Aus dem Tagebuch von Dialog International

In diesem Tagebuch wird in lockerer Folge aus der alltäglichen Arbeit von Dialog International mit den Partnern im Kongo berichtet.
Das Tagebuch gibt eine persönliche Meinung wieder, auf keinen Fall die offizielle Meinung von Dialog International.

März - April 2005

Donnerstag, 28. April 2005

Was die Kongolesen heute – abgesehen von der Suche nach Brot und etwas für den Magen – am meisten beschäftigt, ist die Frage der geplanten Wahlen. Im Abkommen von Sun City, wo die derzeitige Übergangsregierung mit den verschiedenen vorherigen Kriegsparteien 2003 beschlossen wurde, ist festgelegt, daß diese Wahlen eigentlich bis zum 30.6.2005 durchgeführt sein müßten. Das Problem ist nur, daß bisher fast noch keine Hand gerührt wurde, um irgendwelche Wahlen vorzubereiten. Internationale Besucher in Kinshasa, wie in diesen Tagen wieder Louis Michel, der belgische und Janvier Solana, der spanischer EU-Kommissar, drängen natürlich darauf, daß diese vertraglichen Vereinbarungen auch eingehalten werden und die Übergangsregierung endlich ernsthafte Maßnahmen ergreift, um wenigstens noch in diesem Jahr Wahlen durchzuführen. Die Bevölkerung wird immer unruhiger und es ist zu befürchten, daß der Kongo einer recht hitzigen zweiten Jahreshälfte entgegengeht.

In der Übergangsregierung befinden sich samt und sonders Mitglieder, die in keiner Weise durch das Volk legitimiert sind, sondern die allenfalls dort sitzen, weil sie irgendwo im Land sich gewaltsam an die Macht geputscht haben, eben als Rebellen, in der Nach-Mobutu-Zeit, als das Reich des alten Kabila dadurch zusammenbrach, weil ausländische Mächte, insbesondere Uganda und Ruanda über ein Drittel des Landes eroberten und dort ihre Quisling-Regierungen installierten. Ein Teil der Mitglieder der heutigen Übergangsregierung kommt aus diesen Quisling-Regierungen (Der Begriff stammt aus den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als die Nazis Norwegen eroberten, gegen den weitgehend gewaltlosen Widerstand der norwegischen Bevölkerung. Sie installierten dann dort eine „einheimische“, „arische“ Regierung, deren Chef ein gewisser Quisling war, der somit das eigene Volk verriet und mit den Okkupateuren konspirierte.) So ist kein Wunder, daß heute im Kongo nur wenig Vertrauen in die Übergangsregierung besteht. Hinzukommt, daß ausländische Gäste regelmäßig aus Kinshasa ihre Verwunderung zum Ausdruck bringen über die Inkompetenz der dortigen Regierungsmitglieder.

Und trotzdem haben diese Leute Interessen zu verteidigen. Ein Licht auf solche Interessen fiel vor wenigen Tagen über belgische Pressemeldungen, die einstige Rebellenregierung von Goma (Ostkongo) habe von Belgien aus 250 Millionen Euro in die Schweiz transferiert, die aus dem Handel mit Gold und Coltan stammten. Das heißt die Zeitung „La Libre Belgique“ berichtete, alles sei schon passiert und das Geld liege jetzt in den Alpen, während www.kongo-kinshasa.de über Digitalcongo berichtet, Belgien haben den Transfer gestoppt und vorläufig alles beschlagnahmt, um die Legalität zu prüfen.

Durch solche Nachrichten wird mit einemal bewußt, welche Interessen sich da gewisse Leute sonst noch angeeignet haben und da ist natürlich wenig verwunderlich, daß diese Leute alles dransetzen, möglichst lange in den Positionen zu sitzen, wo sie hemmungslos plündern können.

Und das kongolesische Volk ist ja nicht dumm. Die Kongolesen sehen, was „da oben“ läuft oder nicht läuft und fordern nachdrücklich endlich eine demokratisch legitimierte Regierung, die eigentlich der alte Kabila verhindert hat, denn wenn er nicht (auch hier dank ausländischer – amerikanischer - ) Unterstützung so ein leichtes Spiel gehabt hätte, mit seinen Kindersoldaten nach Kinshasa durchzumarschieren, als Mobutu im Sterben lag, dann wären die Institutionen der Nationalversammlung in die Regierungsverantwortung gelangt und der Kongo hätte längst eine demokratsiche Regierung. Dies Beispiel zeigt, ebenso wie die 250 Millionen Euro in den sicheren Häfen europäischer Banken, in welch starkem Ausmaß ausländische Einflüsse und Möglichkeiten dem kongolesischen Volk jegliche Selbstbestimmung rauben, das nur das Unglück hat, auf einem rohstoffreichen Boden zu sitzen, der für ausländische Mächte attraktiv ist.

Und leider wird die Ausplünderung von einem Eigentumsbegriff in den Industriestaaten geschützt, der keinerlei soziale Verpflichtungen kennt.

Während höhere Geldbeträge, die von Europa aus z.B. in Entwicklungsprojekte fließen, von der Bundesbank und anderen Institutionen penibel geprüft werden, sind alle Scheunentore weit geöffnet, wenn Geld z.B. von der Dritten Welt nach Europa einfließt und kein Mensch fragt nach der Herkunft des Geldes. Hier ist wirklich noch ein weites Feld unbeackert.

Ich hatte immer schon den Eindruck, daß alle möglichen Potentaten nicht Piep sagen könnten, wenn sie nicht irgendwo ihre Rücklagen in sicheren Häfen wüßten. Das war bei dem philippinischen Marcos-Regime so, bei dem nigerianischen Abacho-Regime, selbstverständlich galt dies für Mobutu und jetzt wieder für die Hintermänner der kongolesischen Rebellen.

So hat Europa einige Mühe, sich (und die Welt) von diesem Schmutz zu reinigen. Hausgemacht, nennt man sowas.

Donnerstag, 21. April 2005

Zwei Wochen ohne Eintragungen ins Tagebuch bedeuten nicht unbedingt, daß nichts passiert und nichts zu berichten ist. Leider ist das Gegenteil richtig. Soviel ist geschehen und so viel muß erledigt werden, daß keine Zeit für Eintragungen blieb.

Da war zunächst einmal am 14.4., also vor einer Woche, unsere Schüler-Lehrer-Konferenz „Solarenergie in NRW-Schulen – Partnerschaft mit Afrika“ in der Jugendherberge Köln-Deutz mit einem hochinteressanten Programm, das aber noch einige mehr Teilnehmer verdient hätte. Immerhin waren bemerkenswert viele Lehrer gekommen, um sich über Möglichkeiten und Zusammenarbeit zu informieren. Zwar war die Schülerzahl glücklicherweise immer noch deutlich höher, aber irgendwas haben wir wohl trotzdem falsch gemacht.

Immerhin schienen die Teilnehmer im allgemeinen ganz zufrieden gewesen zu sein und in einem Punkt waren wir auch zufrieden: Afrika stand als Thema zwar explizit nicht im Mittelpunkt, aber zahlreiche afrikanische Gäste setzten doch deutliche Akzente und das scheint der Weg zu sein, den wir verstärkt beschreiten müssen: Die Begegnung zwischen Deutschen und Afrikanern. Nächste Woche wird in Essen eine Schule mit 200 Schülern der Oberstufe den Film „Hotel Ruanda“ anschauen und anschließend diskutieren Paul Indongo-Imbanda (Kongo) von www.kongo-kinshasa.de, Veye Tatah (Kamerun) von Africa positive und Joel Nsengiyaremye (Ruanda) von Dialog International mit den Schülern über den Film und die Ereignisse in Ruanda 1994. Agenda21-Tage werden in Schulen immer beliebter und dafür sind unsere Schulprogramme eine ideale Ergänzung, einige sind schon in Planung...

Hinsichtlich unserer Kongoprojekte steht der April immer im Zeichen der Berichterstattung für das Entwicklungshilfeministerium, das uns bei einigen Projekten finanziell unterstützt. Manchmal ist dadurch eine intensive Diskussion mit den Projektpartnern im Kongo nötig, weil bei diesen Gelegenheiten festgestellt wird, ob die Jahresrechnungen mit dem geplanten Budget übereinstimmen oder eben nicht. Diesmal hatten einige Partner schon Probleme mit dem Dollarkurs, der ja kräftig gesunken ist, sodaß sie etwas mehr Geld bekamen – und im letzten Jahr nicht genug ausgegeben hatten, aus Überängstlichkeit. Fast alle Projekte haben deshalb am Jahresende einen Kassenbestand, der aber – alle, die mit öffentlichen Haushaltsmitteln zu tun haben, können darüber ein Lied singen – gerechtfertigt werden muß. Natürlich können wir das rechtfertigen. Wir sind ja über jeden Betrag froh, der im Projekt ankommt und dann auch dort eingesetzt wird und zwar dann, wenn dies notwendig ist und nicht unbedingt an dem Stichtag, zu dem der Bericht angefertigt werden muß und doch – einfacher wäre natürlich am Jahresende einen möglichst kleinen Kassenbestand zu haben. Ach ja.

Doch noch eine Sorge hatten wir und dies hat uns sehr beschäftigt. Einer unserer Freunde im Kivu besuchte mit seiner Familie vor zwei Wochen den alten kranken Vater auf dem Land - und sollte dort von einer Horde Milizen abgeholt werden. Ihm gelang gerade noch die Flucht über alle Berge, doch Frau und Kinder und der Fahrer des Autos wurden recht unfreundlich behelligt und mußten auch noch einige Dollars abgeben, die eigentlich für den alten Vater eingesteckt worden waren. Nun ist die Region wo dies geschah nicht ganz rechtlos und jemand war dafür verantwortlich und es gibt über die Ursachen unterschiedliche Versionen und vermutlich auch Mißverständnisse. Jedenfalls soll am Ende der Verantwortliche sich über seine Frau bei dieser behelligten Frau und den Kindern entschuldigt haben und als Zeichen der Versöhnung soll sogar ein Hühnchen den Besitzer gewechselt haben, aber damit war die Sache trotzdem noch nicht aus der Welt. Die Nachrichten kamen bis zu uns nach Deutschland und unsere Freunde dort hatten schon beschlossen, eine Untersuchungskommission einzusetzen, um herauszufinden, was letztenendes die Ursache war und ob es Möglichkeiten zur Verständigung gibt.

Für die Betroffenen waren dies einige sehr aufregende Tage, kein Zweifel, doch aus dem Kongo kommen noch ganz andere Nachrichten von wirklich gravierenden Menschenrechtsverletzungen. Für uns sind dies vor allem Nachrichten wieder und wieder von vergewaltigten Frauen. Hier muß sicherlich die Straflosigkeit ein Ende bekommen. In Kiliba, wo wir am 29. November letzten Jahres noch von vielen Menschen ganz herzlich willkommen geheißen wurden (siehe Photo im Tagebuch Spezial) haben jetzt die Frauen gegen die immer stärkeren Gewalttätigkeiten demonstriert. Dabei sind 42 von ihnen von den Feldern geholt und inhaftiert worden. Grund für die Arrestierung: „Warum habt ihr demonstriert?“ Und von welcher militärischen Gruppe? Von der FARDC, der offiziellen kongolesischen Armee, die normalerweise sogar mit der MONUC kooperiert. Die Nachrichten von recht unsinnigen Attacken dieser Armee nehmen überall im Land zu. Immerhin, aus Mbandaka, nordöstlich von Kinshasa, nicht allzuweit von Kongo-Brazzaville entfernt, berichtet Radio Okapi heute, daß 8 Angehörige der FARDC wegen Vergewaltigungen verhaftet worden seien, ehemalige Soldaten von dem Rebellenführer Bemba, der inzwischen in Kabilas Regierung sitzt.

Vor einigen Tagen meldete die BBC, der kongolesische Biologe Ewango habe einen internationalen Preis zugesprochen bekommen, weil er in schlimmsten Kriegszeiten in dem Naturschutzgebiet (südlich von Kisangani) geblieben sei, wo er eine Arbeitsstelle hat und mindestens 14 bedrohte Okapi (nicht Radio Okapi, der Sender ist nach einem giraffenähnlichen, nur im Kongo vorkommenden Tier benannt) gerettet habe, während alle anderen Kollegen vor dem Krieg geflohen seien

Diese Meldung habe ich „unserem“ Biologen Innocent nach Lwiro am Kivusee geschickt und bedauert, daß nicht er oder seine Kollegen solch einen Preis bekommen hätten, denn sie harren auch in ihrem Institut aus, trotz oft heftiger Kämpfe in der Umgebung und bemühen sich im nahen Naturschutzgebiet u.a. Gorillas zu beschützen.

Gorilla- (u.a.)verwaiste Affen (infolge des Krieges) werden übrigens in diesem Institut in der zoologischen Abteilung liebevoll aufgezogen und später wieder in die Wildnis entlassen.

Doch Innocent freut sich schlicht und einfach über diese Preisverleihung an den Kollegen und schreibt: „Ich bin so froh, daß Du mir diese Nachricht geschickt hast über diesen tapferen Ewango. Ich denke wir können im Kongo über diese Preisverleihung stolz sein.“

Mittwoch, 6. April 2005

The only thing we've gotten is small packets of food and supplies. Where the money is, we don't know. It's just meetings, meetings, meetings." SAMSUR BAHRI, a shopkeeper, on tsunami relief efforts in Indonesia. (NYT 6.4.05; „Das einzige, was wir bekommen haben, sind kleine Pakete mit Lebensmitteln und Hilfslieferungen. Wo das Geld ist, wissen wir nicht. Es gibt nur Sitzungen, Sitzungen, Sitzungen.“ SAMSUR BAHRI, ein Ladeninhaber, über Tsunami-Hilfsmaßnahmen in Indonesien)

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, außer, daß wir zumindest bei größeren und staatlichen Organisationen ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Wie viele Projektreisen gab es? Wie viele Leute aus diesen Einrichtungen haben sich im Kongo die Klinke in die Hand gegeben? Unsere Partner in Bukavu waren zeitweise fast permanent damit beschäftigt, irgendwelche Besucher zu empfangen. Resultat: Siehe oben. Es gibt dieses berühmte Parkinsonsche Gesetz über die Verwaltung, das sicherlich auch in solchen Organisationen fröhliche Urstände feiert. Und – war Indonesien nicht ein Schwerpunktland deutscher Tsunami-Hilfe? War da was?

Doch zurück zum Kongo. Jan Egeland hat neulich gesagt, dort komme alle 6 Monate ein „Tsunami“ über die Menschen. Letzte Woche war Bukavu an der Reihe. Heftige Regen gingen runter und wer Bukavu kennt, weiß, wie prekär die Hütten an den hohen hohen Hängen zu kleben scheinen. Jetzt sind viele runtergerutscht. Mindestens 5 Tote waren zu beklagen, hörten wir. Und wir wurden gefragt, wann wir denn mit unserem Vorhaben „Kampf gegen die Erosion durch Wiederaufforstung“ beginnen könnten? Erstmals wollen wir nämlich nicht nur im ländlichen Bereich die Erosion bekämpfen, sondern mitten in der Großstadt. Die Diskussionen dazu liefen im November bei unserem Besuch dort in Bukavu. Manche Stellen waren einfach nicht anzusehen. Da ist ja keine Stadtverwaltung, die irgendwo Vorschriften erläßt. In Deutschland gibt’s Gemeinden, die sogar Satzungen haben, in denen steht drin, wie häufig der Rasen gemäht werden muß. In Bukavu’s Innenstadt wächst an vielen Stellen kein Halm mehr, aber viel Beton oder gar Steine sind auch nicht zu sehen, dafür sehr viel von der kaffeemehlartigen Erde, die nach jedem Regen butterweich wird. Da müßte natürlich etwas wachsen...

Bei der vorherrschenden Armut gibt’s natürlich erstmal andere Prioritäten – bis dann so eine Hütte nach einem Regen einfach abrutscht und vielleicht die Bewohner 10 Meter oder gar 50 oder 100 Meter tiefer unter sich begräbt. Man hatte nirgends den Eindruck, daß irgendwelche Vorkehrungen gegen solche bedrohliche Situationen ergriffen würden. Und das einzige, was wirklich wirken würde – wollte man nicht die halbe Stadt vermauern (wie in Europa), das sind bestimmte Pflanzen, die tief wurzeln und die Erde binden. Die Stadt müßte also massiv begrünt werden. Und die Bevölkerung müßte mitmachen. Von einem Teil der Bevölkerung ist völlig klar, daß sie mitmachen würden: die Jugendlichen. Sie lungern rum und suchen sehnsüchtig nach sinnvollen Aufgaben. Das ist völlig klar, wenn man erlebt, wie engagiert sie behilflich sind, wenn ein Auto im Schlamm steckengeblieben ist und da wieder rausgeholt werden muß. Hier ist ein ungeahntes Potential – und unsere Partner wollen dies nutzen und hoffentlich noch in diesem Jahr mit dem Kampf gegen die Erosion in Bukavu-Stadt beginnen. Das geht aber nur, wenn wir in Deutschland bei der Finanzierung helfen, denn ohne Geld aus dem Ausland geht das nicht.

Donnerstag, 31. März 2005

Gestern noch kam die International Crisis Group, die vorgibt, das Gras wachsen zu hören, mit der Nachricht, die Friedensbemühungen in den Kivus im Kongo seien praktisch gescheitert (www.crisisgroup.org) und heute kann die MONUC, von der man gar keine gute Nachricht mehr erwartet hatte (nach den Sexskandalen der Blauhelme), mit der Neuigkeit, daß die Hutumilizen in ihr Programm der Demobilisierung eingewilligt hätten – sozusagen in letzter Minute. Die MONUC hatte nämlich unmißverständlich klargestellt, daß nach dem 1.April alle Milizen, die diesem Programm nicht beigetreten sind, feindlich behandelt würden. Der Druck auf die Hutu-Milizen war also gewaltig – und hatte Erfolg. Dies wird die Situation im den beiden Kivu-Provinzen vermutlich erheblich entspannen, auch wenn dadurch noch nicht alle Milizen verschwunden sein werden und manche strukturellen Probleme nach wie vor der Lösung harren – etwa die der geregelten Bezahlung der Soldaten der kongolesischen Armee. Öffentlich haben Diplomaten von Industriestaaten, die immerhin einen beträchtlichen Beitrag zum Staatsbudget des Kongo leisten, angemahnt, daß die für Besoldung vorgesehenen Gelder endlich auch bei den Soldaten ankommen müßten. Infrage stehen 8 Millionen Dollar. Und die kongolesischen Minister behaupten lapidar, dies geschehe auch. Die Probe aufs Exempel kann im Kivu gemacht werden. Bisher kam dort nicht besonders viel von diesen Geldern an...

Doch jetzt etwas ganz anderes, eine Premiere: Tagebuchleser dürfen als erste die neue französischsprachige Website von Dialog International besichtigen, die in den nächsten Stunden auch offiziell als Webadresse bekanntgegeben wird. Sie findet sich unter:

http://www.dialog-international.org/content/cms/front_content.php?idcat=3

Endlich, im 14. Jahr unseres Bestehens und nach über 20 zweisprachigen Kongotagen, seinerzeit mit Prof. Mbaya auch mehreren rein französischsprachigen Konferenzen in Köln und einigen wenigen Versuchen, französischsprachige „Communications“ parallel zu unseren „Mitteilungen“ herauszugeben, ist uns dank unserem Mitarbeiter Elias Müller, der auch die Website „Solarenergie für Afrika“ betreut, gelungen, eine französischsprachige Abteilung unserer allgemeinen Website bereitzustellen. Elias, der übrigens gut 6 Jahre französisch am Gymnasium gepaukt hat und in Kürze sein Abi baut, hat diese Website fast ganz im Verborgenden seit Januar gestaltet und vorbereitet. Dafür hat er allen unseren Dank verdient. Insbesondere freuen sich aber unsere Partner im Kongo, die schon seit Ende vorigen Jahres in die Pläne eingeweiht waren und die jetzt endlich auch ein elektronisches Sprachrohr vorfinden, sich und ihre Arbeit besser vorzustellen – und genauer und schneller zu erfahren, was bei Dialog International in Deutschland läuft.

Wieder zurück in den Niederungen des Alltags, bleibt nachzutragen, daß Dialog International am Samstag beim Düsseldorfer Ostermarsch mit einem Stand vertreten war und – wie man auf der deutschen Website seit Monaten sehen kann – regelmäßig im Schauspielhaus Düsseldorf im Stück „Peer Gynt“ sozusagen mitwirkt, mit einem Stand auf dem Basar, wo’s frisch gebruzelte „beignets“, Krapfen gibt, die auch im Kongo so beliebt sind. Endlich, nach vielen Monaten, hatte ich Sonntag auch erstmals Gelegenheit dem Stück beizuwohnen und die Krapfen an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Das ganze Foyer des Schauspielhauses war erfüllt vom Krapfenduft, sodaß (für uns glücklicherweise) viele Besucher nicht widerstehen konnten, die sündhaft fettigen Köstlichkeiten zu naschen. Daneben lagen unser Projektinformationen aus, die leider nicht die gleiche Beachtung fanden. Da aber Liebe bekanntlich durch den Magen geht, ist vielleicht das die beste erste Erfahrung, die jemand mit Dialog International machen kann? Jedenfalls haben wir beschlossen, so häufig wie möglich bei jeder Gelegenheit „Dialog-Krapfen“ anzubieten und Gelegenheiten dafür finden sich in diesem Jahr sicherlich noch reichlich. Dialog International hat sogar inzwischen ein „Krapfen-Back-Set“ erstanden, d.h. eine elektrische Fritteuse. Leider wissen wir noch nicht, ob sich Krapfen auch in einem Solarofen herstellen lassen. Aber auch das muß noch getestet werden. Das Krapfen frittieren ist natürlich nicht Selbstzweck: Die Einnahmen kommen unserer Kongohilfe zugute. Man kann also sagen „Krapfen essen für den Kongo“.

So sind in den letzten Monaten schon locker einige hundert Euro für die Kongohilfe zusammengekommen.

Dienstag, 29. März 2005

Ein paar gute Nachrichten zu Beginn: Ende letzter Woche kam die Nachricht aus dem Entwicklungshilfeministerium, daß uns ein Zuschuss von über 23.000 Euro genehmigt wurde, um das Bewässerungssystem der Reisfelder bei Uvira zu erneuern. Wir müssen in den nächsten zwei Monaten selbst noch rund 3.000 Euro Eigenanteil hinzufügen. Damit wäre ein weiterer wichtiger Schritt der Hilfe für die katastrophen- und kriegsgeplagte Bevölkerung von Uvira am Tanganjikasee getan. Die riesigen Reisfelder nördlich des Sees hatten im Prinzip ein Bewässerungssystem, das vor einigen Jahrzehnten aufgebaut wurde (sogar die Überreste einer Eisenbahnlinie sind dort zu sehen), weil ursprünglich vor allem Zuckerrohr angebaut wurde für eine nahegelegene Zuckerfabrik, die jedoch inzwischen leider auch schon seit mehreren Jahren pleite ist – wie so viele kleinere Unternehmen im Kongo. Seitdem wurde die Bewässerungsanlage kaum noch gewartet und schon gar nicht während der heftigen Kämpfe vor zwei, drei Jahren in der Region. Jetzt werden von den durch uns geförderten Bauern die Felder wieder bewirtschaftet, doch ohne Bewässerung sind sie nur eingeschränkt nutzbar, weil es sehr heiß werden kann und normalerweise nur wenig Regen fällt, ganz anders wie ein paar hundert Meter höher in Bukavu am Kivusee. Jetzt soll also in den nächsten drei Monaten dieses marode System repariert werden.

Und dann dürfen wir uns darauf freuen, daß in den nächsten Tagen die französischsprachige Website von Dialog International nach langer Vorbereitung ins Netz gestellt werden kann. Sowieso ist schon bisher der interne Link zu den französischsprachigen IRIN-Nachrichten auf unserer deutschen Webseite fast täglich der absolute Hit bei den Besuchen. Deshalb wird sicherlich diese französische Seite mindestens ebenso viele Gäste bekommen, zumal ein sich automatisch aktualisierender Nachrichtenbereich vorgesehen ist.

Doch noch sehr viel mehr ist geplant: Am letzten Donnerstag haben sich in Bukavu 21 regionale Gruppen der Zivilgesellschaft getroffen, die zum Dialog-International-Bukavu-Netzwerk gehören und miteinander beraten, wie sie sich auf unserer französischsprachigen Webseite am besten präsentieren können. Sie werden also selbständig Texte über die Arbeit ihrer Gruppen erarbeiten, vielleicht auch Photos schicken, sodaß wir im Laufe der Zeit ein buntes Bild unserer Arbeit im Kongo bekommen – in Form von Selbstdarstellungen unserer Partner dort.

Das läßt sich natürlich nicht ohne weiteres auf den deutschsprachigen Bereich übertragen. Deshalb ist schon jetzt abzusehen, daß sehr unterschiedliche Texte in diesen beiden Abteilungen unserer Arbeit präsent sein werden.

Und dann kommt noch von unserem Fachberater Innocent eine recht traurige Nachricht: Die Böden in der Region verarmen in den nächsten Jahren immer mehr. Das kann zu Hungerkatastrophen führen. Innocent kämpft gegen diese Entwicklung, indem er die Menschen lehrt, bei den Wiederaufforstungen jeweils für die unterschiedlichen Böden geeignete Bäume und Sträucher zu pflanzen. Bei gewissen Leguminosen z.B. verbessert sich die Erde schon nach kurzer Zeit. Insbesondere Ackerrandprogramme mit Leguminosen wurden gefördert. Inzwischen empfiehlt Innocent, wie hier schon berichtet wurde, Moringabäume und natürlich Obstbäume.

Wieso verarmen die Böden? Ein wichtiger Grund dürfte die Monokultur sein. In Landschaften wie rund um Ciherano, wo die vielen Vergewaltigungen stattfanden und derzeit die Mamans Umoja sich um die Opfer kümmern, wird bisher fast nur Maniok angebaut, wohl aus Armut. Bestimmte Manioksorten sind durchaus ungesund, vor allem bei falscher Zubereitung. Alle Maniokarten enthalten das giftige Blausäureglykosid Linamarin, das durch Schälen und/oder Kochen, Rösten etc. minimiert wird. Es gibt inzwischen auch harmlosere Sorten. Abgesehen davon ist Monokultur natürlich immer schlecht für die Böden. Der Kontrast zu dieser Landschaft von Ciherano – eigentlich eine ursprünglich sicher sehr fruchtbare Landschaft - findet sich rund um das wissenschaftliche C.R.S.N.-Institut in Lwiro: Dort ist wirklich eine blühende Landschaft entstanden und die Bauern kultivieren eine bunte Vielfalt von Obst und Gemüse – zweifellos unter dem Einfluß der Wissenschaftler, die seit 1957 in dem Institut tätig gewesen sind.

Zu den vielen Aufgaben, die noch auf uns zukommen, wird also gehören, daß wir die verschiedenen Aufforstungen mit einer noch größeren Vielfalt von Pflanzen vornehmen und zwar auch von solchen, die Lebensmittel liefern, neben anderen, welche vorwiegend Erosion eindämmen oder den Boden verbessern. Und andere wiederum liefern rasch Feuerholz oder Futter für die Tiere. Welche Vielfalt ist möglich, wenn nur die Menschen zur Ruhe kommen und nicht von solch großer Not geplagt sind, daß sie nur von der Hand in den Mund leben müssen. Weil aber seit Jahrzehnten keine regierende ordnende Hand mehr im Land waltete, sind die Menschen gezwungen gewesen, ihre Ressourcen aufzubrauchen und an manchen Stellen kann sich im Handumdrehen gähnender Abgrund auftun – als Erosion, als Hungerkatastrophe infolge Bodenverarmung, als Holzmangel und vieles andere mehr. Wir aus dem Norden, die seit Jahrzehnten und manche noch sehr viel länger die Segnungen „guter Regierung“, jedenfalls die Wohltaten eines relativen Friedens genießen dürfen, haben eine gewisse Verpflichtung, unsere Hände zu füllen und dies den Menschen zu reichen, die infolge Ungerechtigkeiten, die aus den Industrieländern über sie kamen, jetzt in diese Notlage gekommen sind. Aber genau das müssen wir den Menschen hier bei uns plausibel darstellen im Rahmen unserer „entwicklungspolitischen Bildungsarbeit“. Und hier war sicher auch der Ansatz unseres leider viel zu früh verstorbenen Gründers, Prof. Etienne R. Mbaya, der sich um die Ausformulierung der zweiten und vor allem dritten Generation der Menschenrechte verdient gemacht hat, wozu u.a. auch – in der zweiten Generation -die Wirtschafts- und Sozialrechte und - in der dritten Generation - das Recht auf Frieden und das Recht auf Entwicklung gehören. Genauso wie heute in unseren Geschäften vieles so billig ist, weil irgendwo in Asien oder anderswo Menschen für einen Bruchteil der Löhne, die hier gezahlt werden, arbeiten müssen, genauso haben in der Kolonialzeit und später multinationale Unternehmen den Kongo und viele andere Länder ausgeplündert und im Norden Reichtümer angehäuft und Aktionären Dividenden gezahlt ohne irgendwelche angemessene Abgaben in den Ländern gelassen zu haben, die zu ihrem Reichtum beitrugen. Die Armut dort ist entstanden, weil zwar die Vorteile des Rechtes auf Eigentum in vollen Zügen genossen wurden (auch im wahrsten Sinne des Wortes), aber die soziale Verpflichtung des Eigentums, die sogar im deutschen Grundgesetz verankert ist, ignoriert wurde. „Dafür sind andere zuständig“. Das ist genau die letzte Begründung für die sogenannte Entwicklungshilfe, die in Wirklichkeit eher soetwas wie ein Lastenausgleich ist, bzw. ein schwacher Abglanz davon. Jeder, der genug hat, weiß – oder sollte wissen, daß er gut daran tut, davon zu gegebener Zeit etwas abzugeben an jene, die nicht genug haben. Wie schön ist unser deutscher Begriff dafür: „großherzig“ - solches Tun vergrößert das Herz. Wunderbar, nicht wahr? Doch bei vielen Menschen scheint dies in Vergessenheit geraten zu sein – oder wurden sie enttäuscht, weil man oft Zweifel daran hat, ob die Gaben auch wirklich dort ankommen, wo sie am nötigsten gebraucht werden? Und doch „großherzige Spenden, Unterstützungen, Stiftungen...“ sind genau das Gegenteil von „hartherzig“ oder gar „Herzenskälte“, die einem immer wieder auch begegnen.

Eins ist klar: die warmen Herzen finden sich in den Hütten der Armen. Trotz Armseligkeit und knurrendem Magen hat man hier immer etwas zum Lachen. Die kleinen Freuden des Alltags verdrängen den Kummer. Vor allem erfreut reiches Kinderlachen, wer möchte eins der Kleinen missen? Diese Menschen haben nicht verlernt, das wenige, was sie haben, mit anderen zu teilen und zwar auch mit Waisenkindern von Verwandten und Freunden, mit Nachbarn, Verwandten und Gästen. Einsamkeit ist ein Problem des Nordens geworden, weil zu viele verlernt haben, das, was sie haben, mit anderen zu teilen. Zu viele sitzen auf dem Eigenen und hüten ihren Besitz. Macht das nicht auf Dauer unglücklich?

In gewissem Sinne hilft Dialog International beim Teilen und versucht ein bißchen von der Sonne im Herzen des Südens in den Norden zu kanalisieren und ein bißchen von der Habe des kühlen Nordens den Menschen im Süden zukommen zu lassen. Sozusagen von Herz zu Herz.

Die Menschen in unseren Projekten im Kongo verbesssern also etwas ihre materielle Situation dank der Zuwendungen aus dem Norden und geben uns etwas zurück, was vielleicht am besten mit dem uralten biblischen Spruch „Geben ist seliger als Nehmen“ ausgedrückt wird, denn wenn wir irgendetwas im Überfluß haben, dann sind das materielle Dinge. Genau das, was dort fehlt, wo der Überfluß eher im Bereich der Herzlichkeit zu finden ist. Damit soll nicht gesagt werden, daß diese bei uns gänzlich unbekannt ist, aber vermissen wir sie nicht zu oft in unserem Alltag?

Und das Absurde besteht jetzt darin, daß viele unserer materiellen Dinge inzwischen in den sogenannten „Billiglohnländern“, d.h. den Armutsländern des Südens, hergestellt wurden. Verkehrte Welt! Oder hat sich vielleicht seit der Kolonialzeit doch viel weniger geändert als wir denken?

Donnerstag, 17. März 2005

Wir müssen dem Herrn Egeland dankbar sein, daß er immer wieder auf die Probleme im Kongo hinweist, sogar mitten während der heißen Phase der Tsunami-Hilfe:

Mittwoch 16. März 2005, 19:07 Uhr

UNO: Lage im Osten Kongos schlimmer als in Darfur

Genf/Kairo (AFP) - Die Gewalttätigkeiten im Osten der Demokratischen Republik Kongo stellen nach Einschätzung der Vereinten Nationen mittlerweile eine weitaus schlimmere Krise dar als der Bürgerkrieg in der westsudanesischen Region Darfur. Von der Anzahl der Todesopfer her sei der Osten Kongos "die Nummer eins" der weltweiten Krisenherde, sagte der UN-Vizegeneralsekretär Jan Egeland. In der Demokratischen Republik Kongo wurden Menschenrechtlern zufolge seit 1998 mehr als drei Millionen Menschen getötet.

Egeland sagte weiter, es sei "jenseits aller Vorstellungskraft", dass die Region nicht als "unerträgliche, akute Krise" behandelt werde, da bekannt sei, dass im vergangenen Jahr tausend Menschen pro Tag an den direkten und indirekten Folgen der Auseinandersetzungen gestorben seien. Die Situation dort sei "wie ein Tsunami alle fünf bis sechs Monate, jahrein, jahraus, seit sechs Jahren", fügte Egeland hinzu. Drei Millionen Menschen bräuchten "dringende Hilfe".

Natürlich hilft uns zunächst noch nicht zu wissen, daß etwas dort schlimmer ist als anderswo. Darfur ist ein Problem, der Kongo hat viele Probleme und die Folgen des Tsunami waren auch schlimm. Trotzdem beunruhigt mich, am Beispiel der „Hilfswelle“ für Tsunami-Opfer zu erleben, wie viele Menschen offenbar von den Hauptnachrichten der Medien beeinflusst werden und in welch starkem Maße die Medien letztenendes „regieren“. Vor einigen Tagen wurden dazu Details veröffentlicht (NGO-Online, Nachricht von Reuters Alert Net) In den ersten zwei Monaten nach „Tsunami“ wurde darüber in der englischsprachigen Welt in 34.992 Artikeln berichtet. Über den Krieg in der Demokratischen Republik Kongo „in dem mittlerweile über vier Millionen Menschen getötet wurden, hat die internationale Presse im gesamten vergangenen Jahr dagegen nur mit 3.119 Artikeln berichtet“. (Quelle: Media Guardian). Daran seien nicht nur die einfache Darstellbarkeit der Tsunami-Katastrophe schuld, sondern auch die geringen Budgets, autoritäre Regime und die Redaktionen, die solche Themen nur klein und auf den hinteren Seiten behandelten...

Mittwoch, 16. März 2005

Am Dienstag hatten wir im Rahmen unseres Projektes „Schulen entdecken Solarenergie“ unsere zweite Lehrerfortbildung – ebenso wie im November in Jülich mit rund 20 Teilnehmern - die einen Tag lang einen regen Austausch über die Praxis der Solartechnik im Fachunterricht, also vor allem Physikunterricht hatten, aber dabei auch einen Blick hatten oder bekamen für den Aspekt der Einen Welt. Eigentlich brauchen wir das bei solchen Gelegenheiten gar nicht zu thematisieren, sondern einfach dabeisein, mit unseren Mitarbeitern, Projekten und überhaupt. Jedenfalls waren die Teilnehmer am Ende rundrum zufrieden. Klar ist, daß Solarenergie an den Schulen vorankommt und zwar vor allem durch engagierten Einsatz von einzelnen Fachlehrern, welche die Möglichkeiten dieser faszinierenden zukunftsträchtigen Technik für ihren Unterricht nutzen. Klar ist aber auch, daß in vielen Schulen und wahrscheinlich auch in ebensovielen öffentlichen Institutionen und wahrscheinlich auch anderswo eine unglaubliche Ignoranz z.B. dem Problem der Energieverschwendung gegenüber herrscht. Viele Beispiele wurden erzählt, daß „Licht ausschalten“ auch tagsüber bei strahlendem Sonnenschein in Schulen unbekannt ist, die Heizungen laufen, die Fenster stehen offen usw. usf.

Ob man deshalb Atomkraftwerke braucht, um solche „Energiekrisen“ der Zukunft zu bewältigen?

Samstag, 12. März 2005

Heute soll den treuen Leserinnen und Lesern des Tagebuchs zunächst einmal ein „Geheimtipp“ verraten werden: Radio Okapi, die von der Schweizer Hirondelle-Stiftung geförderte Radiostation für den Kongo, die mit der UNO-Blauhelmtruppe MONUC zusammenarbeitet. Hintergrund der Station sind die schlechten Erfahrung 1994 in Ruanda mit Radio Mille Collines, welches die Hutus per Radio zum Völkermord aufhetzte. Solches sollte sich nicht im Kongo wiederholen und Radio Okapi (Okapi ist ein seltenes Tier im tropischen Regenwald des Kongo, eine Mischung zwischen Zebra und Esel mit überdimensional großen Ohren, eine hübsche Beziehung zu einem Radiosender) bekam den Auftrag, unabhängiges Radio zu machen. Inzwischen gibt’s Sendungen in allen gängigen kongolesischen Hauptsprachen: lingala, kikongo, tshiluba, kisuaheli und französisch. Der Sender ist fast landesweit zu hören, sofern ein Radio vorhanden ist – und kann über Internet empfangen werden. Wer wirklich gute kongolesische Musik hören will, sollte abends Radio Okapi runterladen http://www.radiookapi.net/ - und hat musikalisch ausgesorgt.

Diese Woche war durch verschiedene Termine geprägt. Dabei haben wir höchstens die Hälfte der möglichen und wichtigen Termine wahrnehmen können. Wir können ja nicht nur repräsentieren, sondern müssen auch die Arbeiten erledigen. Deshalb mußte die Gründung eines NRW-Afrikavereins ohne uns stattfinden und auch das Düsseldorfer Eine-Welt-Netzwerk tagte ohne uns, obwohl dies beides wichtige Termine gewesen wären. Wir waren heute den ganzen Tag in Frechen bei Köln, wo ein Gymnasium zu einem Tag der offenen Tür eingeladen hatte und vor allem gab’s dort einen Arbeitskreis, der sich „Sonnenwerkstatt“ nennt. Die Schüler bauen winzige Solarradios zusammen, die über Kopfhörer tatsächlich funktionieren und außerdem solarbetriebene Spielzeugautos. Und jenseits der Solarenergie noch einiges andere, z.B. kleine Roboter und vieles mehr. Insgesamt waren auf dieser Veranstaltung ein halbes Dutzend Schulen vertreten und für uns ist dies natürlich wichtig, um unsere Schulprojekte bekanntzumachen. Dabei gab es dann noch ein „highlight“, weil sich sogar ein privater Fernsehsender für diese Aktivitäten der Schüler interessierte und Filmaufnahmen machte und schließlich auch noch ein Interview mit Joel, unserem pädagogischen Mitarbeiter, aufnahm, das irgendwann in den nächsten Wochen über Kabelfernsehen gesendet werden wird. Der Sender hat übrigens großes Interesse bekundet, auch unsere Konferenz über Solarenergie in NRW-Schulen aufzunehmen und vielleicht sogar einen Film über eine unserer Ardennenfreizeiten zu drehen....

Und am Mittwoch gab’s in der Düsseldorfer Messe „auftakt“, eine Konferenz der Schul- und Umweltministerien von NRW zur UNO-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung 2005-2014“. Diese Massenveranstaltung mit tausend und mehr Teilnehmern, war ganz professionell organisiert und Dialog International hatte die Möglichkeit an einem kleinen Stand seine Arbeit vorzustellen. Immerhin gabs zahlreiche Gespräche vor allem mit Lehrern und vielleicht ist dies für unsere Projekte ganz nützlich. Besonders erfreulich war, daß wir mit der Aktion Tagwerk (www.aktion-tagwerk.de) einige Absprachen zur Zusammenarbeit vornehmen konnten, da sich unsere Arbeit hervorragend ergänzt mit dem Vorhaben von Aktion Tagwerk. Deshalb werden sich demnächst auf unseren Websites (www.dialog-international.org und www.solarenergie-fuer-afrika.de ) Hinweise auf die Aktion Tagwerk finden. Diese Initiative wird von Dialog International in jeder Beziehung unterstützt.

Was muß noch gesagt werden? Aus Uvira bekamen wir genaue Aufstellungen der Schäden durch die Überschwemmungen. Daraus geht hervor, daß unsere Hilfe, die wir inzwischen auf den Weg gebracht haben, überhaupt nicht ausreicht. Wir erreichen allenfalls zwei Drittel der betroffenen Familien. Leider kam diese Information eine Woche zu spät, sonst hätten wir den Antrag noch erhöhen können. Jetzt haben unsere Partner das große Problem, daß sie nur für 800 Familien Hilfen geben können, während mindestens 1.200 hilfsbedürftige Familien vorhanden sind. Der Fehler liegt bei uns. Wir wollten in der Vorbereitungsphase nicht Hoffnungen wecken, so lange wir nichts genaues wußten, ob wir wirklich eine Unterstützung bekommen. Deshalb wurden nicht genaue Informationen eingeholt, sondern aufgrund einer Schätzung eine Unterstützung beantragt, was eindeutig ein Fehler war. Aber da zeigt sich wieder, daß wir in diesem Bereich einfach noch keine Erfahrungen haben. Organisationen, die weltweit Katastrophenhilfe leisten, sind da natürlich ganz anders professionell tätig. Trotzdem sind unsere Partner dankbar, daß sie überhaupt von uns Hilfe bekommen und müssen sich jetzt behelfen. Glücklicherweise sind weitere Hilfen in Vorbereitung, vor allem die Ausbesserung des Kanalisationssystems und Wiederaufforstungen an den Bergen. Inzwischen ist klar, daß unser geplantes Aufforstungsprojekt die gesamten Flächen der Berge hinter Uvira bedecken soll, was dringend nötig ist. Damit versuchen wir wirklich das zentrale Problem von Uvira zu lösen, denn die kahlen Berge haben bei den starken Regenfällen Anfang des Jahres bewirkt, daß Steingeröll in die Wohnviertel rollte und zahlreiche Todesfälle verursachte. Ganze Familien wurden ausgelöscht, wie wir dem Bericht aus Uvira entnehmen müssen. Eine Wiederaufforstung ist also dringend notwendig.....

Dienstag, 8. März 2005

Heute kam mit der Post die gute Nachricht: Das Auswärtige Amt hat uns über 10.000 Euro als Katastrophenhilfe für 800 Familien in Kasenga und Kavimvira in Uvira bewilligt. Wir müssen noch rund 1.200 Euro Eigenmittel hinzutun. Die Bearbeitung ging zügig und speditiv. Wir sind wirklich sehr dankbar, daß wir jetzt unseren Partnern dort unter die Arme greifen können. Wir werden 800 Hausrat-Sets verteilen – und die Idee dazu kam von den Mamans Umoja, die ja auch für die vergewaltigten Frauen Hausrats-Sets verteilt haben. Dafür gab’s also im Auswärtigen Amt eine Fördermöglichkeit. Glücklicherweise können erfahrene Leute aus unserem Büro in Bukavu den Freunden in Uvira assistieren und in den nächsten Wochen die Verteilung vornehmen. Ende Mai soll das Projekt beendet sein.

Montag, 7. März 2005

Womit soll ich heute beginnen? Innocent, unser Fachberater, der den Moringa-Baum in Burhinyi einführen will (siehe Tagebuch vom 26.2.) ist inzwischen von Uvira aus nach Westen gewandert und kam in den tropischen Regenwald, der südlich von Luhwinja noch in seiner ganzen Fülle existiert. Doch was schreibt Innocent? „Ich war so erstaunt, daß es ungeheuer dringend ist, ein Wiederaufforstungs- und Antierosionsprojekt im Bereich von Uvira durchzuführen. Wie kann nur ein Fluß fähig sein, Menschen zu steinigen?“ (Beim letzten Hochwasser in Uvira waren zahlreiche Menschen durch Steinschlag umgekommen.) Luhwinja liegt so weit im Süden, daß man von Uvira aus eigentlich nur geradeaus gen Westen laufen muß, vielleicht 50 oder 60 Kilometer, bis man in das Gebiet von Luhwinja kommt. Und die südliche (unbewohnte) Hälfte des Landkreises Luhwinja besteht tatsächlich noch aus intaktem tropischen Regenwald. Wir sind von den Wissenschaftlern aufgefordert, aus diesem unberührten Waldgebiet ganz behutsam einen Nutzwald zu machen, der nachhaltig genutzt wird, damit die Bevölkerung lernt, mit einem Waldgebiet umzugehen und später die aufgeforsteten Flächen ebenso bewirtschaftet. Zu diesem Zweck soll sogar eine Straße bzw. ein Fahrweg bis an den Rand des Regenwaldes gebaut werden. Meine erste Frage war natürlich, ob dies nicht etwas der Anfang vom Ende sei, aber alle unsere Freunde waren ganz anderer Meinung: Die Bevölkerung müsse wieder lernen, die natürlichen Wälder zu nutzen. Erst dann werde sie in der Lage sein, aufgeforstete Flächen ebenso behutsam nachhaltig zu bewirtschaften. Wir tun gut daran, auf die lokalen Spezialisten zu hören.

Freitagabend hatten wir wieder eine Veranstaltung in der Düsseldorfer Volkshochschule. Diesmal stand ein abendfüllender Film auf dem Programm: „Leopold II“, eine Produktion der BBC, in einer Version des belgischen Fernsehens. Obwohl der Film in französisch angekündigt war und zum größten Teil auch französischsprachige Beiträge enthielt, waren rund 20 Personen gekommen und genau so, wie schon im vorigen Jahr bei der Lumumba-Veranstaltung, Anfang Juni, hatten wir danach eine außerordentlich lebhafte und interessante Diskussion, die unser Vorsitzender, Muepu Muamba, leitete. Besonders erfreulich an den VHS-Veranstaltungen ist, daß hier Besucher kommen, die sonst nie auf die Idee kommen würden, eine Veranstaltung von Dialog International zu besuchen. Inhaltlich geht es bei dem Film darum, daß sozusagen über den belgischen König Leopold II, der bei der Berliner Konferenz 1885 den Kongo als Privatvermögen zugesprochen bekam, nach völkerrechtlichen Gesichtspunkten Gericht gehalten wird. Dabei kommt ans Licht, welche ungeheuerlichen Verbrechen im Namen seiner belgischen Majestät im „Freistaat Kongo“ begangen wurden. Die einheimische Bevölkerung war für die Besatzungsmacht praktisch Freiwild. Wenn sie zur Bestrafung nicht ermordet wurde, so hatten die Menschen ihre Hände hinzuhalten, die ihnen dann abgehackt wurden. Millionenfach. Als Leopold II 1908 den „Kongofreistaat“ wie eine Aktiengesellschaft an den belgischen Staat verkaufte, hatte sich die Bevölkerung dort in den 23 Jahren seiner privaten Einflußnahme um die Hälfte vermindert. Alles weitere hat Adam Hochschild in seinem Buch „Schatten über dem Kongo“ (deutsch bei Rowohlt) ausführlich beschrieben. Die meisten Besucher der VHS Veranstaltung waren über die Maßen erstaunt, weil sie von diesen Machenschaften vorher noch nie etwas gehört hatten. Ein Zeichen der Hoffnung war seinerzeit eine einflußreiche Kampagne gegen diese Schreckensherrschaft, die von England aus ganz Europa und Nordamerika umfaßte und den belgischen König in arge Bedrängnis brachte, aufgrund seiner privilegierten Stellung war er jedoch damals juristisch unantastbar.

Währenddessen rieselt der Schnee über Düsseldorf, wie wir uns alle vor Weihnachten solches erträumen. Inzwischen sind die Schneeglöckchen verblüht und die weiße Pracht hielt über das ganze Wochenende an. Dabei war das Rheinland noch mild bedacht worden. Laut Satelliten-Wetterkarte war rundrum alles fest im Griff des Winters. In zwei Wochen ist der kalendarische Frühlingsanfang.

Sowas läßt natürlich unsere Freunde im Kongo völlig „kalt“. Sie müssen jahraus, jahrein unter der tropischen Sonne schwitzen und klagen schon bei morgendlichen Temperaturen von 15 Grad plus Celsius über klirrende Kälte. November, Dezember, Januar, deren Namen hierzulande automatisch mit Eiszapfen in Verbindung gebracht werden, haben im Kongo rein technische Bedeutung. Über das ganze Jahr verteilt verschieben sich Tag- und Nachtgleiche vielleicht um eine Stunde, d.h. in unserem Winter ist der Tag vielleicht 12,5 Stunden lang, in unserem Sommer nur 11,5 Stunden, weil alles südlich des Äquators liegt und somit befindet sich der „tropische Sommer“ im nördlichen Winter, bzw. umgekehrt. Das war schon den allerersten „Kongoforschern“ aus Europa ein Rätsel: Wieso hatte der Kongofluß im Unterlauf nie Wasserschwankungen? Wieso kam immer die gleiche Wassermenge, ob nun Trockenzeit oder Regenzeit? Am Ende war die Antwort einfach: Der Kongofluß biegt in Kisangani genau am Äquator gegen Westen und fließt bis zum Atlantik. Nördlich des Äquators ist die Regenzeit aber dann, wenn südlich des Äquators die Trockenzeit ist. Der Kongofluß entwässert aber die Gebiete beidseits des Äquators. Wenn also im Norden Trockenzeit ist, kommen die Wasserfluten aus dem Süden bzw. umgekehrt. Somit hat der Unterlauf des riesigen Stromes immer die gleiche Wassermenge.

Donnerstag, 3. März 2005

Die letzten Tage waren mit vielen Begegnungen ausgefüllt. Doch zunächst das wichtigste: Heute früh haben wir mit unserem Partner in Uvira telefoniert – wenn’s wirklich wichtig ist, kann man in wenigen Sekunden eine Verbindung haben über Tausende von Kilometern hinweg. Für mich ist das immer noch ein technisches Wunder. Natürlich ist das alles erklärbar, wie das funktioniert, aber erst unser Zeitalter konnte dies realisieren. Wie auch immer, das Telefon ist sowieso für Afrika erfunden worden, denn einer Kultur, die so sehr auf dem gesprochenen Wort basiert, kann nichts besseres passieren als die Einführung der Telephonie. Im Kongo fangen sie natürlich jetzt nicht mehr an Leitungen zu legen. Man telefoniert mit Handys. So hatte auch unser Partner sein Handy in der Tasche und erfuhr, daß wir gute Chancen hätten, für die Nothilfe für Kasenga (Stadtteil von Uvira, der von den katastrophalen Überschwemmungen besonders betroffen war) einen großenZuschuß zu bekommen von dem 800 Sets mit Hausrat gekauft werden können und vielleicht schon in 14 Tagen kann die Verteilung an ebensoviele besonders stark geschädigte Familien beginnen. Natürlich ist die Begeisterung in Uvira groß. Ein Set soll aus einem Kochtopf, aus Geschirr, Trinkbechern, einem Plastikeimer zum Wasserholen bestehen und enthält Decken. Dialog International muß natürlich auch einen Eigenanteil dazutun, aber wir hoffen, daß die Begeisterung für die Tsunami-Hilfswerke bald etwas nachläßt und vielleicht auch mal wieder an Afrika gedacht wird und damit auch an die Unterstützung solcher Projekte.

Übrigens war unser Freund noch aus einem anderen Grund glücklich. Er hatte kurz vorher seine neue Brille bekommen, die wir finanziert hatten. Endlich könne er nun im Internet-Café wieder Emails lesen. Die Verzögerung seiner Antworten sei dadurch gekommen, daß sein Augenlicht immer schlechter geworden ist und er alleine nicht mehr imstande war die kleine Schrift im Computer zu lesen...

Dann war gestern in Düsseldorf eine Regionale Bildungsstelle eröffnet worden, welche u.a. die Aufgabe hat, ehemalige Entwicklungshelfer für entwicklungspolitische Bildungsarbeit zu aktivieren. Ministerin Bärbel Höhn ließ sich nicht nehmen, die Eröffnungsrede zu halten und war natürlich glücklich, daß NRW mal wieder vorne ist. Aber ansonsten läßt sie ihr Redenschreiber ganz gut das Repertoir ihres Ministeriums für Umwelt, Entwicklung und Landwirtschaft darstellen. So brachte sie die Herausforderungen unseres Zeitalters angesichts der klimatischen Ausnahmesituationen und in dem Zusammenhang dann auch das Bewußtsein für die Eine Welt, in der wir leben, ganz gut auf den Punkt. In der späteren Diskussion, offiziell hieß das „Fachgespräch“, wurde natürlich die Bedeutung der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit hervorgehoben und daß vormalige Entwicklungshelfer ganz gute Einblicke in die Kulturen ihres Gastlandes bekommen hätten und dies somit hier auch vermitteln könnten und sollten. Der Gedanke ist nicht schlecht, doch blieb mir die Ehre darauf hinzuweisen, daß mitten unter uns auch viele Botschafter jener Kulturen leben, die genausogut beide Kulturen kennen und vermitteln können, z.B. die Afrikaner (von denen drei von etwa 50 Gästen im Saal saßen), was immerhin nickend zu Kenntnis genommen wurde. Zumindest ergänzen könnten sich die Konzepte. Ich fände das sogar spannend, einen Entwicklungshelfer, der etwa in Kenia war mit einem Kenianer, der in Deutschland studiert oder verheiratet ist, an einen Tisch zu setzen und bei einer öffentlichen Veranstaltung die unterschiedlichen Nord-Süd-Perspektiven zu diskutieren. Man hatte schon daran gedacht, aber eher an einheimische Ehepartner der Entwicklungshelfer. Also da tut sich doch etwas.

Interessant war noch der Gesichtspunkt eines anderen Freundes aus einer Düsseldorfer Eine-Welt-Gruppe, der, nachdem Probleme des ausbleibenden Wirtschaftswachstums beklagt worden waren, darauf hinwies, daß nachhaltiges Wirtschaften doch genau dies zum Ziel haben müßte, weshalb er eigentlich eher für Paradigmenwechsel plädieren würde. Um bei meinem Beitrag Dialog International knapp vorzustellen war dies die „Steilvorlage“ für die Bemerkung, daß wir in einem Land arbeiten würden, welches gerade dabei sei, die Weltmeisterschaft im wirtschaftlichen Schrumpfen zu gewinnen, nämlich im Kongo. Eigentlich muß man das wirklich so sehen. Wahrscheinlich ist die Wirtschaftskraft keines Landes auf der Erde in den letzten 20 Jahren derart geschrumpft wie jene des Kongo. Zu denken gab dann der Beitrag einer ehemaligen Entwicklungshelferin, die irgendwo in der Sahelzone war und hierzulande große Probleme hat, etwas von den ganz und gar unterschiedlichen Kulturen zu vermitteln. Ich kannte auch mal einen solchen Entwicklungshelfer, der aus dem Tschad zurückkam und hier überhaupt nicht mehr zurechtkam und sich dann in die Kunst flüchtete und für den Rest seines Lebens die schönsten afrikanischen Motive in Zeichnungen und Holzschnitzereien fließen ließ.

Heute war Szenenwechsel: Das Ministerium von Frau Höhn hatte Nichtregierungsorganisationen zu einer Begegnung mit einer Delegation aus der NRW-Partnerprovinz Mpumalanga eingeladen, deren Ministerpräsident höchstpersönlich mit einer Regierungsdelegation angereist war. Für mich war das nicht die erste derartige Begegnung, weil wir im Vorfeld der Solarkonferenz schonmal den Kontakt suchten. Schließlich war dann zur Konferenz auch eine Delegation aus dieser Provinz gekommen. Das erste, was mir heute auffiel war: Mpumalanga hat eine neue Regierung, die überhaupt nicht mit der letzten vergleichbar ist. Der letzte Ministerpräsident war ein älterer Herr, der sich über das wachsende Aids-Problem in seiner Provinz grämte. Der jetzige ist ein quirliger junger Mann, der für die mit NRW vergleichbare Industrieprovinz ein Programm zurück zur Landwirtschaft propagiert. Es gebe soviel Arbeitslosigkeit und die Industriearbeiter seien nicht mehr gewohnt auch nur einen Garten zu bearbeiten. Jetzt müsse Land verteilt werden und jeder solle eben auch ein bißchen Landwirtschaft betreiben. Die Düsseldorfer Beamten aus dem Ministerium, welches immerhin auch für die Landwirtschaft zuständig ist, waren sichtlich nervös. Hatte man nicht gerade noch am Nachmittag die Delegation mit Industriebossen zusammengebracht? Und wie ich von einem Teilnehmer der Zusammenkunft erfuhr, hatten diese seine Excellenz, den Ministerpräsidenten Mpumalangas, arg in Verlegenheit gebracht, weil sie ziemlich knallhart verkündeten, eine Industriekooperation mit Mpumalanga gebe es eigentlich nur, wenn die dortigen Industriearbeiter bereit wären, im Billigstlohnsektor zu produzieren. Nur dann sei Südafrika noch interessant. Ach ja. Welch Eine Welt.

Ich hatte die Gelegenheit, mit einem Mitglied des Sekretariats des Ministerpräsidenten zu plaudern und weil wir schnell eine Wellenlänge fanden, bei der wir uns einig waren und auch mal scherzen konnten.... Aber der Reihe nach. Ich erfuhr, daß für meinen Gesprächspartner das Ziel „good governence“ sehr wichtig war und daß er darunter leidet, daß in Afrika sehr viele Regierungen nicht demokratisch gewählt sind. Natürlich war er ein Fan von Nelson Mandela und ist ihm dankbar, daß er solch ein gutes Vorbild ist. Und dann waren wir schnell bei der Landwirtschaft. Ich weiß nicht, ob in Mpumalanga die Bauernfraktion die Wahlen gewonnen hat, aber jedenfalls konnte ich ihm erzählen, wie wichtig im Kongo eigentlich für jedermann und jede Frau die Landwirtschaft ist und viele deshalb wenigstens nicht zu hungern brauchten – während in Mpumalanga die meisten Menschen im Supermarkt einkaufen. Für ihn war das Kongobeispiel aber sehr faszinierend, weil in seiner Heimat Armut und die Arbeitslosigkeit zunehme und seine Regierung deshalb möglichst vielen Menschen Zugang zu eigenem Land verschaffen wolle, das dann aber auch bearbeitet werden solle. Ich vergaß ganz zu erzählen, daß gerade im Ruhrgebiet früher sehr viele Bergarbeiter auch ihre Kuh besessen hatten usw. Jedenfalls kam in dem Augenblick ein hoher Funktionär des Landwirtschaftsministeriums hinzu und gab seinem Erstaunen darüber Ausdruck, daß Mpumalanga plötzlich soviel Gewicht auf Landwirtschaft lege und mit einem Mal verwandelte sich mein Gesprächspartner in den Staatsmann, der er ja irgendwie auch war und das Gespräch ging auf einer ganz anderen Ebene weiter, nämlich bei Exportpolitik, Industrieproduktion etc. etc. Man hat den Eindruck, da hat eine Regierung ein volksnahes Konzept und wird dann hier auf Weltpolitik getrimmt.

Da lobe ich mir doch den Kongo, wo nichts aus dem Supermarkt auf den Teller kommt, sondern alles ist im Umkreis von vielleicht 20 km gewachsen und höchstwahrscheinlich zu Fuß auf den Markt getragen worden. Der Funktionär mischte sich übrigens gerade in dem Moment ein, als ich erfahren sollte, wie die lokalen Märkte in Mpumalanga funktionieren. Das Gespräch vorher war für mich ein Moment „tiefstes Afrika“ und der Arme mußte dann wieder in seine „weltpolitische Rolle“ schlüpfen.

Die NRW-Partnerschaft mit dieser südafrikanischen Provinz ist trotzdem sicherlich erfreulich. Sicherlich ist lobenswert, daß durch sowas auch solche Menschen sich mit Afrika und Afrikanern befassen und Begegnungen erleben, die sonst ganz bestimmt keine Gelegenheit dazu hätten. Das Ministerium, wo die heutige Begegnung stattfand, liegt in einem Viertel, in dem an jeder Ecke ein Büropalast von Firmen steht, die man auf den Börsenzetteln findet. Mit dem Fahrrad ging’s dann am Rheinufer entlang zurück in ein Viertel, wo (noch) Otto Normalverbraucher in Altbauten zu Hause ist und mittendrin unser Büro von Dialog International. Hier muß nicht extra beschrieben werden, wo man sich wohler fühlen kann.

Dienstag, 1. März 2005

Normalerweise ist das hier wirklich nicht der Platz, um Presseerklärungen des Auswärtigen Amtes zu verbreiten, aber am gestrigen 28. Februar erschien eine solche, die ansonsten fast keine Beachtung gefunden, für unsere Bemühungen aber durchaus eine gewisse Relevanz hat. Das deutsche Außenministerium teilte nämlich u.a. mit:

„Staatsministerin Müller reist in die Demokratische Republik Kongo und nach Ruanda

Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, wird vom 28. Februar bis 4. März 2005 in die Demokratische Republik Kongo und nach Ruanda reisen. Stationen sind Kinshasa und Kigali sowie Goma, die Hauptstadt der Provinz Nordkivu im Ostkongo. Sie wird mit dem kongolesischen Präsidenten Kabila und dem ruandischen Präsidenten Kagame, mit Vertretern der VN-Friedenstruppen (MONUC) sowie Vertretern der Zivilgesellschaft den aktuellen Stand des Friedensprozesses in der Region erörtern.

Staatsministerin Müller erklärt hierzu:

"Zum Transitionsprozess in der DR Kongo gibt es keine Alternative, und wir werden diesen Prozess weiterhin unterstützen. Vor allem MONUC spielt eine zentrale Rolle in diesem Friedensprozess. Ich werde auf meiner Reise alle Akteure dazu auffordern, gemeinsam auf das Ziel freier Wahlen im Kongo hinzuarbeiten und auf militärische Zurückhaltung und konstruktive Zusammenarbeit in der Region drängen.

Vor allem die Lage im Osten bereitet uns weiterhin große Sorgen. Zur Zeit ist besonders die Situation im Ituri sehr angespannt, seit Januar sind mehr als 80.000 Menschen dort auf der Flucht vor Kämpfen." (...)

http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/ausgabe_archiv?archiv_id=6850

Anderen Quellen zufolgen „zielen die deutschen Aktivitäten vor allem (deswegen) auf den Kongo, da dieser ,,nach Ende des gegenwärtigen länderübergreifenden Konfliktes" wegen seiner ,,Größe, des Rohstoffreichtums und der zentralen Lage an politischem und wirtschaftlichem Gewicht erheblich gewinnen" könnte. Auch Ruanda, ehemals kaiserlicher Kolonialbesitz, gehört zum Berliner Interessengebiet. Dort will Berlin die französische Konkurrenz ausstechen.

Wie Staatsministerin Müller mitteilt, finanziert das Auswärtige Amt Hilfslieferungen, die für den Osten der DR Kongo bestimmt sind und seit Jahresbeginn einen Umfang von einer Million Euro erreicht haben. Die Maßnahmen werden über deutsche Nicht-Regierungsorganisationen abgewickelt, die im ,,Koordinierungsausschuss Humanitäre Hilfe" einer politischen Nutzung durch die Berliner Regierung zugänglich gemacht werden sollen. Im Oktober etwa hatte Müller die im ,,Koordinierungsausschuss" vertretenen Verbände aufgefordert, als Informanten für die Berliner Regierung tätig zu werden: ,,Teilen Sie uns Ihre Erkenntnisse mit, informieren Sie das Auswärtige Amt über sich abzeichnende Entwicklungen, so dass wir frühzeitig politisch handeln können." (,,Nie wieder? 10 Jahre nach Ruanda - Ein Völkermord und seine Folgen". Rede von Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, anlässlich der Klausurtagung des Koordinierungsausschusses Humanitäre Hilfe, Berlin 08.10.2004, zitiert nach http://www.german-foreign-policy.com/de/news/article/1109545200.php

Wir sind schon lange der Meinung, daß die deutsche Außenpolitik sich durchaus etwas intensiver um eine Lösung der Probleme im Bereich der Großen Seen in Afrika kümmern sollte, zumal die Finanzen, die bisher die dortigen kriegerischen Ereignisse schmierten, durch Waffen- und Rohstoffhandel aus den Industrieländern kamen. Eine gute Außenpolitik könnte hier durchaus Maßstäbe setzen, damit sich auf diesem Gebiet etwas ändert. Ob das Ministerium von Herrn Joschka Fischer inzwischen die Zeichen der Zeit erkannt hat?