Aus dem Tagebuch von Dialog International

In diesem Tagebuch wird in lockerer Folge aus der alltäglichen Arbeit von Dialog International mit den Partnern im Kongo berichtet.
Das Tagebuch gibt eine persönliche Meinung wieder, auf keinen Fall die offizielle Meinung von Dialog International.

Mai - Juli 2005

Samstag, 30. Juli 2005

Die gestrige Nachricht von dem UNO-Welt-Ernährungsprogramm hat mir keine Ruhe gelassen. Wie kann solch eine Organisation in ein Land wie den Kongo Lebensmittel importieren wollen? Inzwischen habe ich auf deren Website etwas gesucht und durchaus kompetente Berichte gefunden, z.B. den Reisebericht von Casey Kauffman nach Bukavu (auf englisch) http://www.wfp.org/newsroom/in_depth/ecard/2005/050603_drcongo.htm oder das Dossier WAR ON WOMEN: RAPE LEGACY OF DRC CONFLICT http://www.wfp.org/newsroom/in_depth/africa/CongoDr/031107_WarWomen_index.html mit einem halben Dutzend Hörzeugnissen von vergewaltigten Frauen.

Deshalb bleibt die Frage, wieso in die Region Nahrungsmittelhilfe für demobilisierte Soldaten importiert werden soll? Ohne Zweifel wäre der logistische Aufwand für die Beschaffung von lokalen Lebensmitteln für so viele Menschen mindestens genauso groß wie der Import von abgepackten Rationen über einen Hafen am Indischen oder Atlantischen Ozean und zwar deshalb, weil eben die Straßenverhältnisse für Transporte im Kongo jeder Beschreibung spotten. Deshalb haben die Bauern Probleme bei einer guten Ernte diese schnellstmöglich auf die Märkte zu bringen, wo sie wirklich gebraucht würden, bevor sie unter der tropischen Sonne verfaulen. Man müßte also einen Abholdienst einrichten und genau so lief das traditionell im Kongo. Die Händler reisten über Land und kauften bei den Bauern auf was ihnen nützlich war. Und erst als diese Händler nicht mehr kamen, infolge rapider Verschlechterung der Straßenverhältnisse mangels Wartung und infolge des Krieges, begann auch die Landbevölkerung zu verelenden.

Vor allem aber müßte das UNO-Welternährungsprogramm für die Maßnahmen Geldmittel zur Verfügung haben und die Frage kommt auf, ob dies so ist – oder ob nicht große Geberländer lieber Sachwerte spenden, nämlich ihre Nahrungsmittelüberschüsse?

Dann allerdings wäre diese Politik zu kritisieren. Wenn aber das Welternährungsprogramm Geldmittel hat, wäre zu fordern, diese vor Ort einzusetzen. Natürlich ist genau das „Entwicklungshilfe“ – aber es ist doch einfach nicht einzusehen, daß in einem Land mit guten bis sehr guten Ernten den Bauern die Früchte verfaulen, weil sie nicht schnell genug auf die Märkte kommen und jene, die Mittel zum Aufkauf hätten diese im Ausland einsetzen und Lebensmittel importieren. Diese Mittel gehören heute in den Kongo und müssen in die lokale (Land)Wirtschaft investiert werden! Natürlich gibt es immer noch genug, was importiert werden muß, aber der Kongo ist ein Land, wo heute zuerst die Frage, ob das Problem auch lokal gelöst werden kann, im Vordergrund zu stehen hat.

Wir stehen bei Dialog International doch auch vor dieser Frage. Sollen wir Sonnenkocher einführen, die aus technischen Gründen nur in Europa hergestellt werden können? Oder sollen wir die Schreiner lehren Kochkisten zu bauen mit lokalen Mitteln? Holzsparende Öfen sind heute in jeder Qualität zu haben, auch via high-tech hergestellte Luxusöfen. Natürlich planen wir die Ausbildung von Leuten vor Ort für ein Modell, das mit lokalen Mitteln herzustellen ist. Erstens, weil dies für die Menschen am preiswertesten ist und zweitens weil alles andere Abhängigkeiten schafft. Der Kongo ist zwar kein Land, das nichts zu exportieren hat. Exporte geschehen in Hülle und Fülle, doch die Bevölkerung hat nichts, absolut nichts davon, weil die wertvollen Rohstoffe von internationalen Konzernen und ihren Helfershelfern mehr oder weniger illegal geplündert werden. Somit kommt dadurch (fast) kein Geld in das riesige Land und die Menschen sind abhängig von Hilfsorganisationen und von ihrer eigenen Subsistenzwirtschaft. Letzteres bedeutet, daß man vorwiegend Landwirtschaft für den Eigenbedarf betreibt. In der Tat, sehr viele Menschen verhungern dadurch zwar nicht, haben aber auch fast kein Geldeinkommen oder weniger als 1 Dollar am Tag im Durchschnitt. Bei einem funktionierenden Staatswesen, dessen Repräsentanten vom Volk gewählt werden und diesem rechenschaftspflichtig sind, wären die Verhältnisse zweifellos ganz anders.

Leider verhindern die sogenannten Demokratien der Industrieländer immer wieder, daß sich in Afrika demokratische Regierungen etablieren können. Jüngstes Beispiel ist Togo. In der neuen Ausgabe der empfehlenswerten Zeitschrift „Africa Positive“ findet sich dazu ein lesenswerter Kommentar http://www.africa-positive.de/index.php?option=com_content&task=view&id=110&Itemid=65 Und was im letzten halben Jahr in Togo geschehen ist, erinnert fatal an die Geschichte des Kongo in den letzten Jahrzehnten. Africa Positive hat insbesondere einen Vergleich zwischen den jüngsten Vorgängen in der Ukraine und in Togo angestellt, die etwa gleichzeitig geschahen – und dabei stellt sich heraus, daß die internationale „Solidarität der Demokraten“ für die Ukraine durchaus spürbar war, für Togo jedoch praktisch komplett ausblieb. Und genau von solchen Situationen können die Kongolesen ein Lied singen. Wie oft wurde das Regime Mobutus von französischen und belgischen Fallschirmjägern gerettet – praktisch unter Ausschluß der Weltöffentlichkeit? Warum hat das ach so demokratische Amerika Kabila-Vater unterstützt und nicht die Bewegung um die demokratische Nationalversammlung in Kinshasa in der Endphase des Mobutu-Regimes? Wieso wird Kabila-Sohn von aller Welt ganz selbstverständlich als Vater-Nachfolger ehrenvoll empfangen, so als ob in der Demokratischen Republik Kongo eine „Erbdemokratie“ international anerkannt sei. Und jetzt in Togo genau das gleiche nochmal. Wo leben wir eigentlich?

Freitag, 29. Juli 2005

Heute kam hier eine Nachricht an, die beispielhaft zeigt, wie verrückt die Welt der Hilfsorganisationen manchmal ist – oder, vereinfacht gesagt, wie realitätsfern sie agieren.

Die gute Nachricht ist, daß das UNO-World Food Programme sich entschlossen hat, demobilisierten Soldaten im Kongo zu helfen. Das ist prinzipiell zweifellos eine begrüßenswerte und erfreuliche Nachricht, für die man dankbar sein muß und die lobenswert ist. Doch dann kommt der Hammer: Die Hilfe besteht darin, daß diesen Soldaten für über 100 Millionen Dollar Nahrungsmittelhilfe zukommen soll, finanziert von den Regierungen dieser Welt, davon 3,7 Mio. durch Deutschland. Auch dies ist letztenendes erfreulich, wenn man weiß, daß die Soldaten seit langem auf ihren Sold warten müssen und alternativ auf Plünderungszüge durch ihr Heimatland ziehen.

Fassungslos bin ich aber über die Mitteilung, daß diese Nahrungsmittelhilfe im Osten des Kongo über den Indischen Ozean importiert und herangekarrt wird und im Westen per Eisenbahn und was weiß ich, jedenfalls massenhafter Import.

Meine Damen und Herren Leserinnen und Leser des Tagebuchs von Dialog International:

Dies ist ein absoluter Skandal.

Der Kongo ist nun wirklich kein Land, in dem ein Mensch wirklich hungern muß. Wenige Länder in dieser Welt sind so fruchtbar wie der Kongo. Und im Kongo sind satt Bauern, die Nahrungsmittel ohne Ende produzieren. Vielleicht könnten sie den halben Kontinent versorgen. Und jetzt kommt das UNO-World Food Programme über eine Presseerklärung http://www.wfp.org/newsroom/subsections/preview.asp?content_item_id=2550&item_id=1352&section=13#, die auch in Berlin/Deutschland veröffentlicht wurde auf die Idee, in diesen Kongo Nahrungsmittel zu importieren, weil sich dadurch Soldaten demobilisieren lassen. Hier muß wirklich klargestellt werden, daß dies im Prinzip eine ausgezeichnete Idee ist und wahrscheinlich lassen sich dadurch wirklich Hunderttausende von Soldaten demobilisieren. Das Problem besteht nur darin, daß offenbar irgendwelche Länder ihre Nahrungsmittelüberschüsse ausgerechnet im Kongo entsorgen wollen, während die kongolesischen Bauern auf ihren tropenbedingt rasch verfaulenden Produkten sitzenbleiben, weil – oh Schreck – die Lebensmittel importiert werden – und über Schotterpisten vom Indischen Ozean in den maroden Kongo gekarrt werden. Liebe geneigte Leserin, lieber geneigte Leser, verstehen Sie, wie verrückt unsere Welt ist? Wie segensreich wäre der Kauf dieser Lebensmittel direkt vor der Haustüre bei dem kongolesischen Bauern, der glücklich wäre, dadurch seine Produkte loszuwerden und ein bißchen mehr zu verdienen. Nein, stattdessen entsorgen vielleicht die amerikanischen Farmer ihre möglicherweise gentechnisch veränderten Überschüsse im Kongo und deklarieren dies auch noch als „Nahrungsmittelhilfe“ und das UNO-World Food Programme sonnt sich in der Fülle seiner guten Werke.

In diesem Licht ist die deutsche Welthungerhilfe zu loben, die keinen Cent importierte Nahrungshilfe in den Kongo geschickt hat, sondern die Spenden in den Straßenbau steckte. Wer also dort etwas gegen den Hunger gespendet hat, dessen Geld ging an Bauunternehmen, die Straßen bauten – mit dem Ergebnis, daß die Bauern entfernter Gegenden im Nord-Kivu ihre Produkte viel schneller in die Städte bringen können und dadurch ein gutes Einkommen erwirtschaften. Auf eine bessere Idee kann man im Kongo nun wirklich nicht kommen.

So wie Kurt Tucholsky berichtete, daß im Ersten Weltkrieg im einen Dorf tiefer Frieden war und im nächsten Dorf heftiger Krieg und im einen Mörder war, wer einen Mensch umbrachte und im nächsten als Held gefeiert wurde, wer das gleiche vollbrachte, so hat im Kongo das eine Dorf üppige Erntefülle und das nächste Dorf Hungersnot und das alles nur deshalb, weil die Straßen in einem solch katastrophalen Zustand sind, daß ein Europäer sich das schier nicht vorstellen kann. Genau deshalb ist die Strategie der Welthungerhilfe im Kongo zu loben und genau deshalb kann man über die Strategie des UNO-WORLD FOOD PROGRAMME nur den Kopf schütteln.

Übrigens hat ausgerechnet die Westdeutsche Allgemeine Zeitung heute einen Kommentar gebracht, der einige Probleme Afrikas mit dem Nagel auf den Kopf trifft.

http://www.waz.de/waz/waz.politik.volltext.php?kennung=onh4wazPOLWelNational38560&zulieferer=waz&kategorie=HGR&rubrik=Welt&region=National&auftritt=WAZ&dbserver=1

Vielleicht interessiert den Leser auch noch, was aus unserem Container nach Kinshasa geworden ist?

Zunächst einmal ein Reinfall. Die Spedition teilte uns nach der Beladung mit, daß sie noch einige Papiere benötigt, die sie durch ein Fax vom 11.7. angefordert habe. Nur war dieses Fax hier bei Dialog International nie angekommen und folglich waren diese Papiere nicht vorbereitet worden. Natürlich hätten wir das wissen müssen, denn im Kleingedrucken der Bedingungen stand das alles – aber wer liest schon das Kleingedruckte und wenn man einmal im Leben einen Container verschickt, kann man wirklich nicht ahnen, daß z.B. eine Ausfuhrgenehmigung nötig ist. Eine Ausfuhrgenehmigung? Sind wir frei oder nicht frei, etwas auszuführen? Und jetzt noch eine Genehmigung? Während wir uns monatelang Sorgen gemacht hatten, wie wir wohl das ganze durch den Zoll im Kongo gelotst bekommen, kommt plötzlich der deutsche Zoll und will auch noch was genehmigen. Und jetzt war alles gepackt und unterwegs – ohne Ausfuhrgenehmigung.

Woher sollten wir das auch noch wissen?

Was dann geschah gleicht einem Beamtenwunder. Während Spedition und Financier auf das Kleingedruckte verwiesen und alle Schuld Dialog International zuschoben, waren die deutschen Zollbehörden in einer solchen Weise verständnisvoll und kooperativ, daß dies einem einfach die Sprache verschlägt. Normalerweise hat man die Vorstellung, daß Beamte ganz anders reagieren. Doch hier bekamen wir auf der ganzen Linie grünes Licht und trotz Versäumnis wären die zuständigen Stellen bereit gewesen uns alle Genehmigungen sogar nachträglich zu erteilen. Sie waren sogar überrascht, daß die Spedition, die nun wirklich weltbekannt ist, uns in dieser Angelegenheit nicht speditiver geholfen hat. Am Ende hat die Spedition dann doch geholfen, denn es gibt die Bestimmung, daß für Hilfsgüter eine Sonderbehandlung möglich ist, die jetzt auch deklariert wurde. Plötzlich war alles ganz einfach.

Das eigentlich Wunderbare an allem war jedoch, daß die Mitarbeiter in den deutschen Zollbehörden – und wir waren mit mehreren Dienststellen im Gespräch, außerordentlich hilfsbereit waren und auch bereit waren für diesen Hilfsgütertransport noch Genehmigungen nachträglich auszustellen. Sowas nennt man unbürokratisch und sowas ermutigt die Arbeit in einer gemeinnützigen Organisation. Soll also nochmal jemand sagen, deutsche Behörden seien stur oder bürokratisch. In diesem Fall haben wir das genaue Gegenteil erlebt. Man mußte Vorschriften beachten, aber nicht dem Buchstaben sondern dem Geiste nach und der Geist dieser Vorschriften war auf der Seite humanitärer Bemühungen. Und so sollte es sein. Wenn wir jetzt einmal bedenken, daß die Hilfsgüter letztenendes Straßenkindern in Kinshasa zugute kommen, auch die Computer, weil das geplante Internet-Café seine Einnahmen in das Projekt stecken soll, so dürfen wir das Gefühl haben, daß die zuständigen Stellen solchen Bemühungen sehr wohlwollend gegenüberstehen. Und wenn wir dann noch bedenken, daß diese Stellen gleichzeitig außerordentlich wachsam sein müssen wenn es um kritische Ausfuhrgüter geht in Länder, die eigentlich nicht beliefert werden düfen so kann man nur hoffen, daß sie auch im Krisenfall den Mut haben, die Vorschriften einzuhalten...

Sonntag, 24. Juli 2005

Am letzten Freitag haben wir einen 32jährigen Afrikaner zu Grabe getragen, der sich neulich vor einen Intercity geworfen hatte. „Die Züge hatten 10 Minuten Verspätung, weil....“ schrieb die Zeitung einen Tag später.

Die Geschichte ist so unendlich traurig. Der Mann war depressiv, hatte dies aber nicht wirklich seiner Umgebung mitgeteilt. Noch vor gar nicht langer Zeit war er hier im Büro zu Besuch gewesen und wir hatten noch zusammen gelacht.

Was ich tröstlich fand, war, daß er wirklich eine große Beerdigung hatte – und die meisten Afrikaner hatten ihn ja überhaupt nicht gekannt, waren aber trotz des Werktages gekommen, weinten und sangen religiöse Lieder aus der Heimat.

Ich mußte daran denken, daß ich früher als Sozialarbeiter immer mal wieder zuständig war für die Beerdigung von älteren Verstorbenen, die Niemanden mehr hatten. Wie oft war ich, neben dem Pastor, alleine hinter dem Sarg hergegangen. Wie viele Menschen sterben in Deutschland heute anonym und werden sogar in anonymen Gräbern beigesetzt und haben niemanden, der um sie trauert. Und hier kommt eine große Diaspora-Gemeinde zusammen und trauert um einen Menschen, den manche kaum kannten, der sogar ein Rückflugticket in der Tasche hatte und jetzt eine ganz andere Reise angetreten ist.

In Burhinyi im Ostkongo, wo derzeit unser zweites großes Wiederaufforstungsprojekt stattfindet, war letzte Woche unter Leitung des Biologen Innocent eine große Fortbildung und sie waren mutig, dies dort zu organisieren, weil sowohl in Burhinyi als auch im benachbarten Luhwinja derzeit einige militärische Probleme sind und Hutu-Milizen ihr Unwesen treiben. Die Monuc (UNO-Blauhelme) hatten dort neulich diese FARDC-Milizen gejagt und die Bevölkerung leidet unter dem Terror dieser Banden. Wenn schreckliche Nachrichten über Terroranschläge in London oder Ägypten eintreffen, muß ich immer daran denken, daß die Menschen im Ostkongo solches und viel Schlimmeres seit Jahren immer wieder erleben müssen. Dörfer werden überfallen, geplündert, in Brand gesetzt, Frauen vergewaltigt, mißhandelt, geschlagen, Kinder gestohlen und zu Soldaten gemacht - und niemand scheint sich darum zu kümmern. Viele, viele tausend Menschen sind von solchen Ereignissen betroffen gewesen.

Auf den Photos, die wir dieser Tage aus Burhinyi bekommen haben, sehen wir einige der 65 Kindersoldaten, die durch unsere Unterstützung eine Ausbildung als Schreiner machen können und die vorher ihre Waffen abgegeben hatten und sich jetzt auf ein ziviles Leben vorbereiten. Es sind wirklich ganz junge Gesichter auf den Bildern zu sehen. Sie lernen jetzt Holz zu bearbeiten - noch halbe Kinder. Und gleich nebenan schauen andere Kinder zu, die noch nicht demobilisiert sind – mit ihrer Kalaschnikow über dem Rücken. Hunderte, Tausende von Kindern müssen im Ostkongo noch demobilisiert werden. Wie soll dies nur geschehen? Viele von ihnen fristen ihr Leben dadurch, daß sie sich zu Banden zusammengeschlossen haben und Straßensperren errichten, wo sie Wegezoll kassieren, oder besser eine „Sicherheitsprämie“ und – so wird versichert, sie wissen auch scharf zu schiessen, wenn sich ihnen jemand widersetzt...

In den nächsten Tagen kann – dank eines Zuschusses der Aktion Selbstbesteuerung – ein kleines Projekt der moniteurs juridique von Kaziba beginnen, die im vorigen Jahr als juristische Berater ausgebildet worden waren und in ihrer Region der Bevölkerung helfen, Streitfälle vor Gericht zu bringen und nicht durch die Milizen austragen zu lassen. Sie hatten von ihrer Armut berichtet, die sie daran hindert, ihren ehrenamtlichen Dienst wirklich gut auszuüben und jetzt können sie ein Pilotzentrum für Schweinezucht und für andere Kleintiere errichten und so ein Einkommen erwirtschaften, welches ihnen ermöglicht, ihren Aufgaben etwas unabhängiger nachzugehen. Wir hatten diese fünf moniteurs juridiques von Kaziba im vorigen Jahr persönlich kennengelernt und waren von diesen Menschen sehr beeindruckt gewesen. Sie hatten anläßlich unserer Durchfahrt in Kaziba einen kleinen Empfang vorbereitet. Am selben Ort ist auch unser zweites Kindersoldatenprojekt angesiedelt, wo derzeit ungefähr drei Dutzend junge Leute ebenfalls Schreinerei lernen und eine Lederwarenherstellung aufbauen. Könnten wir doch nur sehr viel mehr solche kleinen Projekte lancieren!

Am letzten Freitag ist übrigens nach langer langer Vorbereitung endlich unser Container für Kinshasa bepackt und auf den Weg gebracht worden. Die Esengo-Gruppe in Düren, mit der wir kooperieren, hatte zunächst viele Nähmaschinen gesammelt und dann auch noch zahlreiche guterhaltene Computer, sodaß vorgestern ein 20-Fuß-Container damit beladen wurde, der jetzt über Antwerpen in den kongolesischen Hafen Matadi verschifft wird und von dort nach Kinshasa gelangen soll zu unserer Partnergruppe P.R.E.D. Dort sollen an den Nähmaschinen junge Kindermütter ausgebildet werden, welche P.R.E.D. von der Straße holt. Also Straßenkinder, die schon Mütter geworden sind, sollen eine beschützende Betreuung bekommen.

Und mit den Computern soll ein Internet-Café betrieben werden, welches vielleicht und hoffentlich Einnahmen zugunsten weiterer Straßenkinder-Projekte erwirtschaften kann. Endlich also können wir uns dem mit Abstand drängendsten Problem der kongolesischen Hauptstadt annehmen, den zahlreichen Straßenkindern, die von ihren Eltern oft (wegen Armut) verstoßen worden sind und sich in der zentralafrikanischen Millionenstadt ganz alleine durchschlagen müssen – und sich nicht selten mit anderen Straßenkindern zu Banden zusammenschließen. In einem weiteren Projekt planen wir für das nächste Jahr einen Bauernhof am Stadtrand in ein Rehabilitationszentrum für Straßenkinder umzufunktionieren. Aber ersteinmal muß der Container ankommen, was für Anfang Oktober erwartet wird, d.h. Anfang September in Matadi und dann nochmal drei Wochen bis Kinshasa.

Übrigens berichtet derzeit keine andere deutsche Zeitung so ausführlich über den Kongo wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung, deren Reporter wohl neulich dort war. Unter anderem auch bei der in deutschem Besitz befindlichen Firma Pharmakina in Bukavu, die neulich Schlagzeilen damit machte, daß sie für Afrika ein neues Medikament gegen AIDS produziert, welches sehr kostengünstig ist. Pharmakina ist für die Region wirklich ein Hoffnungsschimmer und eine Erfolgsgeschichte, weil der frühere Besitzer, ein Schweizer Pharmakonzern, zu Beginn des Kongokrieges das Unternehmen schließen wollte und dann ein sogenannter Management-Buy-out stattfand, also die (deutschen) leitenden Angestellten hatten die Firma aufgekauft und (erfolgreich) weiterbetrieben – zum Segen für den Kongo. Gleich nebenan ist nun die zweite erfolgreiche Firma von Bukavu, nämlich eine große Brauerei. Und Herr Gebbert, einer der heutigen Besitzer von Pharmakina, sagt in dem Interview der FAZ so nebenbei, er wäre gewiß nicht dreißig Jahre im Kongo geblieben, wenn da nicht so ein gutes Bier gebraut würde.

Und das Bier ist wirklich gut. Kann ich nur bestätigen. Vielleicht wäre ich auch viel früher in den Kongo gereist, wenn ich das eher gewußt hätte...

Freitag, 15. Juli 2005

In Bukavu hat in dieser Woche im Rahmen unseres Hilfsprojektes für mißhandelte und vergewaltigte Frauen, an dem inzwischen 750 Frauen teilnehmen, ein großes Fortbildungsseminar für Mitarbeiterinnen aus den verschiedenen Gruppen stattgefunden, die an dem Programm teilnehmen. Die Mamans Umoja haben bereits im letzten Jahr eine Menge Erfahrungen gesammelt bei diesem Projekt, die sie jetzt an die Mitarbeiterinnen von anderen Gruppen weitergeben. Zu den Aufgaben gehört medizinische Untersuchung oder Behandlung der Frauen, dann materielle Hilfen, damit sie wieder einen eigenen Haushalt gründen können, Mikrokredite, wodurch sie Mitglied einer Bezugsgruppe werden. In dieser Bezugsgruppe kann dann auch versucht werden die Traumatas zu bearbeiten, die ihr Leben jäh überkommen haben. Bei diesem Seminar haben auch einige der betroffenen Frauen Zeugnis abgelegt von ihren beklagenswerten Erlebnissen. Dialog International muß in diesem Jahr noch einige tausend Euro in dieses Projekt geben und wir können nur hoffen, daß wir dafür von unseren Freunden in den nächsten Wochen und Monaten genügend Unterstützung bekommen....

Natürlich müssen wir uns auch bemühen mit all den verschiedenen Projekte, die wir im Kongo durchführen, etwas bekannter zu werden und dadurch vielleicht neue Förderer zu gewinnen. In den nächsten Wochen haben wir eine ganze Reihe von Veranstaltungen geplant, bei denen wir die Möglichkeit haben, mit unseren Anliegen in die Öffentlichkeit zu gehen, allerdings vorwiegend in Düsseldorf, weil dies nun mal eben naheliegend ist.

Zunächst einmal haben wir an den August-Samstagen Infostände während der Hofgartenkonzerte. Das ist schon fast traditionell, die Konzerte werden vom hiesigen Eine-Welt-Forum organisiert.

Sonntag, den 28. August fahren wir nach Bonn, um dort auf dem Marktplatz den Eine-Welt-Tag mitzugestalten, natürlich wieder mit Solarkocher und heißen Würstchen. Das entwickelt sich möglicherweise zu unserem Standardangebot.

Am darauffolgenden Wochenende haben wir in Düsseldorf den Afrikatag, in den wir wieder unseren Kongotag einbringen. Am zweiten Septemberwochenende planen wir ein kleines Fest am Rheinufer, auch wieder mit Solarwürstchen, vielleicht etwas Musik und in Zusammenarbeit mit ein paar befreundeten Eine-Welt-Gruppen. Unmittelbar am Rhein ist ein Umweltzentrum der Stadt Düsseldorf, mit dem solche Veranstaltungen gebucht werden können – und bei schönem Wetter ist das Düsseldorfer Rheinufer an der Altstadt gepackt voll mit Fußgängern.

Und wieder eine Woche später machen wir einen Ausflug in die nähere Umgebung, nach Willich, wo Umwelttage stattfinden, vorwiegend mit lokalen Handwerkern, aber das ist eigentlich genau das Ambiente, wo unser Thema Afrika und Solarenergie eigentlich auch hingehört im Sinne der Lokalen Agenda und deshalb planen wir auch dort die Produktion von Solar-Würstchen, wollen aber natürlich auch – wie bei allen anderen Veranstaltungen – über unsere Kongohilfe informieren. Schließlich haben wir im September noch zwei Abendveranstaltungen in der hiesigen Volkshochschule, wobei am 30.9. endlich einmal ein Thema angesagt ist, bei dem die ganze Fülle kongolesischen Lebens dargestellt werden kann: „Warum tanzt ganz Afrika nach dem Kongo-Rumba?“

Alle diese Veranstaltungen sind deshalb möglich, weil erstens im August und September ein Praktikant in unserem Büro mitarbeiten will und zweitens auch die früheren Praktikanten/Praktikantinnen immer wieder mithelfen – und weil es auch den anderen Spaß macht, sich bei diesen Gelegenheiten einzusetzen.

Montag, 11. Juli 2005

Ein eindrückliches Zeichen der Demokratie hat die UDPS in Kinshasa gegeben – endlich!

Auf einer problemlos friedlichen Kundgebung vor ungefähr 40.000 Menschen hat am Samstag Etienne Tshisekedi daran erinnert, daß die Beschlüsse der Nationalversammlung von 1992 nach wie vor gültig seien und bisher nicht durch irgendwelche Gesetze annulliert wurden, sondern durch Personen, die diese Beschlüsse ignoriert und stattdessen dem Land Millionen Tote beschert hätten. Tshikedi forderte eine Regierungsform mit Präsident und Ministerpräsident (derzeit schenkt man sich den Ministerpräsidenten, hat dafür gleich vier Vizepräsidenten aus den diversen ehemaligen Rebellenfraktionen). Die UDPS dürfte eine ernsthafte Kraft bei den hoffentlich bald bevorstehenden Wahlen sein. Die Wählerregistrierung hat inzwischen auch in Kisangani begonnen, in der Urwaldgroßstadt, wo der Kongofluß die große Schleife von Osten nach Süden macht.

Die frühen europäischen „Erforscher“ des Kongos hatten sich übrigens Gedanken darüber gemacht, wieso trotz Trockenheit der Kongofluß das ganze Jahr über immerzu gleichmäßig viel Wasser in den Atlantik entlädt – bis man des Rätsels Lösung fand: Sämtliche Zuflüsse nördlich des Äquators haben ihre Regenzeit dann, wenn südlich des Äquators Trockenzeit ist und in Kisangani ist genau die Grenze. Südlich von Kisangani entwässert der Kongofluß die Region südlich des Äquators, dann kommt die große „Kurve“ gen Westen und die meisten Zuflüsse kommen aus dem Norden, aus der Zentralafrikanischen Republik, aus Kongo-Brazzaville...

Übrigens berichten unsere Freunde aus dem Kivu, daß die Trockenzeiten immer länger würden. Waren sie früher noch 2 ½ Monate, so sind heute 5 oder 6 Monate Trockenheit keine Seltenheit und als Begründung wird vermutet, daß die erheblichen Abholzungen eine der Ursachen seien.

Oder findet ein Klimawechsel auch am Kongo statt?` Dialog International plant jedenfalls weitere Aufforstungen im Kivu, sodaß die ärgsten ökologischen Probleme vielleicht etwas gemildert werden können. Ursache vieler Abholzungen im Kivu sind übrigens die Millionen von Ruandaflüchtlingen, die 1994 plötzlich ins Land strömten, nach den Massakern zwischen Hutus und Tutsis. Alle diese Menschen benötigen Unmengen Holz für neue Hütten, für Feuer usw. Am Ende waren die Hügel des Kivu kahl....

Und nun noch eine ganz gute Nachricht: Mit der Aktion "Waffen gegen Fahrräder" wurden in Katanga bisher 3.601 Kriegswaffen eingesammelt und der kongolesischen Armee übergeben. Die Aktion ist eine Initiative des Pastors Ngoy Mulunda, Präsident einer Nichtregierungsorganisation, die für Frieden und Versöhnung kämpft. (afp)

Hier die Originalnachricht (via www.monuc.org)

Dépêche 08/07/2005 Opération "arme contre vélo" au Katanga (RDC): 3601 armes récupérées

LUBUMBASHI (RDCongo), 7 juil (AFP) - 3601 armes de guerre, récupérées par une ONG congolaise d'avril à juin dans le cadre d'une opération "arme contre vélo" au Katanga, dans le sud-est de la République démocratique du Congo (RDC), ont été remises jeudi aux autorités militaires, a constaté l'AFP.

Les armes collectées auprès de groupes armés dans le territoire de Kongolo (nord-est du Katanga), dont 600 encore en état de fonctionner, ont été officiellement remises au commandement militaire du Katanga, au cours d'une cérémonie organisée à Lubumbashi, chef-lieu de la province.

Cette opération, baptisée "arme contre vélo", est une initiative du pasteur Ngoy Mulunda, président de l'organisation non gouvernementale Parec, qui oeuvre "pour la paix, la transformation de conflits et la réconciliation nationale".

La remise de ces engins, essentiellement des kalachnikov (AK-47) mais aussi des bombes artisanales et des grenades, est la deuxième restitution d'armes organisée par cette ONG, après celle en février, de 540 armes collectées dans le Haut Lomami (nord du Katanga).

L'initiative du pasteur Ngoy Mulunda, lancée indépendamment du programme national de désarmement des ex-combattants en RDC, a été très critiquée par des ONG et des experts étrangers en désarmement.

Fin avril, cinq journalistes congolais, qui accompagnaient le pasteur Mulunda, ont été pris en otage pendant plusieurs jours dans le Haut Lomami par des combattants Maï Maï (milices tribales d'auto-défense très actives dans l'est de RDC) qui réclamaient plus de vélos contre leurs armes.

Nicht alle sind also begeistert von der Aktion des Pastors Ngoy, doch die Aktion klingt vernünftig und sinnvoll und man wünscht sich, so einfach wäre Entwaffnung überall...

Aus Bukavu kamen in den letzten Tagen überhaupt keine Nachrichten und bevor ich begann, mir Sorgen zu machen, schrieb heute Vumilia von den Mamans Umoja, daß sämtliche Internet-Cafés Probleme hatten und jetzt endlich wieder Emails möglich seien.

Vumilia berichtet, daß sie in dieser Woche ein Seminar für alle Animatrices der verschiedenen Gruppen, die sich um vergewaltigte Frauen kümmern, organisiert hätten.

Heute haben wir den Pressespiegel Kongo Nr. 138 (Juni 2005) verschickt. Diesmal enthält der Pressespiegel besonders viele englischsprachige Artikel, darunter z.B. eine lange Analyse des Christian Science Monitor zur Frage, „In Congo, 1.000 die per day: Why isn’t ist a media story“ oder eine Untersuchung des britischen Guardian über den Kampf um die Stabilität. Die New York Times berichtet ausführlich über die kongolesischen Wahlvorbereitungen und die FAZ in einer langen Analyse über „Die Spur des Geldes“ (im Ostkongo). New York Times-Magazine berichtete über „The Congo Case“. Der Pressespiegel erscheint jeden Monat mit genau 50 Seiten Kongo-Berichten aus französich-, englisch- und deutschsprachigen Zeitungen, wobei ein Schwerpunkt natürlich bei den kongolesischen Zeitungen liegt.

Und dann ist endlich am Wochenende auch wieder einmal eine Ausgabe unserer Zeitschrift DER PAZIFIST erschienen mit dem Schwerpunkt „Afrika und der Internationale Strafgerichtshof“, was insofern zum Thema paßt, weil DER PAZIFIST eine Zeitschrift „für Völkerrecht und Arbeit für den Frieden“ ist. Die Artikel dieser Ausgabe erschienen zuerst in Englisch im ICC-Monitor, also in einer US-amerikanischen Zeitschrift zur Untestützung des Internationalen Strafgerichtshofs. Die übersetzten Beiträge nehmen zunächst scheinbar ganz harmlos Bezug auf die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats zu Darfur im Frühjahr diesen Jahres. Doch dann stellt sich ganz überraschend heraus, daß auch die USA diese Beschlüsse, die immerhin dem Internationalen Strafgerichtshof eine gewisse Funktion zubilligen, bei der Lösung der Probleme in gewissem Sinne (durch Stimmenthaltung) mittragen. Das ist – gegenüber dem Strafgerichtshof – eine völlig neue Entwicklung. Letztenendes scheinen in den USA auch sehr konservative Kräfte den Internationalen Strafgerichtshof ernstzunehmen, den seinerzeit Bill Clinton noch anerkannt hatte, und den Mr. Bush dann, im Überschwang seiner Rolle rückwärts, wieder brüsk ablehnte. Inzwischen scheinen seine republikanischen Mentoren gemerkt zu haben, daß sie nach dem Irak-Debakel nicht permanent gegen den internationalen Strom schwimmen können. Mehr also im Pazifisten Nr.203. Ganz nebenbei sei allerdings auf den Artikel über den Besuch der Delegation in Uganda hingewiesen, der offenbart, daß solche Delegationen im allgemeinen und die Arbeit des ISGH in Afrika im besonderen vielleicht doch noch etwas mehr Sensibilität benötigen.

Die nächsten Ausgaben des Pazifisten sind in Vorbereitung und befassen sich mit den Themen „Ruanda“, „Quäker in Zentralafrika“ und „NPT – Nichtweitergabe von Atomwaffen“.

Montag, 4. Juli 2005

Vor wenigen Tagen kam ein Freund aus Kinshasa zurück. Er kennt den Kongo und war schon oft dort. Doch diesmal berichtet er von einem neuen Phänomen: Über der Stadt hängt eine Dunstglocke, weil die Menschen überall vor ihren Häusern den Müll verbrennen!

Nun habe ich ja im Ostkongo fast überhaupt keinen Müll gesehen, alles wurde verwertet. Aber erstens habe ich wirklich nicht alles gesehen und zweitens ist Bukavu im Vergleich zu Kinshasa zweifellos provinziell-ländlich. Kinshasa produziert Müll. Das ist uns klar, seit wir das Gesundheitsprojekt unterstützt haben, von dem im Archiv dieser Website die Informationsblätter runtergeladen werden können. Die Trägerorganisation hatte vorher ein anderes Projekt mit Schulen durchgeführt, bei dem eine Mülltrennung und Wiederverwertung durchgeführt worden war. Nun kann kein Zweifel bestehen, daß in Kinshasa im allgemeinen alles verwertbare auch wirklich wiederverwertet wird – und trotzdem bleibt offenbar reichlich Müll übrig. Eine Müllabfuhr, die zweimal in der Woche die Straßen abfährt und Mülltonnen leert ist im zeitgenössischen Kongo ganz und gar undenkbar. Mülldeponien wird’s geben, aber Transport ist sowieso ein Problem. Was also tun? Die Antwort ist die Müllverbrennung vor der eigenen Haustür. Hier unterscheiden sich die Kongolesen in keiner Weise von den europäischen Bewohnern mittelalterlicher Städte, die ihren (immerhin) ausschließlich organischen Abfall seinerzeit auch schlicht vor die Haustür den Ratten dem Frasse zuwarfen und als Dank dafür gelegentlich von biblischen Plagen wie Pest und Cholera heimgesucht wurden. Irgendwo sind die Menschen offenbar überall gleich, denn an biblischen Plagen ist im Kongo auch kein Mangel. So stelle man sich das nur einmal vor. Du hast 30 Grad im Schatten, permanent, mindestens, und eine Luftfeuchtigkeit von fast 100 % und dann ist der Himmel voller beißendem Qualm, erstens von den vielen Feuerstellen in Millionen Haushalten, oft noch auf dem Drei-Steine-Herd und zweitens von den vielen privatisierten Müllverbrennungsanlagen vor der eigenen Haustüre.

Und alles nur deshalb, weil die öffentlichen Dienste nicht existent sind oder nicht funktionieren und weil der Niedergang des Landes in den letzten 20 Jahren die Menschena auch in der Hauptstadt um viele Jahrzehnte Entwicklung zurückgeworfen haben. Und wenige Kilometer entfernt ist der riesige Inga-Staudamm, der eine Kapazität besitzt, um halb Afrika mit Strom zu versorgen. Auch Kinshasa hat ab und zu Strom, aber inzwischen, so hört man, sind die Leitungen derart desolat, daß insbesondere bei Regenwetter ein Fußweg durch die Straßen durchaus lebensgefährlich sein kann, weil die Leitungen geborsten sind und die Umgebung unter Strom setzen. Viele Menschen seien dadurch inzwischen schon verletzt worden, so hört man. Und immer mehr Stadtviertel versinken in Dunkelheit des Nachts, weil kein Strom mehr ankommt – oder bisher überhaupt noch keine Leitung in das Gebiet gelegt wurde. Händler mit Kerzen und Kerosin verdienen daran und wir werden gefragt, ob wir nicht Solarlampen liefern könnten....

Sonntag, 3. Juli 2005

Fast alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen der letztjährigen Ardennenfreizeit sind auch in diesem Jahr wieder dabei – aber nicht alleine. Sie haben ihre Freundinnen und Freunde mitgebracht. Alle bisherigen Termine, Ende Mai und die beiden jetzt im Juli sind zum Teil belegt von vorjährigen Teilnehmern mit ihrem Freundeskreis. Natürlich kamen auch etliche neue Teilnehmer hinzu - doch was spricht mehr für das Konzept dieser Überlebensübung unter afrikanischen Bedingungen, als daß die vorjährigen Teilnehmer gleich nochmal dabeisein wollen und jetzt gar ihren Freundeskreis mitbringen?

Die Eigentümer der Herberge Berterath, wo die Freizeit stattfindet, wundern sich darüber, daß unsere Teilnehmer weder Wasser noch Strom verbrauchen. Aber das ist doch klar. Wasser wird aus der nahen Quelle in Eimern geholt und den Strom liefert die Sonne frisch auf den Tisch. Na, wenn’s mal regnet nicht ganz so flott, aber bisher schien die Sonne, wenn die Dialog-International-Jugend „Afrika in den Ardennen“ übte. Lassen Sie uns also die Daumen drücken, daß an den beiden nächsten Wochenenden auch immer wieder mal die Sonne scheint.

Freitag, 1. Juli 2005

Wenn heute überhaupt irgendwas über den Kongo in der Zeitung stand, dann die Nachricht, daß es gestern in Kinshasa Tote und Verletzte bei den Demonstrationen gegen die Regierung gab. Das ist richtig. Einige vom Sicherheitspersonal sind durchgedreht und haben gelegentlich in die Menge geschossen. Das ist schlimm. Jeder Tote ist einer zuviel.

Doch was nicht berichtet wurde, war das, was wirklich im Kongo stattfand: In allen größeren Städten Demonstrationen: in Bukavu; Lubumbashi; Kisangani; Bunia; Kindu, Mbandaka; Kananga, Matadi, Kinshasa, Tshikapa, Mweka (Ost-Kasai)... – mindestens. Und nur aus Tshikapa, Mweka und Kinshasa hört man von Toten und Verletzten. Im Kasai 5 Tote und in Kinshasa offiziell ein Toter (M. Joël Bolumbu, habitant l’avenue N’djili, n° 4, à Yolo Nord). Die UDPS, die zu den meisten Demonstrationen aufgerufen hat, spricht von einer höheren Zahl.

Die übrigen Demonstrationen jedoch sind nicht nur friedlich geblieben, sondern hatten ausgesprochenen fröhlichen Volksfestcharakter, wie schon gestern über Handy auch aus Bukavu zu hören war,

Also doch. Das Volk läßt sich nicht mehr verrückt machen. Man agiert besonnen, vernünftig und angemessen. Trotz der traurigen Zwischenfälle in Kinshasa und im Kasai ist genau das die eigentlich gute Nachricht. Und aus dem internationalen Bereich hat einzig und allein, laut Radio Okapi, der stellvertretende Gesandte des UNO-Generalsekretärs in der DRKongo, Ross Mountain, vor allen Anstiftungen zur Gewalt gewarnt. "Dieser Tag muß in Ruhe verlaufen. Die Opposition hat das Recht zu kritisieren, aber sie wird im Fall von Gewalt zur Verantwortung gezogen werden. Die Regierung muß die Ordnung garantieren, aber ihre Aktionen müssen verhältnismäßig sein", sagte er. (zitiert nach www.kongo-kinshasa.de vom 29.6.05) Was die kongolesische Bevölkerung jetzt aus dem Ausland braucht (neben der materiellen Hilfe, die oft auch dringend ist) das ist eine Ermutigung, jetzt noch die nächsten 12 Monate durchzustehen, bis die Institutionen des Landes demokratisch bestellt sind. Und der Übergangsregierung muß unmißverständlich klar gemacht werden, daß sie nur noch auf Abruf genau diese Organisation der Wahlen durchzuführen hat und sonst nichts mehr. Wenn ich an die letzten beiden Jahre denke, so habe ich genau das eigentlich fast überhaupt nicht gehört, jedenfalls offiziell nicht, aus den Mündern der vielen Staatsbesucher, die sich in Kinshasa die Klinke in die Hand gegeben haben. Die Belgier haben zwar der Welt erzählt, die kongolesische Regierung sei inkompetent. Das war dann so beleidigend, daß plötzlich Kongolesen, die sonst nichts mit Kabila & Co zu schaffen haben, sich mit der Übergangsregierung solidarisieren mußten.

Damit steht dem Kongo das eigentliche Problem noch bevor, denn es geht letztendlich darum, daß die Warlords am Ende zugunsten rechtmäßig gewählter Vertreter abtreten müssen – wenn sie nicht zufällig siegreich aus Wahlen hervorgehen, was aber sehr unwahrscheinlich ist. Genau darum geht es. Natürlich verspricht sich insbesondere die Fraktion um Kabila ein paar Chancen, daß dieser weltweit bekannte junge Übergangspräsident aus den Wahlen siegreich hervorgeht. Seinen jetzigen Posten hat er durch Ernennung. Wer ihn wirklich ernannt hat, weiß niemand so genau.

Und dann ist auch noch die Frage, ob diese geplanten Wahlen wirklich fair sein werden. Antwort: Bei der so regen und aktiven Zivilgesellschaft im Kongo mäßten faire Wahlen eigentlich gewährleistet sein – wenn sie etwas Unterstützung für Wahlbeobachtung bekommt. Diese Unterstützung müßte aus dem Ausland kommen. Genauso werden auch internationale Wahlbeobachter benötigt.

Da dieser 30. Juni 2005 trotz der unglücklichen Todesfälle in Kinshasa und Kasai für den ganzen Kongo trotzdem ziemlich würdig begangen worden ist, kann man auch anfangen von einer gewissen politischen Reife des Volkes zu sprechen. Immerhin haben sich viele Menschen, sehr viele Menschen in gemeinnützigen Organisationen der Zivilgesellschaft organisiert und innerhalb dieser Organisationen läßt sich schon ganz gut Demokratie üben. Auf diesem Feld ist der Kongo vielen anderen afrikanischen Ländern haushoch überlegen, die immer noch sehr repressiv auf Bemühungen der Zivilgesellschaft reagieren. So ist diese Zivilgesellschaft die eigentliche große Hoffnung für den Kongo – aber es gibt auch eine kleine Hoffnung. Die findet sich unter den Medien. Erstens die zahlreichen mutigen Zeitungen von Kinshasa, die leider nur sehr wenige Menschen erreichen, die jedoch seit vielen Jahren trotz widrigster Bedingungen eine ausgezeichnete Arbeit leisten und oft kein Blatt vor den Mund nehmen Und dann ist da noch der unabhängige, durch eine Schweizer Stiftung geförderte Radiosender Okapi ist im Kongo äußerst segensreich tätig und sehr beliebt. Dank Radio Okapi kann das Volk nicht so leicht aufgehetzt werden. Die Menschen, die Radio hören können, sind gut informiert über das, was in den anderen Landesteilen geschieht, weil Radio Okapi zahlreiche Sendestationen und Redaktionen hat. Hier hat sich ein Radiosender in den Dienst des Friedens gestellt und hilft dem Kongo. Die Lektion von Radio Mille Colline in Ruanda, das 1994 zum Völkermord aufgehetzt hat, wurde gelernt. Dank Radio Okapi müssen auch die anderen Radiosender – in Bukavu allein gibt’s fünf lokale Sender – sich bemühen objektiv zu berichten. Somit sind die Strukturen für eine demokratische Entwicklung durchaus vorbereitet und das beste, was geschehen könnte, wäre jetzt ein kleiner Wirtschaftsaufschwung, damit die vielen Soldaten rasch in das zivile Leben eingegliedert werden können. Der wird auch kommen, sobald eine minimale Stabilität eingekehrt ist. Der Kongo hat einen solch gewaltigen Nachholbedarf wie vielleicht kein anderes Land auf der Erde. Allein im Straßenbau wären Firmen Jahrzehnte beschäftigt. Eisenbahnen wären noch sinnvoller. Die deutsche Welthungerhilfe hat im Nordkivu Straßen bauen lassen, wodurch die Bauern ihre Produkte schneller in die Städte schaffen können. Das war tausendmal besser als jede Nahrungsmittelhilfe. Vor Jahren war der einzige Wermutstropfen, daß auch die Soldaten über diese Straßen schneller zum Ziel kamen. Aber ohne Straßen haben sie dem Kongo auch genug Elend gebracht.

Dialog International hat immer gesagt, daß nach dem Kongokrieg für uns der Ernstfall beginnt. Auf unserer Projektseite läßt sich sehen, daß wir uns im Ernstfall befinden und wir können lange nicht genug finanzieren, was an guten Projektideen auf unsere Schreibtische kommt. Nach all diesen elenden Jahren verdient der Kongo Schwerpunktland internationaler Hilfe zu werden.

Mittwoch, 29. Juni 2005

Wer sich in diesen Tagen auch nur ein bißchen über den Kongo informiert hat, wird mitbekommen haben, unter welch gewaltigen Spannungen zumindest die Hauptstadt Kinshasa leben muß. Die demokratische Opposition will am morgigen Donnerstag friedlich demonstrieren und die Übergangsregierung soll zahlreiche angolanische Soldaten angeheuert haben, welche für „Sicherheit“ in der Hauptstadt sorgen sollen. Jedenfalls höre man immer häufiger Soldaten portugiesisch reden. Nun ist das etwas verwunderlich, zumal an einheimischen Soldaten auch nicht gerade Mangel ist, doch diese werden noch immer sehr unpünklich bezahlt. Eventuelle Angolaner dagegen würden in Kinshasa gewiß keine „Sicherheit“ auf Pump produzieren.

Der 30.Juni 2005 hätte wirklich ein wichtiger Tag für den Kongo werden können, denn jetzt sind schon die zwei Jahre Übergangsregierung, die in Sun-City vereinbart wurden, vorbei. Kabila und seine Mannschaft haben ihre einzig wichtige Aufgabe für diese Zeit nicht erledigt, nämlich freie Wahlen zu organisieren. Inzwischen gibt es auf Drängen des Auslandes zwar immerhin einige Bemühungen, in Kinshasa sind z.B. schon einige hunderttausend Wähler registriert worden, doch mag sich noch keiner richtig vorstellen, wie die Warlords von einst, die jetzt in der Regierung sitzen, wirklich einen Transfer von Macht zulassen, wo sie diese doch noch nicht einmal richtig untereinander austariert haben – letztenendes sitzt jeder, der Präsident und seine vier Vizepräsidenten, auf seinem Stück Land und läßt dieses von seinen Truppen verteidigen und für sich selbst hat man sowieso getrennte „Sicherheit“. Das heißt, weder die Armee noch die Verwaltung sind so richtig wiedervereinigt. Nur das Volk fühlt sich, je länger, je mehr als das „eine Volk“ und man kann heute schon sagen, daß durch die letzten Kongokriege wenigstens etwas ganz Unerwartetes geschehen ist: Die Kongolesen fühlen sich trotz aller sprachlicher Vielfalt als ein einziges Volk. Man hat von Katanga bis Ituri, von Kalemie bis Matadi so viele Gemeinsamkeiten entdeckt, daß für die Kongolesen eine Zersplitterung des Landes nicht infrage kommt. Ob die Warlords und alle Politiker da mitmachen, steht auf einem anderen Blatt.

Jedenfalls gäbe es jemanden, der sich darüber riesig freuen würde, wenn er jetzt seinen Lebensabend genießen könnte, wie Nelson Mandela in Südafrika: Das ist Patrice Emery Lumumba, der am kommenden Samstag 80 Jahre alt geworden wäre. Bei allen Aufregungen in und um den Kongo ist kaum jemand, dem dies bewußt ist. Lumumba war erst 34 Jahre alt, als er zum Ministerpräsidenten gewählt wurde – so alt, wie Joseph Kabila heute. Und welch ein Format hatte Lumumba! Wie sehr war er mit den Völkern des Kongos verbunden!

Natürlich ist auch im Büro von Dialog International in der letzten woche die Zeit nicht stillgeblieben. Hier mußte ein Verwendungsnachweis für das Mikrokreditprojekt fertiggestellt werden, was immer eine umfangreiche Sache ist, insbesondere, wenn einige hundert Ausgabebelege in der richtigen Ordnung zu finden sein und dann die Finanzen auch noch stimmen müssen. Das Projekt ist, sagen wir mal, gerüttelt und geschüttelt worden: Zwei Gruppen hatten ihre Mikrokredite auf einem großen Markt investiert, wo sie Waren verkauften. Dann kam im Juni 2004 der Krieg, der Markt wurde geplündert und die Holzstände anschließend in Brand gesetzt. Die Frauen standen anschließend mit leeren Händen da. Anderen hatten Schweine bekommen und im Januar 2005 wütete die Schweinepest. Das sind so fundamentale Eingriffe, die sich hierzulande kaum jemand mehr vorstellen kann. Natürlich gibt’s auch erfreulichere Meldungen. Nach zwei Ernten hat sich das meiste Saatgut nun tatsächlich substantiell vermehrt, die Kredite rotieren und bringen auch anderen Frauen Unterstützung. Vor allem aber sind eine ganze Reihe von neuen Bezugsgruppen entstanden und das ist für entwurzelte Frauen, die noch kurz vorher vom Land vor Rebellen zum Stadtrand flüchten mußten, ganz wichtig, mindestens genauso wichtig wie die materiellen Hilfen, die in solchen Gruppen möglich sind.

Doch die große Überraschung waren dann die Männer. Plötzlich konnte eine Männerarbeit beginnen. Sie interessierten sich für das, was ihre Frauen da machten. Sie wurden eingeladen, ihre Frauen zu unterstützen und lernten das System der Mikrokredite überhaupt erst einmal kennen. Die uns vorliegenden Berichte machten aber auch klar, wie viele der Frauen immer noch Analhabetinnen sind. Der eigene Name ist ganz ungelenk geschrieben oder wir finden auf zahlreichen Belegen nur den Daumenabdruck von Tinte. Hier ist wirklich den Ärmsten geholfen worden und die Widrigkeiten des Projekts zeigen, wie sehr noch manche Hindernisse im Weg standen.

Und vor allem berichten unsere Partner, daß noch viele andere Frauen kommen um zu fragen, ob sie auch Mikrokredite haben könnten...

Ich sprach heute mit einer Kennerin von Kinshasa, die um die nächsten Tage genauso zittert wie ich und viele andere auch und sie sagte, wenn mal wieder geschossen und geplündert werde, dann werde das Land wieder um 10 Jahre zurückgeworfen, wie das 1992 und später schon einmal gewesen sei. Man könne aber hoffen, daß der Bevölkerung dies bewußt sei und sie sich deshalb klug verhalte und nicht provozieren lasse.

Genau das ist es.

Man weiß, daß gewisse Kräfte ein Interesse daran haben, den Kongo zu destabilisieren. doch wird es der UNO und den mächtigen ausländischen Vertretungen gelingen das lecke Staatsschiff des Kongos durch diese unruhigen Gewässer in eine Zeit zu lavieren, in der endlich die längst nötigen demokratischen Wahlen stattfinden können. Hier ist schon so oft dazu geschrieben worden. Vielleicht 90 % der Bevölkerung des Kongos hat noch nie im Leben gewählt. Das muß man sich überhaupt erst einmal vorstellen. Praktisch sämtliche Repräsentanten in Politik und Verwaltung sind von der Diktatur ernannt. Die Sehnsucht nach Demokratie im Kongo ist eigentlich ein sehr gutes Zeichen und es stellt für die sogenannten westlichen Demokratien ein schlechtes Zeugnis aus, daß dies für sie weniger ein Thema ist als die Unterstützung dieses oder jenen brutalen Diktators aus Gründen der Staatsraison.

Montag, 20. Juni 2005

Deutsche Qualitätszeitungen schreiben so selten über den Kongo, daß ein Artikel hier der Erwähnung verdient. Die gute Tante FAZ, Frankfurter Allgemeine Zeitung, hat am 6. Juni über „Kollateralschaden Kongo – Eine afrikanische Tragödie“ geschrieben, genauer: Hans Christoph Buch, der laut Nachbemerkung seit Jahren Reisereportagen zu Afrika veröffentlicht.

Der Artikel ist deshalb bemerkenswert, weil Ruandas Präsident Kagame hier demontiert wird, d.h. für deutsche Verhältnisse wird seine Position in der gesamten Kongo-Katastrophe recht kritisch gesehen. Das ist sicherlich ein längst fälliges Verdikt in der deutschen Presse. Und insofern ist dieser Artikel sicherlich begrüßenswert. Weniger erfreulich sind einige kardinale Fehlinformationen, die H.Chr.Buch eigentlich hätte vermeiden müssen. Das beginnt bei der Interpretation des Namens von Mobutu. Buch bereichert die Übersetzung durch die Version „Der Leopard, der überall verbrannte Erde hinterläßt.“ Bisher war uns die Version „Der Hahn, der alle Hennen besteigt“ bekannt. Aber so oder so. Irgendwo ist da vielleicht kein Unterschied und deshalb ist die korrekte Übersetzung nicht unbedingt das, was ein deutscher kluger Kopf wissen muß. Auf seine Weise hat Mobutu verbrannte Erde hinterlassen und alle Hennen bestiegen und das Land in einem alle Verhältnissse spottenden Zustand hinterlassen.

Wenn Buch allerdings den Eindruck hinterläßt, daß Mobutu als Maoist in die Geschichte eingegangen ist, so unterschlägt er, daß dieser Diktator, mehr als alle anderen, ein Resultat des Kalten Krieges war und sehr dankbar vom Westen unterstützt wurde, so lange, bis er, dank dem Fall der Berliner Mauer, für diese Zwecke nicht mehr benötigt wurde.

Noch schwieriger wird die Beurteilung der Hutu-Tutsi-Problematik durch Buch, der doch tatsächlich zum Schluß kommt, daß die Kolonialzeit wenig Einfluß auf die Beziehungen hatte - alle Probleme seien sehr viel älter. Das ist weder ganz falsch noch richtig. In der vorkolonialen Zeit waren die Beziehungen zwischen Hutus und Tutsis – bei einem Tutsi-Königreich – durchaus austariert. Beide Klassen waren in einem geordneten Verhältnis im Königreich vertreten. Tutsi wurde man durch einen bestimmten Besitz an Kühen, nicht aufgrund seiner Nase oder seiner angeblich Herkunft aus dem äthiopischen Hochland. Die belgische Kolonialherrschaft hat zunächst die Tutsis sehr eindeutig als Herrenmenschen bevorzugt und deshalb Mißgunst gesät, bis wenige Jahre vor Ende der Kolonialzeit unter dem Einfluß der Weißen Väter plötzlich das Ruder rumgerissen und die Hutus bevorzugt wurden - mit dem Ergebnis, das wir alle kennen.

Auch die These, Ruanda sei übervölkert, verbreitet Buch. In Europa kommt niemand auf die Idee Holland als übervölkert zu bezeichnen und doch leben in keinem Land der Erde mehr Menschen auf einem Quadratkilometer als in den Niederlanden. Genausowenig ist Ruanda übervölkert. Das einzige Problem Ruandas besteht darin, daß immer noch die Landwirtschaft Haupteinnahmequelle der Bevölkerung ist, während eine Diversifizierung in all den vielen Jahren üppiger Entwicklungshilfe eigentlich nicht stattgefunden hat.

Schließlich redet Buch auch noch nach dem Munde vieler FAZ-Leser und versucht Parteipolitik zu machen, indem er die bisherige rot-grüne Entwicklungspolitik „Gutmenschen“ zuordnet – so als ob die anderen „Bösmenschen“ seien – hoffentlich landet der Begriff bald auf dem Misthaufen der Unwörter. Vor allem war auch unter der Regierung von Helmut Kohl keine andere Ruandapolitik sichtbar – und daß Kohl allzuviele „Gutmenschen“ in seiner Regierung hatte, behauptet niemand. Vom Problem des Bundeslandes Rheinland-Pfalz mit dem Partnerland Ruanda wollen wir hier besser gar nicht reden.

Generell bestätigt der FAZ-Artikel wieder – wie so viele andere – daß die Qualität der deutschen Afrikaberichterstattung doch sehr zu wünschen übrig läßt. Den meisten Berichterstattern bleibt Afrika nach wie vor schlicht und einfach fremd und über Fremdartiges berichtet man am besten überhaupt nicht und wenn doch einmal, dann eher wie über ein Kuriositätenkabinett, im Falle der FAZ im Feuilleton – ach ja.

Übrigens auch die taz, die doch immerhin einen afrikakundigen Redakteur beschäftigt, macht da kaum eine Ausnahme. Der Kollege hat heute plötzlich erfahren, daß im Kongo Wahlvorbereitungen zugange sind und weiß mit einem Male ganz positiv zu berichten. Vielleicht ist doch alles halb so schlimm? Hinsichtlich des Kongos ist die taz irgendwie rauf und runter. Gestern absolute Katastrophe, dann eine Woche gar nichts und plötzlich mal wieder positiv. Berichterstattung bedeutet aber eigentlich die Zuordnung der unterschiedlichen Nachrichten in den Lauf der Dinge und der ist im Moment für den Kongo vielleicht doch etwas besser als alle Unkenrufe wollen.

Mittwoch, 15. Juni 2005

In diesen Wochen brummen unsere Schulprojekte. Alle wollen den Sonnenkocher bauen und mit Afrikanern diskutieren. Unglaublich. Und dann die Ardennenfreizeiten: Gestern hatten wir deswegen mindestens 20 Anrufe und heute auch fast ein Dutzend. Nicht alle haben sich schon angemeldet, aber die zweite Freizeit scheint schon voll zu sein und die erste ist’s auch bald. Heute habe ich mit den Leuten von der Herberge gesprochen und gefragt, ob sie uns vielleicht noch einen dritten Termin im Juli geben können – für jene, die bei den ersten beiden keinen Platz mehr finden. Wenn ich daran denke, daß die Pfingstfreizeit noch ausfallen mußte und auch die letzte nicht ganz voll war, ist das unsere Überraschung des Sommers. Und was wirklich erfreulich ist: Die Jugendlichen scheinen wirklich sehr daran interessiert zu sein mehr über Afrika zu erfahren.

Was haben die Volksabstimmungen in Frankreich und Holland über die EU-Verfassung mit unseren Projekten im Kongo zu tun? Aus dem Kongo kam heute eine Email mit dem Vorwurf, wir hätten bei unserem Projektvertrag für die Aufstockung des Projektes mit den Mamans Umoja im Finanzplan einige „Irrtümer“ in die Berechnungen reingeschmuggelt. In der Tat: de facto soll die Anzahl der aufzunehmenden vergewaltigten Frauen verdoppelt werden – da wäre doch eigentlich logisch, daß sich alle Beträge einfach verdoppeln. Doch dem war nicht so. Jetzt soll etwas weniger Geld fließen, in Euro wohlgemerkt – ankommen müssen Dollar. Also en detail: Das ursprünglich Projekt war mit einem Dollarkurs von 1,20 umgerechnet worden. Da wir einen Zuschuß vom deutschen Entwicklungsministerium bekommen, mußte bei der Antragstellung der aktuelle Dollarkurs genommen werden, der war vor einigen Wochen auf 1,28 abgesackt. Somit mußten alle neuen Maßnahmen zu diesem Kurs umgerechnet werden – und dann kommen geringere Beträge raus als bei einem Kurs von 1,20. Ja - und dann haben die Franzosen und Holländer gegen die EU-Verfassung gestimmt und plötzlich sackt der Dollarkurs wieder auf 1,20 zurück – und in unserem Projekt ist jetzt ein Kurs von 1,28 festgeschrieben. Somit bekommen die Frauen tatsächlich im Moment weniger Geld und das wendet sich nur dann zum besseren, wenn der Kurs vielleicht nochmal über 1,28 steigt. Unsere Projektpartner waren in den letzten Jahren ziemlich „verwöhnt“ - dank des steigenden Eurokurses bekamen sie für einzelne Projekte mehr Dollar. Das ist zwar erfreulich, gilt aber bei fallendem Eurokurs auch umgekehrt. Und in dieser Falle sitzen wir im Moment. Daß nun ausgerechnet ein Projekt für die Ärmsten der Armen darunter leiden muß ist wirklich sehr betrüblich, nämlich Hilfsmaßnahmen für mißhandelte und vergewaltigte Frauen.

Letzten Freitag hatten wir in der hiesigen Volkshochschule einige Filme über die Arbeit der Mamans Umoja gezeigt. Der Zuspruch der Bevölkerung war nicht gerade überwältigend, was aus technischen Gründen fast ein Glück war, weil die Tücken der Technik beim Wiedergabegerät einen pünktlichen Beginn verzögerten. Schließlich gelang uns aber doch noch die Videos zu zeigen und dank hilfreicher afrikanischer Übersetzung konnten wir auch erstmals einiges verstehen, was auf kisuaheli gesprochen worden war. Die Frauen geben eindrücklich Zeugnis von ihren Mißhandlungen und berichten schier unglaubliche Dinge. Der Kongo ist wirklich angefüllt mit schlimmsten Kriegsverbrechen. Und dann durften wir sehen, wie diese Frauen zum Abschluß einer Serie von Hilfsmaßnahmen, darunter ärztliche Untersuchung, Mikrokredite, Saatgut und Hacken, noch Hausrat und ein Kleid bzw. Tuch bekamen und dann begannen zu singen und zu tanzen – das erstemal seit ihren Mißhandlungen, wie uns mehrfach bezeugt wurde. Sowas zu sehen, wie sich Hunderte von Frauen mit den Gütern, die ihnen aus dem fernen Deutschland finanziert worden waren mit einem fröhlichen Umzug bedanken, mit lauten Gesängen und Tanz, das ist einfach überwältigend. Doch genauso überwältigend ist im Grunde das Elend, in welches die Jahrzehnte Mobutudiktatur und schließlich die Kabila-Kriege dieses Land am Äquator gestürzt haben. Schon früher habe ich geschrieben, daß der Kongo zu den wenigen Ländern der Welt gehört, in denen die Wirtschaftsleistung im Laufe der letzten, sagen wir mal 20 Jahre kontinuierlich geschrumpt ist, durch Mißwirtschaft der implodierenden staatlichen Einrichtungen. Inzwischen ist zwar eine florierende Schattenwirtschaft entstanden, die aber eigentlich nur das himmelschreiende Elend, in dem die Bevölkerung verharren muß, so richtig öffentlich macht.

Ich wage kaum zu sagen, daß Hartz IV dagegen Verteilung von Reichtum ist, weil ich weiß, wie sehr die Betroffenen unter der Sitution leiden.

Doch ich muß versichern, daß dies wirklich nichts ist gegen die Leiden breiter Bevölkerungsteile im Kongo in dieser gegenwärtigen Zeit.

Und dann kommen z.B. via taz Kassandrarufe aus dem Kongo, in Kinshasa bereite man sich auf Krieg, Mord und Totschlag vor. Der 30. Juni als ursprünglich vorgesehener Endpunkt der Übergangsregierung werde von gewissen Kreisen einerseits als Anlaß für den Volksaufstand gesehen, weil diese Übergangsregierung mehr oder weniger absichtlich nicht pünktlich fertig geworden ist, andererseits als Grund für massive Repression. Nun erinnere ich mich, daß die taz zufällig zur selben Zeit aus Bukavu berichtete, zu der wir Anfang Dezember letzten Jahres dort waren und der Tenor dieser Berichterstattung war exakt derselbe wie derzeit aus Kinshasa – doch wir hatten damals einen komplett anderen Eindruck von der Situation in Bukavu.

Nun sollen hier wirklich nicht die Spannungen verharmlost werden, die derzeit im Kongo vorherrschen. Doch Dialog International hat in den letzten 15 Jahren schon manche Spannungen im Kongo erlebt und eigentlich war immer beeindruckend, wie souverän und letztenendes friedlich die Bevölkerung agiert hat. Natürlich gibt es immer wieder Scharfmacher und wer sich in Gerüchteküchen begibt, wird vor allem in Kinshasa immer reichhaltige Kost genießen können. In diesem Fall muß die Berichterstattung der taz aber deshalb kritisiert werden, weil sie sich auf diese Ebene herabläßt, anstatt Fakten zu berichten. Im Kaffeesatz lesen schon zu viele Geister dieser Welt. Dafür brauchen wir nicht die taz.

Sicherlich ist richtig, daß die militärische Situation im Kongo nicht einfacher wird, wenn jede Partei sich wieder mit Privatarmeen umgibt. Und wenn die MONUC, die UNO-Truppen gewisse Situationen nicht meistert. Eigentlich sollte die internationale Gemeinschaft sehr wachsam sein, wenn in einem Land ein Übergang zur Demokratie vonstatten geht. Und eigentlich sollten nicht nur Belgien und Frankreich ihre oft unheilvolle Afrikapolitik auf den Kongo ausdehnen können. Beispielsweise sollte man von der deutschen Bundesregierung – selbst wenn sie in Endzeitstimmung ist – erwarten, daß sie eine autonome Afrikapolitik verfolgt und auch politisch sozusagen die demokratischen Werte am Kongo verteidigt. Wenn irgendwann Soldaten das angeblich tun müssen, haben gewisse Leute auf der ganzen Linie versagt. Eine kluge Politik und eine kluge Diplomatie könnte sehr sehr viel zur Verhütung schlimmer Probleme beitragen. Hier muß leider gesagt werden, daß diese Klugheit bisher der deutschen Politik abhanden gekommen war.

Samstag, 4. Juni 2005

Soeben komme ich vom Bonner Solarmarkt zurück. Dialog International war dort Gast der Stadt Bonn, genauer gesagt vom Umweltamt bzw. dem Agenda-21-Büro. Wir hatten uns anläßlich unserer Solar-Ausstellung im Bonner Rathaus, Mai 2004, kennengelernt und während der diesjährigen Solartage in Bonn hatte dieses Umweltamt die Idee, uns auf den Münsterplatz einzuladen. Inmitten von über einem Dutzend Handwerksbetrieben, die ihre Solar-Ideen vorstellten, war Dialog International die einzige, sagen wir mal, Entwicklungsorganisation und seit zwei Jahren war zum erstenmal wieder unsere große gelbe Plane „Solarenergie für Afrika“ zu Ehren gekommen – bis am Nachmittag eine kräftige Windboe alles runterriß. Ach, das Wetter. Wir waren eingeladen ein Café-Solar zu betreiben - und dann hing der Bonner Himmel voller Wolken. So wirklich einladend für Solar-Kaffee war das nicht gerade, aber das Agenda-Büro hatte vorgesorgt, denn unsere Nachbarn auf dem Münsterplatz waren die aktiven Bonner Stadtwerker und die hatten natürlich auch den Strom aus der Steckdose parat, sodaß schließlich der Bonn-Café und die heißen Würstchen nicht auf dem Solarkocher sondern auf dem Gas- bzw. Elektrokocher erhitzt wurden und das bißchen Sonne, das hin und wieder durch den immerhin trockenen Himmel lugte, bewirkte gerade mal, daß die Würstchen dann auf dem Solarkocher auch wirklich heiß blieben. Und wir wurden vom Agendabüro und den Stadtwerken wirklich rührend umsorgt. Die Stadtwerke hatten die Würstchen und den Kaffee gespendet und zwar zugunsten unserer Kongoprojekte. Und sie hatten einen supernetten Animateur, der den ganzen Tag per Mikrophon die Leute für alles mögliche aktivierte und eben auch, unsere Würstchen zu verzehren und ich als Vegetarier durfte per Mikrophon nicht nur unsere Kongoprojekte mehrmals vorstellen, sondern auch Reklame für die heißen Würstchen machen, die dann auch regen Zuspruch fanden – und die Einnahmen können wir in unsere Kongoprojekte stecken.

Auf dem ganzen Solarmarkt waren wir die einzige Entwicklungsorganisation und hatten von früh bis spät reichlich Gelegenheit mit unzähligen Bonnern über Solarenergie im allgemeinen und unsere Kongoprojekte im besonderen zu palavern und im Hintergrund wirkten als gute Geister die Mitarbeiterinnen des Agendabüros und kochten Kaffee und sorgten für Nachschub bei den Würstchen. Dabei waren wir personell wirklich gut ausgestattet: Renate und Baldur und Tochter Kathrin von der Sonnenkocherschule Rheinbach waren gekommen. Kathrin baute sogar einen Parabolkocher zusammen und Renate gelang es trotz spärlichem Sonnenschein Solarmarmelade solar zu kochen und unzählige Würstchen an Mann und Frau zu bringen. Joel vertrat die Fancophonie, vereinbarte nebenbei ein paar neue Termine für unser Schulprojekt und Veye Tatah von der Zeitschrift Africa Positive nutzte die Veranstaltung, bei den anwesenden Firmen Sponsoren für ihr Projekt zu finden. Alexandra, unsere Praktikatin vom letzten Sommer war mit Freund gekommen und betreute den Infostand von Dialog International und Gerhard war unermüdlich beschäftigt, seinen Hefeteig für den Solarkuchen in Schach zu halten, der über alle Maßen aufging, aber mangels Sonne leider partout nicht zu einem Kuchen gerieren wollte. Am Ende war der Teig unbrauchbar und wir mußten alle Gerhard trösten, was eigentlich ganz gut gelang, weil nichts die Wirkung der spärlichen Sonne an diesem windigen Bonner Frühsommertag besser dokumentieren konnte als der überquellende Kuchenteig.

Vor allem anderen aber hatten wir sicherlich Hunderte von höchst interessanten Gesprächen mit Bonner Bürgern, die sich vor allem dafür interessierten, ob denn in Afrika überhaupt mit der Sonne gekocht werde und wenn, in welchem Umfang. Natürlich konnten wir nicht mit sensationellen Erfolgsmeldungen aufwarten und das Bonner Wetter von heute gestattete auch den Hinweis, daß in manchen Gegenden Afrikas eben auch häufig Wolken zu Besuch kämen.

Sonnenenergie in Afrika ist somit sinnvoll, durchaus, wenn man mit dem Umgang geübt ist, aber ansonsten, zur Vermeidung übermäßigen Holzverbrauchs durch den Drei-Steine-Ofen eigne sich natürlich auch der energiesparende Ofen, der immerhin über dreiviertel der Energie einspare.Das generelle Problem, auf das wir hinweisen mußten, war jedoch, daß sowohl der Parabolspiegel-Kocher als auch die Kochkiste für die meisten Afrikaner trotz alledem immer noch viel zu teuer ist. Die Preise liegen zwischen 50 und 130 Dollar und das können sich die meisten Menschen schlicht nicht leisten.

Oft diskutierten wir somit die Frage, ob denn aus Europa gesponsert werden müsse, oder was geschehen müsse, um solche Techniken in Afrika einzuführen. Wir haben uns über das große Interesse an diesen Fragen gefreut und über die vielen Menschen, die unser Solar-Café besuchten und von denen nicht wenige selbst schon einmal irgendwie in Afrika gewesen waren.

Dialog International hat den Stadtwerken Bonn zu danken, welche die Würstchen stifteten und dem Bonner Agendabüro, das nicht nur den Kaffee stiftete, sondern sogar non-stop aufbrühte. Und für die Café-Tische hatten die Damen vom Agendabüro sogar frische Sonnenblumenstauden im Töpfchen mitgebracht, sodaß alles in einer heimeligen Atmosphäre stattfand – und für unseren Büchertisch hatte man sogar eine spezielle Überdachung als Schutz gegen Regen bereitgestellt – die letztenendes glücklicherweise nicht benötigt wurde. Rundrum im Rest von NRW hatte es tagsüber geregnet, wie wir bei der Rückfahrt feststellen konnten, nicht jedoch auf dem Bonner Münsterplatz, von ein paar Tropfen mal abgesehen.

Wir sind ganz schön erschöpft nach Hause gefahren – und doch hat allen alles auch viel Spaß gemacht. Sowas muß sein. Unbedingt.

Freitag, 3. Juni 2005

In der letzten Woche war hier so viel los, daß keine Minute frei war für Tagebucheintragungen.

Doch der Reihe nach: Wir hatten berichtet, daß wir eine Aufstockung für das Hilfsprogramm für die vergewaltigten Frauen bekommen haben: Nochmal 350 Frauen können aufgenommen werden und zwar 150 von den Mamans Umoja und 200 von anderen Gruppen. So - und jetzt war zu entscheiden, welche Frauen und welche Gruppen. Genau 875 bedürftige mißhandelte Frauen waren gemeldet worden – und wir können nur 200 von ihnen helfen. Wie sollen wir nun entscheiden? Jeden Tag gingen Emails zwischen Düsseldorf und Bukavu hin und her. Schließlich gabs einen prozentualen Vorschlag. Die einen hätten 28 %, die nächsten 7 %, die dritten 12 % usw. der Mittel bekommen. Aber glücklich war keiner damit. Schließlich wurden 4 Gruppen ausgewählt, drei Gruppen können je 45 Frauen helfen und eine Gruppe 65 Frauen. Und die anderen – gehen die leer aus? Wir haben uns geeinigt, daß bald wieder ein neuer Fonds für Mikrokredite eingerichtet werden soll und dann müssen diese Frauen daraus bevorzugt bedient werden. Das ist immerhin ein Trostpflaster, denken wir.

Vorige Woche, noch vor Fronleichnam, hörten wir, daß beim BMZ (Entwicklungshilfeministerium) am 31.5. Annahmeschluß für Kleinanträge in 2005 ist – und wir mußten doch noch die Sanierung der Kanalisation von Kasenga, einem Stadtteil von Uvira, auf den Weg bringen, die eigentlich in 2 Monaten geschafft werden könnte. Kasenga ist der Stadtteil, der Anfang des Jahres von der Unwetterkatastrophe heimgesucht worden war und wo wir neulich den Hausrat an die bedürftigen Familien verteilen konnten. Die Reparatur der Kanalisation würde derartige Katastrophen künftig vermeiden.

Unter Hochdruck wurde der Antrag fertiggestellt – nochmal rund 30.000 Euro für dieses Projekt - und dann waren die zuständigen Leute bis 30.5. gar nicht im Büro, der Antrag konnte nicht geprüft werden. Doch am 31.3. kam mittags ein Anruf: Ein paar Änderungen sind nötig. Dialog International hat dafür noch 90 Minuten Zeit. Dann muß alles fixfertig vorliegen. Anderthalb Stunden Wirbel. Um 16 Uhr kam das Fax als Bestätigung, daß der Antrag fristgerecht beim BMZ eingereicht worden war. Uff.

Und gestern kam die Nachricht, daß wir einen Zuschuss für einen Container nach Kinshasa bekommen haben. Hatte ich davon überhaupt einmal geschrieben? Unsere Freunde in Düren hatten den ganzen Winter eifrig Nähmaschinen und Computer gesammelt, die wir in ein bestimmtes Projekt nach Kinshasa geben wollen. Die Nähmaschinen sollen Straßenkindermüttern helfen, eine Ausbildung als Näherin zu bekommen und mit den Computern soll ein Internetcafé aufgemacht werden, um mit den Einnahmen Straßenkinderprojekte zu fördern. In der Sammel- und Verpackungsaktion steckte eine ganze Menge Arbeit und ohne den Transportkostenzuschuß hätten wir einen beträchtlichen Teil unserer Spendenmittel an die Spedition geben müssen. Jetzt ist das nur ein Bruchteil, weil das Beladen des Containers auch als Eigenanteil angerechnet wird. Das einzige Problem ist jetzt eigentlich nur noch der Zoll im Kongo, der angeblich nicht begeistert ist, wenn er was zu tun hat, außer, man bezahlt... Nun ja. Wir müssen sehen.

Und heute kommt die hoffnungsfrohe Nachricht, daß wir vielleicht noch weitere juristische Berater ausbilden dürfen. Gerade im Vorfeld der kongolesischen Wahlen wäre das natürlich genau der richtige Moment.

Und nebenbei müssen wir herausfinden, was wir bei dem geplanten Solarprojekt (siehe unter Projekte auf dieser Website) denn wirklich machen wollen. Es gibt – wie man auf unserer Solarwebsite feststellen kann – sehr unterschiedliche Möglichkeiten: verschiedene Modelle von Solarlampen mit sehr unterschiedlicher Qualität und unterschiedlichen Preisen, ebenso Homesysteme (über Photovoltaik gelangt Strom in ein Batteriesystem und über Steckdosen können kleinere Geräte, Lampen, Computer, Radios etc. angeschlossen werden) – und eigentlich wäre solares Kochen angesagt, wo die Leute doch alle so viel Holz sammeln müssen. Also vielleicht doch Parabolspiegel-Kocher bauen? Auf alle Fälle sollen energiesparende Öfen gebaut werden, aber in einem anderen Projekt, wo wir wahrscheinlich in absehbarer Zeit Spezialisten aus Kenia nach Bukavu einladen dürfen. Wenn Du einen Ofen hast, der nur ein Viertel der bisherigen Holzmenge benötigt und trotzdem noch heißer wird, dann ist die Hausfrau natürlich glücklich. Und die Wälder des Kivu haben auch etwas mehr Zeit nachzuwachsen. Vor allem dort, wo wir aufforsten. Deshalb dürfen wir eigentlich gar keine Aufforstung mehr veranstalten, ohne auch gleichzeitig Verbesserungen bei den Öfen herbeizuführen, denn der Drei-Steine-Ofen, mit dem zu allermeist noch gekocht wird, ist zwar seit Jahrtausenden in Gebrauch, doch vielleicht paßt er doch nicht mehr so ganz in unsere Zeit. Kurioserweise hat unsere heiß geliebte GTZ vor über 10 Jahren mal einen sogenannten verbesserten Ofen eingeführt, der jedoch einen technischen Denkfehler hatte, weshalb er nur wenige Monate hält – wenn die Hausfrau Glück hat. Danach verkohlt der Ofen mit dem Holz darunter und ein neuer muß gebaut werden. Etwas mühsam das alles. Heute macht die GTZ natürlich nicht mehr solchen Unsinn. Und trotzdem sind die Frauen, die diesen Ofen haben, glücklicher als die Nachbarin ohne diese Verbesserung – weil sie immerhin erheblich weniger Holz suchen muß, solange der Ofen funktioniert. Und wir wollen jetzt endlich ein System einführen, das deutlich langlebiger ist.

Somit ist die Gründung einer Werkstatt für angepaßte Technologie nötig. Sie muß nur angemessen ausgestattet werden. Wann wird das soweit sein?

Und dann diskutieren wir noch einige Fragen, die auch aktuell sind. Wenn alles gut geht, werden in den nächsten 12 Monaten im Kongo endlich Wahlen durchgeführt. Vielleicht zuerst und noch in diesem Jahr eine Volksabstimmung über den Verfassungsentwurf, der neulich veröffentlicht wurde und dadurch bekommt – falls diese Verfassung vom Volk angenommen wird – ein Wahlrecht Gesetzeskraft und kommunale, regionale und nationale Parlamente können gewählt werden. Für ein Land, welches in seiner ganzen Geschichte nur ein einziges Mal solche Wahlen hatte, nämlich 1959 noch unter den Kolonialherren, ist das natürlich ein ungeheuer aufregendes Ereignis – und die Menschen fiebern dem entgegen, vor allem jene, die politisches Interesse haben. Aber in solch einem riesigen Land müssen die Wahlen natürlich gut vorbereitet werden. Wählerlisten müssen erstellt werden und Einwohnermeldeämter, die das für einen erledigen gibt’s ja nicht. Vor allem muß aber auch dafür gesorgt werden, daß die Wahlen wirklich geheim und frei durchgeführt werden, also demokratisch. Und für die vielen Analphabeten muß auch eine gerechte Lösung gefunden werden, vielleicht muß sich jede Partei noch ein Bildsymbol zulegen.

Kurz und gut, Gruppen der Zivilgesellschaft, die sicherlich kompetent den ganzen Wahlprozess begleiten wird, fragen natürlich bei einer Fördergemeinschaft für demokratische Friedens-Entwicklung, wie sich Dialog International im Untertitel nennt, an, ob wir denn irgendwie behilflich sein können bei der Vorbereitung der Wahlen. So beginnen wir, mit geeigneten Stellen Kontakt aufzunehmen, vor allem, um Erfahrungen aus anderen ähnlichen Situationen zu sammeln, denn der Kongo ist ja nun nicht das erste Land, welches in solch eine Situation kommt und Wahlbeobachtung ist eigentlich eine professionelle Angelegenheit. Obwohl natürlich ein Unterschied ist, ob die Wahlbeobachtung, sagen wir mal, in Litauen stattfindet oder mitten in den Tropen in einem Land halb so groß wie Westeuropa. Auf alle Fälle müssen die internationale Gemeinschaft auf der einen Seite und die demokratischen Kräfte weltweit auf der anderen Seite ein Interesse daran haben, daß die ersten kongolesischen Wahlen seit über 45 Jahren ordnungsgemäß durchgeführt werden, damit der Kongo endlich einmal Strukturen und Einrichtungen bekommt, die dafür sorgen, daß die Willensbildung und auch die Kontrolle der Behörden des Landes auf demokratische Weise geregelt werden. Erst danach ist ein wirklicher Wiederaufbau des Landes möglich, weil die Staatsdiener dann sehr viel mehr als bisher, sagen wir mal, zu Volksdienern werden und – abwählbar sind. Doch bis dahin wird’s noch viele Leute auch im Kongo geben, die sich damit nicht ohne weiteres abfinden wollen. Und nicht zuletzt muß dafür gesorgt werden, daß die Militärs sich dem demokratischen System unterordnen.

Ob die belgischen und französischen „Paten“ der Militärs das auch unterstützen bleibt nur zu hoffen.

Montag, 23. Mai 2005

In manchen Regionen gibt’s ein Freilichtmuseum, in dem traditionelle Wohnformen und Handwerksbetriebe sozusagen „zum Anfassen“ präsentiert und manchmal sogar in Betrieb gehalten werden. Wenn solche eine Einrichtung mal auf die Idee käme, als Kulturbeitrag ein afrikanisches Dorf aufzubauen und die Unterscheide tradtionellen Wohnens in Afrika und Europa aufzeigen wollte, würde dies gewiß als Bereicherung wahrgenommen.

Doch ausgerechnet der Zoologische Garten von Augsburg in Bayern kommt auf diese Idee (09.06.05- 12.06.05 "African Village" , vier Tage lang afrikanische Kultur, Kunsthandwerk, Kulinarisches - jeweils von 9 - 21 Uhr; http://www.zoo-augsburg.de/ ) und findet sich mitten in der jüngeren (Kolonial-)Geschichte wieder, weil seinerzeit afrikanische „Eingeborene“ auf Weltausstellungen und in Zirkusaufführungen auftreten mußten – und jetzt in „the African Village“, Postadresse: Zoo Augsburg. Afrika im Zoo.

Ist nicht Afrika selbst ein riesiger Zoo? Ein einziger Serengeti-Nationalpark für Europäer, wo man auf allen Ebenen auf Großwildjagd geht (Groß-Rohstoffplünderung, Groß-Bäumefällen, Groß-Müllentsorgen etc.etc.) Und neben dem Großwild geraten dann auch schonmal so nebenbei auch ein paar „Wilde“ vor das Schießeisen bzw. man sorgt – noch besser – dafür, daß die das gegenseitig besorgen nach dem Motto „Mehr Platz für Tiere“.

Afrika als Zoo der Welt in der Augsburger Puppenkiste.

Ob man vielleicht auch einen großen Kochtopf aufstellen will mit einer weißen Puppe drin, bereit zum Grill?

Bisher reagierten Stadt- und Zooverwaltung Augsburg völlig verständnislos auf jegliche Kritik. Man meint es doch nur gut.

Natürlich wird auch in manchen Gegenden Afrikas der weiße Besucher bestaunt wie der Mann vom Mond (wirklich, soooo blaß! richtig schweinchenfarben).

Und zumeist lebt der weiße Mann in afrikanischen Städten in gewissen Ghettos, residiert relativ luxuriös im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung, mit der man oft nichts gemein hat.

Übrigens las ich dieser Tage etwas über ein Buch von Frank Schirrmacher (Jahrgang 1959), der es schon zum Mitherausgeber der FAZ gebracht hat, mit dem Titel „Das Methusalem-Komplott“, das schon im vorigen Jahr in der 12. Auflage erschienen war. Und was steht da – schon auf der Titelseite: „Die Menschheit altert in unvorstellbarem Ausmaß. Wir müssen das Problem unseres eigenen Alterns lösen, um das Problem der Welt zu lösen.“

Ganze Völker, so Schirrmacher, altern in nie gekanntem Ausmaß.

Ach, wirklich? Hab ich was verpaßt?

Wer schon einmal den Kinderreichtum in südlichen, in arabischen Ländern und dann in Afrika gesehen hat, muß sich unwillkürlich fragen, wo denn der Herr Schirrmacher lebt?

Ach so, in Deutschland, sozusagen im Nabel der Welt.

Wie war man hier nur gegen den „Pillen-Papst“ und wie hat man für die Legalisierung der Abtreibung („Mein Bauch gehört mir“) gekämpft. Jetzt bleibt Nabelschau übrig. Wie üblich wird der Rest der Welt ausgeblendet. Eine Welt, die keineswegs die Wertevorstellungen teilt, die hierzulande zu einem Mangel an Nachwuchs geführt haben.

Dialog International hat übrigens vor einiger Zeit ein Gesundheitsprojekt für Schüler in Kinshasa unterstützt, bei dem Informationsblätter verteilt wurden und Ärzte und Krankenschwestern in ihrer Freizeit, samstags, in den Schulunterricht gingen, um mit den Kindern über ein Gesundheitsthema zu sprechen. Eins davon war das Problem der Abtreibung, das natürlich auch in der Millionenstadt Kinshasa vorkommt. Hier eine Datei mit dem Text in französischer Sprache:

http://www.dialog-international.org/content/cms/upload/pdf/sante/sante_08.pdf

Und in Bukavu bereiten wir zur Zeit ein Projekt vor, bei dem 1.500 Straßenkinder wieder Schulunterricht bekommen sollen. Manche dieser Kinder sind wegen der großen Not ihrer Eltern auf der Straße gelandet. Zum Projekt gehört die Bemühung um Wiederzusammenführung und gleichzeitig einkommenschaffende Maßnahmen für solche Eltern, damit sie sich besser um die Kinder kümmern können. Doch sind auch manche Waisenkinder dabei. Wir hoffen, noch im Laufe diesen Jahres für dieses Projekt Unterstützung auf den Weg bringen zu können.

Nicht überall in Afrika ist die Situation so dramatisch wie im Kongo, wo die lange Mobutu-Diktatur das Land verlottert und der anschließende Krieg zerrüttet hat.

Aber ein Problem wird Afrika nicht kennenlernen: Überalterung.

Samstag, 21. Mai 2005

Diese Woche hat uns einige Aufregungen beschert. Fast hätten wir einen Termin verpaßt. Statt 30.4. für einen Zwischenbericht war dieser bereits am 31.3. fällig gewesen. Oh Schreck. So mußte in wenigen Tagen dieser Bericht inklusive Finanzabrechnung abgeliefert werden und ging heute auf die Post.

Die nächste Aufregung hatten wir mit einem jungen Kongolesen, der gerade sein Abitur gemacht hat. Er klagte über Kopfschmerzen, ging zum Arzt, der ihn sofort in eine Spezialklinik überwies, wo man zwar nichts Bösartiges fand, aber trotzdem war diese Woche eine Operation nötig – aus der er mit beträchtlich eingeschränktem Reaktionsvermögen erwachte bzw. nicht richtig erwachte. Die Mutter saß rund um die Uhr an seinem Krankenbett. Was war geschehen? Inzwischen dürfen wir etwas mehr hoffen, weil eine gewisse Besserung eingetreten ist.

Doch glücklicherweise gibt’s auch richtig gute Nachrichten. Eine davon kam aus dem Entwicklungsministerium: Unser Aufstockungsantrag für das Projekt zugunsten der vergewaltigten Frauen im Ostkongo ist bewilligt worden. Zu den bisher 400 geförderten Frauen können jetzt nochmal 350 hinzukommen. Die Zahl der mißhandelten Frauen ist Legion, aber jetzt können unsere Partner ein umfassendes Programm auf den Weg bringen: Zuerst medizinische Versorgung, dann Organisation in Kleingruppen, die Mikrokredite bekommen, Saatgut, Kleinvieh (Schweine, Ziegen, Hühner), Ställe werden gebaut, aber vor allem geschieht in den Gruppen Traumaarbeit. Außerdem bekommen die Frauen Hausrat und Gartenwerkzeug, um wieder einen Haushalt begründen zu können. Das ganze Programm wird von einer ganzen Reihe ehrenamtlich tätiger Frauen getragen, die ihren Schwestern bei der Bewältigung der schwierigen Situation beistehen.

Übrigens lassen sich Photos von der Verteilaktion an die bisherigen 400 Frauen auf unserer französischen Website betrachten: http://www.dialog-international.org/content/cms/front_content.php?client=1&lang=3&idcat=23&idart=64

Und dann dürfen aber auch unsere sonstigen Planungen nicht stillstehen. Im Moment sind die Kinder an der Reihe. Plötzlich tun sich einige Möglichkeiten auf: 1.500 Straßenkinder sollen im schulischen Bereich gefördert werden. Und rund 200 Jugendliche aus Bukavu, darunter einige ehemalige Kindersoldaten, sollen an Vorbereitungskursen teilnehmen, um Kenntnisse für den Kampf gegen die Erosion mitten in der Großstadt Bukavu zu erwerben, denn das dort geplante Programm der – nun ja Wiederaufforstung läßt sich wohl schlecht sagen – Bemühungen, die Erosion mit Anpflanzung von geeigneten Leguminosen, Fruchtbäumen, Sträuchern usw. einzudämmen, soll vor allem von Jugendlichen durchgeführt werden. Das Problem ist folgendes:

Auf den ersten Blick ist die Region um den Kivusee im Ostkongo eine fruchtbare, von der Natur verwöhnte Landschaft.

Doch bei genauem Hinsehen wird deutlich, wie verwundbar auch dort unsere Eine Welt ist. (Noch)fast täglicher Regen, Abholzung und Erosion haben tiefe Narben in das scheinbar liebliche Landschaftsbild gegraben: 95 % der Energie in Afrika wird mit Holz erzeugt. Täglich laufen Scharen von Menschen in die Wälder oder was davon übriggeblieben ist, um Feuerholz zu suchen.

Und dann strömten 1994 über 2 Millionen Flüchtlinge aus Ruanda in dieses Land - und fällten jahrelang auch Bäume für Hütten und Feuerholz.

Inzwischen sind die meisten der teilweise weit über 3000 Meter hohen Berge rund um den Kivusee kahl und mit jedem Regen rutscht guter Mutterboden die steilen Berghänge hinab oder gar Steine und Geröll, wie Ende Dezember und dann nochmal Anfang Februar in Uvira am südlicher gelegenen Tanganjikasee, wo solche Geröllawinen, verbunden mit Hochwasser zahlreiche Todesopfer forderten.

Selbst mitten in der Großstadt Bukavu, wo die ärmlichen Wohnviertel inzwischen auch an den hohen umliegenden Berghängen kleben, steht heute kaum noch ein Baum. Rund um die Hütten ist alles kahl, bis auf die bei Regen butterweiche kaffeemehlartige Erde. Und immer wieder fordert Erosion ihren Tribut. Hütten rutschen ab. Zuletzt gab es erst Anfang April dadurch wieder fünf Todesopfer.

Schon seit über drei Jahren hat Dialog International in Luhwinja, etwa 60 km südwestlich von Bukavu – Erfahrungen mit Aufforstungen und Kampf gegen die Erosion gesammelt. Ganze Hügelketten wurden inzwischen mit Mischwald bepflanzt und in wenigen Jahren dürfte dort der klassische Regenwald wieder zurückgekehrt sein.

Jetzt sollen diese Erfahrungen auch Uvira, Bukavu und Kamisimbi (eine inzwischen ebenfalls kahle Bergregion, westlich von Bukavu) zugute kommen. Ein umfangreiches Programm der Aufforstung und des Kampfes gegen die Erosion ist dort geplant. Zuerst werden Baumschulen angelegt. Dann muß der Samen von etwa einem Dutzend verschiedenen Bäumen und Heckenpflanzen, sowie von Leguminosen (ein- oder zweijährige Pflanzen, die Stickstoff im Boden binden und Erosion verhindern) aufgehen und pro Saison werden dann einige hunderttausend junge Pflänzchen zur Verfügung stehen, mit denen die bedrohten Flächen stabilisiert und aufgeforstet werden. Doch vorher müssen die kleinen Pflänzchen „umgetopft“ werden, in kleine Plasticsäckchen, mit denen sie leicht an Ort und Stelle getragen und eingepflanzt werden können, sobald sie 20 oder 30 Zentimeter hoch sind.

In der Großstadt Bukavu sollen speziell geeigente schnellwachsende Pflanzen demnächst ganze Stadtviertel wieder begrünen und erosionsgefährdete Flächen stabilisieren. Außerdem soll die marode und überall verstopfte Kanalisation – sofern überhaupt vorhanden – saniert oder neu angelegt werden, damit künftig Regenwasser geordnet abfließen kann ohne verheerende Schäden anzurichten wie noch bisher. Alle diese Arbeiten sollen von Jugendlichen durchgeführt werden, die dadurch eine sinnvolle Arbeit und Ausbildung bekommen. Sie lernen die Natur zu hegen und zu pflegen und geben dadurch einen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung. Im geplanten Umfang wird das Projekt nicht ohne Unterstützung einer großen Institution wie das Entwicklungshilfeministerium durchgeführt werden können. Doch muß Dialog International beträchtliche Eigenmittel aufbringen, zwischen 10 und 20.000 Euro im Laufe von dreieinhalb Jahren, wenn alles gelingen soll.

Natürlich hängt alles davon ab, ob wir in Deutschland genügend Unterstützerinnen und Unterstützer finden. Insbesondere könnte unser kleiner Verein Dialog International durchaus noch ein paar Mitglieder vertragen. Wir warten ja nicht gerade auf den Eintritt von einigen hundert Neumitgliedern, die unseren Verein übernehmen, aber wir haben inzwischen soviel Verantwortung für Projekte im Kongo übernommen, sodaß eine breitere Mitgliederbasis, die bereit ist, dies mitzutragen, zu fördern und vielleicht sogar in Projektgruppen mitzugestalten durchaus hilfreich wäre. Natürlich kann auch ein kleiner Verein, solange sich die Mitglieder einig sind, durchaus größere und sehr große Projekte realisieren und das kann sogar Spaß machen, aber noch schöner ist natürlich, wenn man weiß, daß eine größere Zahl von Freunden an der gemeinsamen Aufgabe mitwirkt, mitdenkt und mithilft.

Aber das war eigentlich nur ein Exkurs, weil diese Spalten nicht unbedingt die geeignete Stelle sind, um Mitgliederwerbung zu betreiben.

Im Kongo selbst wächst die Spannung. In Mbuji-Mayi, der Diamantenmetropole zwischen der Hauptstadt und Katanga im Kasai gab es einige Unruhen, weil dort die UDPS ihre Hochburg hat, die Partei von Etienne Tshisekedi, die bei der Nationalkonferenz eine große Gefolgschaft, doch dann durch das undemokratische Kabila-Regime das Nachsehen hatte und bis heute von den Herrschenden am liebsten marginalisiert würde. Sie mobilisierte ihre Mitglieder dort.

Man kann die Ungeduld der UDPS-Mitglieder durchaus verstehen, die mitansehen müssen, daß der in Sun City vereinbarte „Fahrplan“ der Demokratisierung wieder nicht eingehalten wird. Andererseits wünschte man sich, die UDPS, die bisher durchaus eine kluge Politk betrieb und dafür auch in der Diaspora breite Unterstützung erhielt, würde diese jetzt fortsetzen. Stattdessen scheint diese Gruppierung inzwischen vor Ungeduld fast zu platzen. Natürlich ist die UDPS im Kongo im Gegensatz zu vielen anderen Gruppierungen, die bei den künftigen Wahlen auch mitmischen wollen, eine „gestandene Partei“. Aber anstatt dies jetzt souverän auf allen Ebenen auszuspielen, scheint man auf Biegen und Brechen die Fehler der Übergangsregierung anprangern zu wollen.

Warum ausgerechnet jetzt Belgien mal wieder derart massiv sich in die inneren Angelegenheiten des Kongos einmischt, selbst wenn die Kritik berechtigt sein sollte, ist zumindest bemerkenswert: Der belgische Außenminister, Karel De Gucht, hat am letzten Mittwoch vor den belgischen Parlamentariern seine Kritik an der Regierung der DRKongo wiederholt. "Es gibt einen Mangel an guter Regierungsführung, ich würde sogar sagen, es gibt keine Regierung", sagte er. Alle Anstrengungen, die Belgien unternehmen könnte seien sinnlos, solange sich die Situation nicht verbessere. Er hob vor allem hervor, daß die Kosten für die "Entourage" Präsident Kabilas 10 mal höher als das Budget des Gesundheitswesens sei. (Quelle: www.kongo-kinshasa.de, nach einer Meldung von Radio Okapi) - Diese Probleme sind ja wirklich überhaupt nicht neu. Schon Mobutu hat entsprechende Disproportionalitäten produziert, ohne in irgendeiner Weise von den ehemaligen belgischen Kolonialherren dafür gezüchtigt worden zu sein, im Gegenteil: Mobutu war ein Produkt Belgiens. Wahrscheinlich sollten Belgier in bezug auf den Kongo wirklich besser den Mund halten und dafür sorgen, daß die Stiftung, die sie zur Wiedergutmachung ihrer Untaten an Patrice Lumumba einrichten wollten, endlich zum Arbeiten kommt. Bemerkenswert ist auch, daß Belgien via Kolonialmuseum in Tervuren letztenendes immer noch nichts hinzugelernt hat hinsichtlich seiner unseligen Kolonialgeschichte in Zentralafrika.

Montag, 16. Mai 2005

Letzten Freitag, 13.5. hatte Deka wowo – Partnerprojekte mit Togo für Gesundheit, Bildung, Umwelt e.V., Düsseldorf, ein Verein von Togolesen in den Clubraum der VHS eingeladen, der zu diesem Zeitpzunkt für Dialog International reserviert war, wie jeden Monat, den wir aber nicht in Anspruch nahmen. So 20-25 Besucher waren gekommen, vorwiegend Afrikaner, um sich über die letzten Ereignisse in diesem westafrikanischen Land zu informieren, das nach der Berliner Konferenz erst deutsche Kolonie war und nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg in französischen Kolonialbesitz kam. Togo kam dann – ebenso wie der Kongo – 1960 in die Unabhängigkeit und der erste und bisher einzige demokratisch gewählte Ministerpräsident wurde 1963 ermordet – ebenso wie Lumumba – doch direkt erschossen vom französischen Botschafter. Man will das nicht fassen. Die Belgier gingen gegen Lumumba noch etwas diskreter vor. Und dann setzte Frankreich einen Potentaten ein, der bis zum Februar diesen Jahres sein Unwesen trieb und dann im Bett starb. Und endlich gab’s in Togo Wahlen, die aber massiv gefälscht wurden und dadurch kam der blutjunge Sohn des verstorbenen Machthabers an die Macht. Ist denn Kongo mit dem jugendlichen Joseph Kabila überall Vorbild? Die Togolesen sind natürlich außer sich. Schon wieder sollen sie um ihre Freiheit betrogen werden – und es ist nicht schwer zu erraten, wer das Regime stützt: Die ehemalige Kolonialmacht am Eiffelturm.

Wenn sowas in Europa stattfände oder noch in Asien, dann würden die sogenannten demokratischen Länder keine Ruhe lassen, bis wieder Demokratie einkehrt – aber in Afrika?

Am selben Freitag, den 13.5., hat in Kinshasa ein Parlament einen Verfassungsentwurf verabschiedet, der im kommenden Halbjahr bei einer Abstimmung dem Volk vorgelegt werden soll. Rechtzeitig vor dem Besuch des südafrikanischen Präsidenten Mbeki am Samstag in Kin la Belle hat sich das Gremium aufgerafft, mit großer Mehrheit den Entwurf zu beschließen.

Das liest sich so, als sei das alles normal, daß da in Kinshasa ein Parlament....

Die gute Nachricht ist, daß offenbar alle bisherigen Kriegsparteien, die sich in der Übergangsregierung zusammenraufen mußten, hinter diesem Entwurf stehen. Darunter sind auch „geläuterte“ Kriegsverbrecher.

Die schlechte Nachricht besteht darin, daß natürlich alles Etikettenschwindel ist. Der Kongo hat bisher kein Parlament, das sich wirklich so nennen darf. Hier handelt es sich um eine Versammlung ernannter Würden- und Unwürdenträger. Das Volk soll ja erst nach der Annahme der Verfassung durch Volksabstimmung zur Wahl gerufen werden, um Abgeordnete für Stadt- und Gemeinderäte, Provinz- und Landesparlamente zu wählen. Und zwar zum erstenmal seit 1959. Eigentlich war bei dem Friedensabkommen von Sun City (Südafrika) 2003 unterzeichnet worden, daß dieser Prozeß bis zum 30.6.05 abgeschlossen sein sollte – was natürlich von der Übergangsregierung aus naheliegenden Gründen genüßlich verschleppt wurde – bis man merkte, daß die Volksseele deswegen sozusagen zu kochen begann. Jetzt ist Schadensbegrenzung angesagt und aus Sicht dieser Übergangsregierung ist das wichtigste an diesem Verfassungsentwurf die Herabsetzung des präsidialen Wahlalters auf 30 Jahre – somit kann auch Kabila junior mit seinen 33 Lenzen für die Präsidentschaftswahl kandidieren – vielleicht gegen eine Gruppe älterer Männer. Da wohl die Mehrheit der wahlberechtigten Kongolesen jünger als der Amtsinhaber ist, dürfte der Wahlkampf spannend werden, wenn da wirklich alles mit rechten Dingen zugeht.

Eigentlich müßten dafür auch internationale Wahlbeobachter sorgen – und die äußerst aktive Zivilgesellschaft. Im Grunde müßte jetzt nur noch den Kongolesen von befugter Stelle gesagt werden, daß sowas gut vorbereitet sein will und dadurch noch etwas Zeit gebraucht wird und man noch ein bißchen, aber wirklich nur ein bißchen Geduld haben solle. Vielleicht findet dann im Kongo wirklich das Wunder statt, welches die Menschen im Grunde ehrlich verdient hätten, daß sie nämlich von selbst gewählten Repräsentanten regiert und ihre Institutionen endlich endlich demokratisch kontrolliert werden.

Togo stellte nach dem Tod dieses fossilen Diktators aus 1963 innerhalb von 3 Wochen Wahlen auf die Beine, wo dann z.B. in gewissen Regionen dreimal soviel Wahlscheine aus den Urnen flatterten als Wahlberechtigte waren. Das Ergebnis war somit von langer Hand vorbereitet gewesen. Leider flog dies durch aufmerksame Wahlbeobachter auf, was aber wenig genutzt hat, weil der große europäische Bruder hinter dem kleinen Präsidentensohn steht.

Die Moral von der Geschichte ist eigentlich, daß die weltweite Solidarität von Demokraten gefordert ist. Da Dialog International eine Fördergemeinschaft für demokratische Friedens-Entwicklung ist, freuen wir uns natürlich über jedwede Solidarität – in unserem Fall für die kongolesische Demokratiebewegung.

Mittwoch 11. Mai 2005

Heute kam hier eine Nachricht an, die so ungewöhnlich ist, daß sie wörtlich ins Tagebuch übernommen werden soll. Nämlich die Presseerklärung einer österreichischen Firma, die auch Interessen im Kongo hat:

„KRALL METALL LEGT OECD BESCHWERDEN GEGEN MULTIS VOR UND KLAGT DEUTSCHE BOTSCHAFTERIN

WIEN - Die Krall Metal Holding, ein Österreichisches Bergbauunternehmen, mit internationalem Tätigkeitsfeld, vor allem aber in Uganda und der DR Kongo, führt OECD Beschwerde gegen Multinationale Konzerne, wie beispielsweise H.C. STARCK, ein 100% Tochterunternehmen der BAYER AG. Auch britische Unternehmen wie Alfred H. Knight, oder der Hafen von Rotterdam sind Ziele der Beschwerdeführer.

"Ich sehe nicht ein, warum sich kleine Unternehmen den OECD-Richtlinien verpflichtet fühlen, deren Vorgaben peinlich genau einhalten und multinationale Konzerne darüber erhaben sein sollen, nur weil so genannte "nationale Interessen" auf dem Spiel stehen könnten" so Mag. Thomas Eggenburg, Sprecher der Krall-Metall Holding.

Es ist die das erste Mal, dass ein international Tätiges Unternehmen, die Möglichkeit einer OECD-Beschwerde als Maßnahme gegen unlauteren Wettbewerb, sowie offensichtlich vorliegende schwere Rechtsverstöße einsetzt. Dieser Umstand wurde auch von internationalen Teilnehmern der OECD-Watch-Tagung Anfang April in Brüssel besonders hervorgehoben.

Seitens der Krall Metall Gruppe und deren Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit wird seit längerem eine äußerst erfolgreiche Kampagne auf verschieden Ebenen betrieben. So fanden unter anderen konstruktive Gespräche mit Abgeordneten im deutschen Bundestag, sowie im House of Commons in London statt.

Mag. Eggenburg erklärt die Strategie der Krall Metall folgendermaßen: "Wir wollen die gewählten Vertreter in den betroffenen Ländern, sowie die interessierte Öffentlichkeit informieren, welche Verstrickungen zwischen Multinationalen Konzernen und dem unerträglichen Leid in der DR Kongo bestehen."

Laut dem Sprecher der Karll Metall Gruppe gilt es als erwiesen, dass die in den Beschwerden genannten Unternehmen in einer unheilvollen Allianz von Kapital und Politik wesentlich zur Verlängerung des Krieges in der DR Kongo beigetragen haben, und somit verhindern, dass endlich Erfolgsversprechende Schritte des Wiederaufbaus unter Einbindung verantwortungsvoller Unternehmen gesetzt werden können.

Besonders verachtenswert findet der Sprecher der Krall Metall Gruppe die Involvierung von Diplomatischen Personal in diesem Zusammenhang. "Gegen eine namentlich identifizierte ehemalige Deutsche Botschafterin wurden von uns bereits rechtliche Schritte eingeleitet" so Mag. Eggenburg, der es als bewiesen ansieht, dass diese Person unter Vorspiegelung falscher Tatsache, die verbrecherische Ausbeutung von Bodenschätzen in der DR Kongo maßgeblich gefördert hat.

Neuland beschreitet die Krall Metall Gruppe auch in der Zusammenarbeit mit renommierten NGO´s. Deshalb legte die Krall Metal Holding bereits im Vorfeld der wirtschaftlichen Tätigkeit Instituten wie RAID in Oxford ihre Unterlagen vor. Diese Art der Zusammenarbeit zwischen NGOs und einer in Afrika tätigen Bergbaugesellschaft stellt ein Novum dar. "Ich halte es für außerordentlich wichtig, dass internationale Wirtschaftstätigkeit im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung in Absprache mit NGO´s verschiedener Bereiche geschieht, um schon vorher und nicht erst nachher klüger zu sein." so Mag. Eggenburg abschließend.“

Die Website der Firma ist www.niob.cc, obwohl sich dort bisher noch nichts zu dieser Presseerklärung findet, aber die Website ist nicht besonders übersichtlich oder informativ.

Das besondere an dieser Presseerklärung ist aber, daß endlich einmal eine Firma Zivilcourage besitzt und etwas anprangert, was wahrscheinlich schon seit vielen Jahren bei anderen Firmen gang und gäbe ist. Somit müssen wir den Leuten von Krall wirklich dankbar sein. Solche Firmen braucht der Kongo, daran ist kein Zweifel, auch wenn Krall wahrscheinlich erst als letzte Zuflucht den Weg an die Presse gesucht hat. Bisher hat selbstverständlich noch keine Agentur und keine Zeitung über diese Nachricht berichtet. Im deutschsprachigen Raum ist auch nicht zu erwarten, daß ein Redakteur die Bedeutung erkennt.

Hier in Düsseldorf ist heute der Pressespiegel Kongo/Kinshasa für April hergestellt worden, wovon immerhin eine ganze Reihe von Exemplaren in den Kongo geschickt werden. Im Zeitalter des Internet ist die Herstellung einer Papierversion von einem Pressespiegel wirklich ein Anachronismus, wäre da eben nicht der Kongo, wo Computer nun mal Mangelware sind. Und inzwischen gelingt uns, auch wirklich dafür zu sorgen, daß die kongolesischen Empfänger die einzelnen Ausgaben bekommen. Somit macht die Arbeit für den Pressespiegel Sinn. Kurios ist natürlich, daß die meisten französischsprachigen Artikel aus Kinshasa kommen, von kongolesischen Zeitungen und der Pressespiegel ebenfalls über Adressen via Kinshasa verteilt wird. Aber wir können sicher sein, daß die Empfänger des Pressespiegels auf keinen Fall die Möglichkeit haben, Zeitungen zu lesen.

Gestern bekamen wir vom Finanzamt Post. Dialog International ist auch weiterhin als gemeinnützig anerkannt. Auch für Vereine ist eine Steuererklärung nötig und wir werden dazu einmal im Jahr oder alle zwei Jahre aufgefordert. Da nun wirklich der absolut größte Teil unserer Einnahmen in den Kongo geht in die Projekte dort und wir auch sonst in jeder Beziehung alle Ausgaben im Sinne unserer Satzung tätigen, sind wir natürlich dankbar, daß auch das Finanzamt hier problemlos uns die Gemeinnützigkeit bestätigt. Unsere Finanzen werden jedes Jahr von einem Gremium geprüft, welches von der Mitgliederversammlung eingesetzt wird. Besser wäre, wir würden dies auch noch von einer unabhängigen Organisation prüfen lassen, die dann ein Spendensiegel verleiht, aber wir müssen zugeben, daß uns dies bisher zu teuer gewesen ist, denn diese Leute können das natürlich nicht umsonst machen.

So müssen wir auch weiterhin darauf hoffen, daß uns unsere Freundinnen und Freunde vertrauen. Wir bemühen uns darum, daß die Projektgelder wirklich in den Projekten ankommen. Neulich hatte ich selbst Zweifel. War das Geld angekommen? Hat man damit das gemacht, was vorgesehen war? Am Ende war unseer Freund und Projektpartner ernsthaft krank gewesen und konnte nicht pünktlich auf unsere Fragen antworten und seine Mitarbeiter können noch nicht mit Email umgehen. Inzwischen hat er unsere Fragen beantwortet. Das war zwar nicht in jeder Beziehung professionell, aber wir dürfen natürlich nicht nur jene fördern, die gut professionell berichten können, sondern auch jene, die wirklich in Not sind und das andere noch lernen müssen.

Dienstag, 10. Mai 2005

Wenn hier das Telefon klingelt, ist der Anrufer schon verbunden: Eine Faxweiche findet heraus, ob ein Gespräch oder eben ein Fax ankommt und eine digitale Damenstimme verwirrt manchen Anrufer: „Bitte warten, der Teilnehmer wird gerufen. Bitte warten...“. Nun ja, wirklich.

Das Telefon klingelt. Die neuere Technik löst sowas noch eleganter, aber wir investieren ja nicht unser Geld in die Düsseldorfer Büroeinrichtung. Wer aber an den Anrufbeantworter gerät, erfährt, daß das Büro zur Zeit geschlossen ist. Das war letzte Woche einige Tage so, weil unser kongolesischer Mitarbeiter krank und ich auf der Tagung des Internationalen Versöhnungsbundes in Arendsee (Altmark) war. Wo das ist? Fast möchte ich sagen „in der DDR“, aber nicht ganz so. Wir sind wirklich seit 16 Jahren wiedervereinigt und doch, wer (außer Berlin) Ostdeutschland nicht kennt ist sehr überrascht zu erleben, daß hier doch zwei sehr verschiedene Kulturen „wiedervereinigt“ wurden. Und vieles ist oder war wirklich sympathischer in der „DDR“... Dazu gehört zum Beispiel die Solidarität der Menschen untereinander. Natürlich wurde man beobachtet und ausspioniert. Man konnte kaum reisen, mußte also am Ort bleiben, bodenständig also und hatte nicht die Mittel „große Sprünge“ zu machen. Während der Westler 40 Jahre Prosperität erlebt hatte, gings im Osten immer weiter bergab. Das westliche Wirtschaftswunder führte nicht selten zu Hochmut, Überspanntheit, Abgehobensein, Neid, Mißgunst und was noch mehr. Immer größer, höher, besser usw.

Im Osten hat man bis heute das Gefühl: die Welt ist einigermaßen normal geblieben. Nicht mehr ganz, aber immerhin. Seltsam aber dann doch, daß auch die neuere Architektur eher den Plattenbau imitiert als die Kunst der Zunft auszureizen. Seltsam auch, daß im Dienstleistungsbereich eher der Kunde als Feind wahrgenommen wird, der stört, denn als König. Nun ja, auch im Westen ist man nicht überall besonders gern gesehen, wo man sein Geld lassen will, aber es fällt auf. Im Zug war die Schaffnerin noch ganz vom alten Schlag und legte Feldwebelmanieren an den Tag (oder war das noch Preußen?). Bei der Essenausgabe wurde das Gegenüber gar nicht wahrgenommen. Klatsch, klatsch, klatsch, rein in ’nen Teller, das Gespräch fand dem Gast abgewandt mit den Kollegen statt.

Andererseits - die vielen Begegnungen mit Ostdeutschen. Plötzlich wird klar, wie lebhaft der 9.Novermber 1989 noch gegenwärtig ist. Eine Fahrt zur ehemaligen Zonengrenze öffnete dann alle Schleusen und jeder und jede erzählte, erzählte, erzählte, wie man die DDR wahrgenommen hat, wie man die Nacht des 9.11. erfahren hat usw. usf. Natürlich ist jeder froh, daß der Spuk vorbei ist. Doch trotz der schlechten Manieren beim Kundendienst ist vielleicht gar nicht allen klar, daß die DDR bei vielen ihrer Bewohner auch einen Reichtum hinterlassen hat, der mehr im Inneren gewachsen ist, im menschlichen und zwischenmenschlichen Bereich. Und die friedliche Wende hat auch eine ganz bestimmte Sanftheit bei Vielen hervorgebracht, die im Westen zumindest seltener anzutreffen ist. Im Osten hat man vielleicht immer noch mehr Zeit füreinander – da ist ja eh nicht genug Arbeit, also hat man Zeit. - Welch ein Geschenk, trotz alledem – während im Westen selbst jene, welche aus dem selben Schicksal heraus Zeit haben, immer weniger damit anzufangen wissen und viele andere machen eher einen gehetzten Eindruck. Natürlich läßt sich das nicht verallgemeinern. Eins läßt sich aber generell sagen: Wer nicht geflüchtet ist, sondern ausgeharrt hat, konnte bis heute keine Reichtümer ansammeln und vielleicht hat das vielen Menschen gut getan. Sie sind bescheidener geblieben und vielleicht sogar demütiger manchen Dingen gegenüber. Und genau das sind jene inneren Schätze, die in sehr viel stärkerem Maße sich auch viel häufiger in den südlicheren Ländern unserer Erde finden.

Wir waren nämlich mit Laurien Ntezimana dort am Arendsee, der neben vielen anderen eingeladen war, zum Thema „Armut und Reichtum in Afrika“ in einer Arbeitsgruppe zu sprechen. Laurien kommt aus Ruanda und hat dort seit vielen Jahren für Versöhnung von Hutu und Tutsi gewirkt, dafür auch Gefängnisaufenthalte auf sich genommen und jetzt bildet er Leute in Gewaltlosigkeit aus, hilft Menschen, ihre Traumata zu verarbeiten und wieder seelisch gesund zu werden. Dafür hat Laurien bereits Friedenspreise von Pax Christi International und von der Stadt Esslingen bekommen. Und hier in Arendsee spricht Laurien darüber, daß auf dem afrikanischen Kontinent rund 40 % der Menschen unterhalb der Armutsschwelle leben, was bedeutet, daß sie weniger als 1 (einen) Dollar pro Tag zum Leben zur Verfügung haben. Neben vielen anderen Plagen ist die Analphabetenrate außerordentlich hoch – Schule kann nicht bezahlt werden und der Staat kümmert sich zu wenig. Doch, so Laurien, wenn die Lebensbedingungen schlecht sind, dann ist man gezwungen, sich mit dem Leben selbst zu beschäftigen. Armut zwinge zu innerlichem Wachstum. Man beginne ein neues Bewußtsein zu entwickeln. Armut zwinge Menschen auch dazu, menschlicher zu werden...

Bei der Diagnose der Probleme Afrikas stellte Laurien fest, daß viele traditionelle Lebensbereiche durch sogenannte „universelle Werte“ kaputtgegangen seien. Man könnte auch sagen, alles sollte seit dem Kolonialismus nivelliert oder sogar anglisiert, amerikanisiert werden. Rund um die Erde dieselbe „Zivilisation“ – das kann ja nicht gut gehen. Die Entwurzelung Afrikas manifestiert sich heute in einer Vielzahl von Straßenkindern, die losgerissen vom Familienverband sich schon in jungen Jahren durchschlagen müssen.

Und dann wurde Laurien auch gefragt, was denn das Besondere am westlichen Menschen seiner Meinung nach sei und er antwortete: „Er kann Gegenstände beherrschen, Objekte bearbeiten, Objekte begreifen....“

Afrikaner haben dies wirklich geradezu jahrhundertelang vom weißen Mann am eigenen Leib erleben müssen. Der afrikanische Mensch wurde als Gegenstand betrachtet, in Afrika abgeholt und auf den Märkten der beiden Amerikas vor allem als Sklave verkauft. Die kräftigeren waren teurer, die schmächtigen billiger. Und dann unterstanden sie ihrem Besitzer und es entwickelte sich die Rassentrennung, die in den USA erst wieder durch Martin Luther King und seine Freunde mit gewaltlosen Mitteln aufgebrochen wurde. Und auch die Sklaverei als solche wurde noch im Laufe des 19. Jahrhunderts durch eine weltweite Kampagne der Friedensbewegung – wohl die erste derartige erfolgreiche Kampagne – geächtet, wodurch leider noch nicht gleichzeitig die Rassentrennung ein Ende fand. Zuletzt haben wir den Fall des südafrikanischen Apartheid-Systems vor wenigen Jahren erleben dürfen.

Ja, das kann also der weiße Mann. Und dann kann er auch noch Geld drucken und damit die Welt verrückt machen. Von Mobutu wissen wir, daß er immer neue Scheine in München drucken ließ. Ganze Flugzeugladungen davon gerieten im Kongo auf den Markt (über die Bezahlung der Soldaten vor allem) und die Kongolesen wurden gezwungen mit immer neuen Nullen zu rechnen, sodaß ihnen davon schwindelig wurde. Das ist heute besser geworden, im Gegensatz zu jenen Jahren ist der Franc Congolais heute stabil. Das eigentliche Sesam öffne dich ist jedoch auch im Kongo der Dollar – nicht der Euro.

*

Aus Bukavu hören wir, daß eine Gruppe von Studenten der lokalen Universität ins Büro unserer Partner gekommen sind, weil sie sich in Gewealtlosigkeit fortbilden wollen. Sie wollen lernen, wie man Demonstrationen gewaltlos durchführt und wie man seine Rechte gewaltlos gegenüber gewaltsamen Autoritäten durchsetzen kann. Sie hätten gerne Seminare über die Rolle und die Rechte der Studenten im Zusammenhang der Entwicklung ihrer Heimat. Sie träumen außerdem von einem Internetcafé an ihrer Universität und einer Bibliothek mit Friedensbüchern. Und auf unserem Tisch liegt jetzt die Frage, ob wir daraus möglicherweise ein Projekt machen könnten?

Eine formale Antwort ließe sich schon geben: In der Satzung von Dialog International ist ausdrücklich die Förderung von Studentenhilfe erwähnt. Nur: wo sollten unsere Prioritäten sein? Wiederaufforstung? Hilfe für vergewaltigte Frauen? Mikrokredite?

Würden wir Partner hier in Europa finden, die bereit wären, sich dem Anliegen der kongolesischen Studenten zu öffnen? Eigentlich sind die Wünsche der Studenten einfach und bescheiden. Vielleicht haben deutsche Studentenvertretungen noch einen Draht zur sogenannten Dritt-Welt-Arbeit und würden sich über Partnerschaftskontakte im einer zentralafrikanischen Universität freuen? Aber ist Gewaltlosigkeit bei deutschen Studentenvertretungen wirklich irgendwo noch Thema? War dies überhaupt je Thema dort?

Vielleicht wäre man weiter, wenn Gewaltlosigkeit Thema wäre, wenn man auf diesen Wegen etwas gegen „Regelstudienzeiten“ und „Studiengebühren“ hätte unternehmen können?

Sonntag, 1. Mai 2005

Die letzte Woche war angefüllt mit einiger Aufregung. Seit dem 5. April hatten wir keinen Email-Kontakt mehr mit unseren Partnern in Uvira und auch ein Telefonkontakt war seit dem 11. April nicht mehr möglich. Und am 11. April hatten wir telefonisch erfahren, daß der Geldbetrag für die Verteilung der Hausrat-Sets für die Hochwasseropfer, den wir schon im März überwiesen hatten, immer noch nicht angekommen war... Und jetzt war alles abgeschnitten.

Was war geschehen? Stimmte etwas nicht? Außerdem brauchten wir dringend noch weitere Informationen aus dem Projekt für Berichte.

Nun wußten wir schon, daß Emailschreiben in Uvira nicht einfach ist. In der ganzen Stadt gibt es ein einziges Internet-Café mit ganzen zwei Anschlüssen. Minimum-Wartezeit sei 2 Stunden, wurde uns berichtet. Kein Wunder, daß unsere Partnerorganisation bei uns schon einen Projektantrag für die Gründung eines weiteren Internet-Cafés eingereicht hat, obwohl wir wegen der Katastrophenaktionen diesen leider jetzt nicht bevorzugen können.

Wie auch immer. Unser Glück ist Dialog International Bukavu. Schon seit über 2 Jahren bestehen regelmäßige Kontakte zu der Partnerorganisation in Uvira. Pierre und Philippe sind Freitagfrüh mit dem Sammeltaxi nach Uvira aufgebrochen. Für die ungefähr 120 Kilometer braucht das vollbepackte Auto von der Größe eines VW-Busses mit über einem Dutzend Mitfahrern mindestens 5 Stunden, einerseits um die extrem schlechten Straßenverhältnisse durch das Hochgebirge über Serpentinen (mindestens 1000 Meter Höhenunterschied) bis Kamanyola zu überwinden und zweitens, um die vielen Straßensperren von z.T. Kindersoldaten zwischen der an sich gut befahrbaren Straße durch die Ebene zum Tanganjikasee dann bis Uvira hinter sich zu bringen. Jedenfalls waren die beiden am späten Nachmittag angekommen. Pierre konnte über sein Handy in Düsseldorf anrufen und sagte, Uvira habe schon seit Wochen keine Telefonverbindung mehr mit der Außenwelt und somit könne auch das Internet nicht funktionieren. Sie wollten am Samstag über das benachbarte Bujumbura (Burundi) uns weitere Informationen schicken. Am selben Morgen hat immerhin die Post funktioniert: Etwas mehr als 14 Tage war ein Brief mit weiteren Berichten und Photos aus Uvira unterwegs gewesen und war angekommen. Inzwischen haben wir die restlichen Informationen via Bujumbura bekommen.

Das Geld für die Haushalt-Sets ist inzwischen endlich am Dienstag auch angekommen. Jetzt laufen die Vorbereitungen für den Einkauf auf Hochtouren. Nächsten Freitag soll die Verteilung schließlich beginnen – und dafür wird unsere Delegation nochmal nach Uvira reisen. Die Projektberichte und vor allem die finanziellen Abrechnungen, die wir per Post bekamen, sind einwandfrei, nur einige technische Probleme fanden wir, weil unsere Partner ein paar Details nicht wußten. Natürlich ist das alles eine Erleichterung für uns in Deutschland.

Noch etwas ganz anderes soll berichtet werden: Im Rahmen unseres Schulprojektes „Afrique Voisin“ hatten sich letzten Mittwoch in einer Gesamtschule in Essen 200 Oberstufenschüler den Film „Hotel Ruanda“ angeschaut, der die Rettung von über 1000 Tutsis in einem Luxushotel von Kigali 1994 zeigt, während rundrum ihre Mitbürger massakriert wurden.

Eine Lehrerin hatte die Idee gehabt, zum anschließenden Filmgespräch in der Aula drei Referenten aus unserem Projekt „Afrique Voisin“ einzuladen. So waren Paul Indongo-Imbanda aus dem Kongo, der die Website www.kongo-kinshasa-de betreut, Veye Tatah aus Kamerun, die die Zeitschrift „Africa Positive“ (www.africa-positive.de) herausgibt und Joel Nsengiyaremye von Dialog International nach Essen gefahren, um afrikanische Überlegungen und Meinungen zum Film und zu den Problemen Ruandas zu mit den Schülern zu diskutieren.Und alles wurde von einer Schülerin moderiert. Wir finden sowas hervorragend geeignet, eine Begegnung mit Afrika und Afrikanern zu haben, vor allem deshalb, weil für einmal nicht europäische „Afrikaexperten“ um ihre Meinungen befragt wurden, sondern Afrikaner selbst. Immerhin haben wir das Glück, daß viele Afrikaner unter uns leben, sodaß wir immer auch aus erster Hand informiert werden können, wenn wir wollen. Das leisten die hiesigen Medien nämlich notorisch nicht. Unser Schulprojekt „Afrique Voisin“ kann da einiges beitragen oder besser: korrigieren.