.

Allerdings wurde sein Pass einbehalten. Zum Besuch seiner Familie und Entgegennahme des Theodor-Haecker-Preises konnte Laurien Ntezimana zum Weihnachtsfest 2002 ausreisen.

Die öffentliche Preisverleihung findet Sonntag, 23. Februar um 11 Uhr im Ev.Gemeindehaus am Blarerplatz statt. Die Laudation wird der ehemalige Korrespondent der ARD für Afrika, Hans-Josef Dreckmann halten.