Aus dem Tagebuch von Dialog InternationalIn diesem Tagebuch wird in lockerer Folge aus der alltäglichen Arbeit von Dialog International mit
den Partnern im Kongo berichtet. |
Samstag, 26. Februar 2005
Heute schrieb Innocent, unser Biologe, der die Wiederaufforstungsprojekte fachlich berät:
Gestern abend kam ich von Burhinyi zurück. Es ist eine wundervolle Arbeit, die die Leute jetzt beginnen. Sie sind tatsächlich dabei, die Verhütung von Erosion der Erde und die Verbesserung der Qualität des Mutterbodens durch spezielle Pflanzen zu entwickeln: Leguminosen und Tripsacum, welches gegen Buschfeuer resistent ist. Doch müssen die Leute noch mehr die lokale Bevölkerung aktivieren, damit ganz Burhinyi sich in einen lebenswerten Ort verwandelt, in dem die Umwelt sogar für Tourismus ein Gut ist.
Um dies zu verbessern müßten drei Gelegenheiten geschaffen werden:
Erstens man müßte Projekte aus dem Programm Lebensmittel für Arbeit“ durchführen (Anmerkung: Damit werden im Kivu Wege und Straßen ausgebessert, mit Schaufeln und Spitzhacken z.B. Regenwasserrinnen, Löcher auffüllen etc.) Man müßte die Hauptstraße erweitern, damit auch entferntere Ortsteile erreicht werden können, wo es Menschen gibt, die hungern und Opfer der Gleichgültigkeit sind.
Zweitens müßte die Jugend in die kommunale Arbeit integriert werden. Manche versuchen ihr Glück beim Suchen von Gold (Anm.: die Region ist reich an Gold, allerdings ist dies nur sehr mühsam abzubauen bzw. auszuwaschen)
Drittens müßten in den Dörfern bessere landwirtschaftliche Methoden gelehrt werden. Wie kann man die Menschen Burhinyis dazu bringen, mit ihrem eigenen Kopf zu denken und mit den eigenen Händen zu arbeiten?
Was das Projekt betrifft, arbeiten inzwischen die Baumschulgärtner von Luhwinja und Burhinyi zusammen. Ich brachte ihnen Moringa-Samen mit, eine Pflanze, welche die Ernährung verbessert.
Vorige Woche bekam ich Deinen Brief mit den Oliven und dem Knoblauch. Der Knoblauch ist viermal so groß wie der, den wir hier in Afrika kennen! Die Olivenkerne werde ich jetzt hier einpflanzen und werde sehen, ob wir den Olivenbaum hier kultivieren können...“
Innocent hatte den Wunsch gehabt, genau dies in seinem Institut in Lwiro zu erforschen. Ein Kollege hat bereits herausgefunden, wie man in den Tropen Apfelbäume kultiviert. Jetzt werden wir erleben, wie wohl oder unwohl sich im zentralafrikanischen Hochland der Olivenbaum fühlt. Doch nun einige Zeilen zu dem Moringa-Baum, der auf deutsch Kohlbaum“ heißt. Und dieser Text, der sich beim Deutsch-Äthiopischen Verein fand, folgt hier, weil....
Zu den erstaunlichsten dieser Pflanzen Afrikas gehört sicherlich der "Kohlbaum" (Moringa stenopetala). Dieser Baum wird u.a. seit Jahrhunderten in einem relativ eng begrenzten Gebiet südlich von Arba Minch (Äthiopien) angebaut und genutzt.
Im Landwirtschaftssystem der Konso-Menschen von Äthiopien spielt Moringa eine Schlüsselrolle. Seine Blätter sind eßbar und liefern vor allem in der nahrungsarmen Trockenzeit ein wertvolles Gemüse, das reich an den Vitaminen A und C sowie an Calcium und Eisen ist. Moringablätter werden auf den lokalen Märkten gehandelt und stellen eine wichtige Einnahmequelle für die Bauern dar.
Auch die unreifen Früchte sind zum Verzehr geeignet. Die gemahlenen Samen liefern ein wertvolles Speiseöl mit einem hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren. Alle grünen Teile des Baumes können auch als gehaltvolles Viehfutter genutzt werden.
Moringa ist ausgesprochen trockenheitsresistent. Im traditionellen Agroforstsystem dienen die Bäume zur Beschattung der Felder, als Erosionsschutz und als natürliche Feldeingrenzung. Außerdem erhöhen sie - in stärkerem Maße als andere Baumarten - die Bodenfeuchtigkeit. Das Holz ist zwar nicht von großer Qualität, ist aber dennoch als Energiequelle nutzbar.
Darüber hinaus werden (für Konso) eine ganze Reihe von medizinischen Wirkungen verschiedener Teile des Baumes beschrieben. Auch aus anderen afrikanischen Ländern sind medizinische Anwendungen bekannt. So wird übereinstimmend in der traditionellen Medizin Diabetes mit einem Auszug aus den getrockneten Blättern erfolgreich behandelt. Auch Erkältungskrankheiten, Verdauungsstörungen und einige andere Beschwerden lassen sich offenbar mit Teilen des Baumes lindern.
Eine weitere hochinteressante Nutzungsmöglichkeit hat sich erst in jüngerer Zeit ergeben. Untersuchungen im Sudan zeigten, daß die Samen des Kohlbaumes eine Substanz enthalten, die zur Klärung von trübem Wasser geeignet ist (Jahn, GTZ, 1981). Diese wasserreinigende Wirkung ist noch effizienter als chemische Fällungsmittel,. wie sie in der technischen Wasseraufbereitung Verwendung finden. Analysen an der Universität Tübingen haben ergeben, daß es sich bei dem Flockungsmittel des Moringasamens um ein Protein handelt.
Erste Versuche mit Moringa in Äthiopien wurden von Göttsch im Jahre 1984 durchgeführt und erwiesen sich als sehr vielversprechend.
Aschalew Hunde, ein Pharmazeut, der damals (1984) in Arba Minch arbeitete, hat in der Folge weitere Untersuchungen zur Wasserreinigung mit Moringa angestellt. Dabei fand er heraus, daß das verschmutzte Wasser nicht nur geklärt wurde, sondern daß sich auch die Zahl der Keime im Wasser beträchtlich verringert hatte und zwar um so stärker, je verschmutzter das Wasser war. Im Jahre 1994 führte Aschalew Hunde einen mehrmonatigen Feldversuch in Qola Shara, einer Gemeinde bei Arba Minch, durch. Die Hälfte der etwa 300 Haushalte der Ortschaft behandelte ihr Trinkwasser mit Moringasamen, die andere Hälfte verwendete weiterhin - wie bisher - unbehandeltes Oberflächenwasser. Das Ergebnis der 1995 abgeschlossenen Studie stellte erneut sehr überzeugend die Wirkung von Moringasamen unter Beweis. So war die Zahl der Durchfallerkrankungen in der Versuchsgruppe drastisch (um mehr als 90%) zurückgegangen, und Qualität sowie Geschmack des behandelten Wassers wurden von den Probanden gelobt. Bei diesem Versuch wurden 1-1,5 Samen pro Liter Wasser eingesetzt. Das Wasser wurde nach der Zugabe für ca. 5-10 min gerührt, dann für etwa eine Stunde stehengelassen und anschließend vom Bodensatz abgegossen.
Ein Moringabaum produziert jährlich ungefähr 5000 Samen. Drei Bäume würden den Jahresbedarf einer Durchschnittsfamilie im ländlichen Äthiopien decken. Die große Mehrheit der Äthiopier wird für ihre Wasserversorgung noch für sehr lange Zeit auf verschmutztes Oberflächenwasser angewiesen sein. Für diese Menschen stellt die Moringamethode eine billige, natürliche, resourcenschonende und nachhaltige Methode der Wasserverbesserung dar. (...)
Alle bisher durchgeführten Experimente haben ohne gravierende Einschränkungen den Nutzen der Methode unter Beweis gestellt, ihre Implementierung bei der Bevölkerung vor Ort erweist sich jedoch als sehr schwierig.
Ein großer Teil der internationalen Moringa-Literatur bezieht sich auf Moringa oleifera, einen weiteren Vertreter aus der Familie der Moringaceae. Dieser wurde zwar als Zierbaum schon vor längerer Zeit in Äthiopien eingeführt, ist jedoch nicht weit verbreitet. Auch die Samen dieses Baumes sind zur Wasserreinigung geeignet. Wir beziehen uns bei unserer Arbeit in Äthiopien jedoch - zumindest vorläufig - nur auf Moringa stenopetala.
Weltweit wird an zahlreichen wissenschaftlichen Instituten über Moringa geforscht (z.B. in England (Universität Leicester), Deutschland (Universitäten Stuttgart und Karlsruhe) und in den USA). Quelle: http://www.deutsch-aethiopischer-verein.de/ag_moringa.htm
Über solche Innovationen bin ich immer ganz begeistert. In Luhwinja wächst inzwischen schon im dritten Jahr Treculia Africana“, der Afrikanische Brotbaum“, mit seinen riesigen Blättern, dessen stark proteinhaltige Früchte später gegessen werden können und vieles mehr kann damit gemacht werden. Dieser Baum ist für die meisten Afrikaner heute tatsächlich völlig unbekannt – und eigentlich solch ein Segen für die tropische Welt. Nun ist der Baum allerdings auch sehr kälteempfindlich. Burhinyi liegt mindestens 2.500 Meter hoch. Zwar kennt man nicht wirklich Frost, aber Hagel kommt schonmal runter. Generell ist das Klima mehr mediterran als tropisch in dieser Höhe... Somit würden eher Apfelbäume gedeihen... Aber wir werden sehen...
Freitag, 25. Februar 2005
Bisher war ich der Meinung, daß die Spendabilität der Menschen für die Tsunami-Opfer eigentlich eine erfreuliche Angelegenheit seien und man sollte dies neidlos anerkennen. Doch die folgenden Zahlen, die Oxfam zusammengestellt hat, geben doch zu denken. Wir erinnern uns, Oxfam war die Organisation, die schon im Januar zum Entsetzen einiger anderer Organisationen erklärte, man möge doch bitte für andere Projekte spenden, Oxfam habe jetzt ausreichend Spenden für die Tsunami-Opfer, um die sich Oxfam kümmern könne.
Ganz persönlich habe ich anzumerken, daß ich heute Photos von Dörfern in Sri Lanka sah, die vom Tsunami betroffen waren. Und was war unübersehbar? Alles rundrum war ziemlich verwüstet, aber die festen Häuser standen noch – und waren eigentlich relativ komfortabel. Wenn ich mich erinnere, in welch armseligen Hütten die Menschen im Kongo leben müssen, auch in ganz normalen Zeiten, dann leben die Menschen dort in Sri Lanka, die jetzt von den Tsunami-Geldern profitieren in einem gewissen Luxus. In diesem Licht möge der geneigte Leser vielleicht die folgenden Zahlen betrachten....
Oxfam: UN-Zahlen offenbaren Geiz als Reaktion auf viele der aktuell schlimmsten Katastrophen
25.02.2005 - 07:02 Uhr, Oxfam Deutschland e.V. [Pressemappe] Berlin/Oxford (ots) - Während die reichsten Länder der Welt großzügig hunderte Millionen Dollar für den UN-Aufruf zur Hilfe für die Tsunami-Opfer zugesagt haben, ist ihre bisherige Hilfe in den weltweit fünfzehn anderen großen Krisen völlig unzureichend, so Oxfam International.
Für den von Kofi Annan im November letzten Jahres gestarteten Aufruf zugunsten der - neben dem Tsunami - gegenwärtig fünfzehn schwerwiegendsten Krisen (Consolidated Appeal) haben die reichen Länder bisher laut UN nur vier Prozent der benötigten Summe bereitgestellt, teilt Oxfam heute mit. Dies zeige, dass die Geberländer nicht genügend nach humanitärer Notwendigkeit entscheiden.
Die UN-Zahlen wurden zeitgleich zum gegenwärtig in der Schweiz (Montreux, 24./25. Februar) stattfindenden Planungstreffen zur Nothilfe der Geberländer für 2005 veröffentlicht. Die Hilfszusagen kommen nur sehr schleppend und sind im Vergleich zu Februar 2004 um 10% niedriger.
Neben der Tsunami-Flutkatastrophe haben die UN fünfzehn weitere humanitäre Krisen und Katastrophen aufgelistet, in denen insgesamt 29 Millionen Menschen dringend Hilfe benötigen.
Die Zahlen belegen:
- Dass die internationale Gemeinschaft für jede vom Tsunami betroffene Person 500 US-$ bereitgestellt hat, jedoch für eine vom Krieg in Nord-Uganda betroffene Person bisher nur 50 Cent.
- Die UN hat um 158 Mio. US-$ für Uganda gebeten, bisher jedoch nur 1,2 Mio. US-$ (0,8 % der geforderten Summe) erhalten.
- Für den Sudan hat die UN um 1,5 Mrd. US-$ gebeten, bis jetzt aber lediglich 5% (16 US-$ pro Person) erhalten.
- Dass der UN-Aufruf für Westafrika - einer kürzlich von einer Heuschreckenplage heimgesuchten Region - bisher erfolglos blieb. In Mauretanien und Mali sind 400.000 Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.
- Dass der UN-Aufruf für die DR Kongo bisher nur 800.000 US-$ erbrachte (60 Cent pro Person). Das ist 0,4 Prozent dessen, was benötigt wird, um 1,2 Millionen Menschen zu helfen.
"Die Reaktion auf die Tsunami-Flutkatastrophe hat positiv gezeigt, wie die Welt massive Ressourcen mobilisieren und Leben retten kann, wenn der politische Wille vorhanden ist. Im Vergleich dazu ist die Hilfe für andere Katastrophen bisher äußerst schwach. Der Umfang der
Hilfe muss sich am Ausmaß der Not und der Bedürfnisse und nicht nur an der Berichterstattung in den Medien orientieren", so Bernice Romero, Advocacy-Direktorin von Oxfam International.
Hinweise für Redakteure:
- Alle Statistiken sind unter www.reliefweb.int verfügbar.
- ReliefWeb wurde im Oktober 1996 ins Leben gerufen, um aktuelle Informationen über humanitäre Katastrophen zu liefern. Es wird vom UN-Büro zur Koordinierung Humanitärer Angelegenheiten (OCHA) verwaltet.
- Die fünfzehn Krisen, auf die sich der UN-Aufruf bezieht, existieren in Burundi, der DR Kongo, der Elfenbeinküste, Eritrea, dem Gebiet der Großen Seen, in Guinea, Republik Kongo, Somalia, Sudan, im Tschad, in Uganda, Westafrika, der Zentralafrikanischen Republik sowie in Tschetschenien und den besetzten palästinensischen Gebieten.
- Oxfam arbeitet derzeit in Krisengebieten in über 30 Ländern, von denen einige im Licht der Öffentlichkeit stehen, während andere von den Medien vergessen werden.
Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, oder? Was machen wir nur falsch?
Donnerstag, 24. Februar 2005
Nachdem sich die Aufregungen der letzten Tage etwas gelegt hatten, mußten in einem anderen Zusammenhang unsere wichtigsten Aufgaben aufgelistet werden. Und dann kam dies heraus:
Unsere Arbeit wird im Kongo immer bekannter, infolgedessen kommen immer mehr Anfragen um Hilfe. Insbesondere im Kivu ist inzwischen ein umfangreiches Netzwerk von Gruppen entstanden, die mit Dialog International zusammenarbeiten. Wir versuchen immer wieder Kleinanträge in Programme "zu packen" und beim BMZ Zuschüsse zu beantragen. Im letzten Jahr ist uns dies z.B. für Mikrokredite gelungen und für vergewaltigte Frauen.
Natürlich sind auch Anfragen dabei, die in kein Programm passen.
Hier einige Schwerpunkte:
Uvira (Tanganjikasee) - Katastrophenhilfe, Kanalisation gegen Überschwemmungen, Aufbauhilfen. Zukunftsvision unseres dortigen Partners: ein eigenes Internetcafé...
...gesamter Kivu: weitere Wiederaufforstungen und Kampf gegen die Erosion,
insbesondere auch in der Stadt Bukavu selbst.
Mikrokredite: Sehr viele Frauengruppen möchten auch daran teilhaben, sodaß ein neuer Kreditfonds nötig sein wird. Es handelt sich um "rotierende Kredite", ohne Zinsen, d.h. Zinsen werden allenfalls innerhalb der Gruppen gezahlt. In diesem Bereich gibt's besonders viele Anfragen für Miniprojekte ab 1.000 Dollar aufwärts. Doch inzwischen liegt auch ein interessanter Projektantrag vor mit einem System von Zinsen, sodaß im UNO-Jahr der Mikrokredite vielleicht eine Professionalisierung des Mikrokreditsystems stattfinden kann....
Hilfe für von Soldaten vergewaltigte, mißhandelte Frauen: Das Programm muß irgendwie mindestens verdoppelt werden. (von 350 auf 700 - mindestens...)
Alphabetisierung für Frauen: 95 % der Frauen in unseren Partnergruppen können nicht Lesen und Schreiben. Ein Kurs dauert 3 Monate nach der Methode Paulo Freire. Aber wir wissen noch nicht, wie wir daraus ein flächendeckendes Programm machen könnten.
Kinshasa: Gesundheitsaufklärung in Schulen durch Ärzte und Schwestern einer Klinik. Hier müßte der Druck von Infoblättchen unterstützt werden, die ein Künstler gestaltet, mit Themen der Hygiene, der Gesundheitsvorsorge usw. Minimum wären hier 3.000 Euro.
Schulgeld für über 200 Waisenkinder. Dies ginge auch über den Verkauf von Grußkarten, die Motive aus aufgeklebten Bananenblättern enthalten.
Das könnte so weitergehen mit Aufzählungen....
Eine Reihe von weiteren fest geplanten Projekten steht an. Zum Beispiel soll in Kürze ein Container nach Kinshasa gehen mit zahlreichen Nähmaschinen und Computern, die von vielen Menschen gesammelt worden sind. Und nagelneue Stoffe wurden gespendet, sodaß die Frauen gleich Material zum Nähen haben. Und die Gruppe, die in Kinshasa diesen Container bekommt, kümmert sich um Kindermütter und Straßenkinder. Ein Projektvorschlag dieser Gruppe besteht z.B. darin, daß Straßenkinder auf einem landwirtschaftlichen Hof in der Umgebung von Kinshasa landwirtschaftliche Kenntnisse erwerben und gleichzeitig etwas Schulausbildung nachholen möchten. Also gute Ideen sind reichlich da.
Mittwoch, 23. Februar 2005
Stellen Sie sich vor, Sie schlagen morgens die Zeitung auf und müssen lesen, Sie seien verstorben.
Genau das ist gestern dem Gründer der Stiftung passiert, die uns großzügigerweise das Kindersoldatenprojekt fördert.
Wir haben nicht oft Gelegenheit, eine Meldung in die Presse zu bekommen und kümmern uns eigentlich auch nicht oft darum. Aber in diesem Falle fanden wir das angebracht und wollten die frohe Kunde in der Region, wo die Stiftung ihren Sitz hat, den Lesern kundtun und gleichzeitig unser Kindersoldatenprojekt etwas bekanntmachen.
Und dann passiert sowas.
Es war von der Stiftung die Rede, die von dem inzwischen verstorbenen Herrn... gegründet worden ist“
Immerhin eine nicht ganz unbekannte Persönlichkeit in der Region. Doch der ältere Herr erfreut sich bester Gesundheit, was am heutigen Tage die Siegener Zeitung“ auch deutlich vermeldet, denn gestern hatten bei ihr die Telefondrähte nicht stillgestanden. Wieso, seit wann verstorben? Hatten wir nicht soeben noch mit ihm telefoniert?“
Für Dialog International natürlich sehr sehr peinlich und wir haben uns in aller Form entschuldigt. Ein kleiner Trost ist, daß er ältere Herr die Meldung“ amüsiert zu Kenntnis genommen haben soll und im Volksmund heißt es ja auch Totgesagte leben länger“. So wünschen wir ihm ein langes Leben. Unser kongolesischer Mitarbeiter sagt übrigens, daß dieses Sprichwort ganz genauso in seiner Muttersprache auch bekannt ist und für Betroffene sogar als Glücksbringer gilt – wenn sich der Tod als Falschmeldung herausstellt. Immerhin ist das eine gute Nachricht. In diesem Falle wäre keine Nachricht natürlich die bessere gewesen.
Montag, 21. Februar 2005
Inzwischen treffen Berichte von dem Hilfsprojekt in Ciherano für die vergewaltigten Frauen ein.
Hier der Bericht der Leiterin der Mamans Umoja: Letzte Woche wurde die Verteilung von Saatgut beendet. Inzwischen bereitet die Gruppe die Ausgabe von Sets mit Hausrat vor. Außerdem werden Schweine und Ziegen an die Solidargruppen gegeben, die dafür schon Ställe errichtet haben.
Vor jeder Verteilaktion gab es Seminare zur Traumabearbeitung und ein Vertreter von Dialog International Bukavu hat mit den Frauen die Prinzipien der Mikrokredite besprochen. Bisher läuft das Projekt ohne Probleme. Es wurden 26 Solidargruppen gebildet. Man hat als Saatgut fünf Sorten von Bohnen verteilt, Soja und Mais, als rotierende Kredite. Die Verteilung fand in einer ruhigen Atmosphäre statt und die Frauen und Mädchen pflegten in den Abendstunden oder in der Nacht zu uns zu kommen, damit sonst niemand sieht, daß sie diese Hilfen bekommen (wie schon früher berichtet, wollen die Frauen nicht, daß ihre Mißhandlungen in der Dorfgemeinschaft publik werden). Inzwischen akzeptieren aber immer mehr von ihnen die Teilnahme an unseren Treffen.
Wir haben Saatgut an 208 Frauen und Mädchen in Mugogo gegeben, 32 Sets mit Hausrat wurden in Karambi/Kabare verteilt und 173 in Ciherano. Wir konnten noch nicht allen vergewaltigten Frauen helfen, weil es so viele gibt und wenn sie wissen, daß es bei den Mamans Umoja Hilfe gibt, sind sie verpflichtet sich zuerst zu den psychosozialen Betreuerinnen zu begeben.
Inzwischen bekommen wir viele Anfragen auch aus Walungu, Kaniola, Burhale....Doch da können wir nichts machen.”
Der Vertreter von Dialog International schreibt: “Ich komme gerade aus Mugogo und Ciherano zurück, wo ich an der Verteilung des Saatguts teilgenommen habe. In Mugogo gabe es mehr als 200 vergewaltigte und mißhandelte Frauen und Mädchen, die Saatgut bekommen haben.
Nach den Gespräche war ich froh zu erfahren, daß diese Frauen kein Saatgut für diese Saison gehabt hätten, doch dank diesem Projekt von Dialog International mit den Mamans Umoja haben sie nun Saatgut und in drei oder vier Monaten haben sie selbst etwas zu essen. Für diese Woche ist die Verteilung von Hausrat geplant.
Ebenso erfahre ich, daß die Frauen, die unter Traumata leiden, jetzt erst von der Krankheit hören, unter der sie leiden. Seit den Zeiten des Krieges bekommen sie jetzt erstmals Hilfe durch Gesundheitszentren.
Die psychosozialen Helferinnen, das stelle ich jetzt auch fest, sind wirklich eine große Hilfe für diese Frauen und von großer Bedeutung. Das höre ich jetzt von einigen von ihnen. Einige Frauen, mit denen ich sprach, äußerten, daß sie nicht genug zu essen hätten, doch wir versuchen ihnen zu zeigen, daß Dialog International und die Mamans Umoja vor allem in nachhaltiger Entwicklungsarbeit tätig und keine humanitäre Organisation sind.
Alle diese Frauen von Mugogo sind glücklich, daß sie jetzt Mamans Umoja“ genannt werden in der Region und seit sie dort arbeiten, sind auch keine Frauen mehr vergewaltigt worden. Die meisten dieser Frauen können nicht lesen und schreiben und ich denke, daß diese Gegend ein großes Programm zur Alphabetisation von Mädchen und Frauen nötig hat.
Dennoch wissen sie viele gute Dinge über die besten Zeiten für die Landwirtschaft und die Zeiten zum Aussäen kennen sie auch.
Nach den Gesprächen mit den Frauen bin ich zufrieden festzustellen, daß dieses Projekt eine Antwort auf all die wirklichen Nöte von ihnen ist und ihnen dabei hilft, zurück in das Gemeinschaftsleben zu kommen.
Ich war darüberhinaus so froh, diese Frauen wieder tanzen und singen zu sehen, nachdem sie das Saatgut bekommen hatten und Gott und den Mamans Umoja dafür zu danken.“
Samstag, 19. Februar 2005
Für die Überschwemmungsopfer in Uvira bekamen wir die Chance, einen Zuschußantrag bei einer Stelle einzureichen, die Katastrophenhilfe unterstützen kann: 800 Haushalte sollen am Tanganjikasee wieder neu mit Hausrat und Decken ausgestattet werden. Leider ist der Kauf von Baumaterial zur Erneuerung der zerstörten Hütten nicht möglich. Aber auch Ersatz für unter Schlamm und Geröll verschwundenen Hausrat ist eine gute Hilfe. Noch ist nicht klar, ob wir wirklich einen Zuschuß bekommen. Normalerweise ist eine kleine Organisation wie Dialog International nur selten unter den Antragstellern. Immerhin wird der Antrag geprüft und vielleicht können wir ja bald dadurch vielen Familien helfen. Inzwischen haben wir erfahren, daß unter den 300 Haushalten, die in Kasenga am 7./8. diesen Monats ihr Zuhause durch Geröll und die Wassermassen verloren, 120 Familien sind, die bei unserem Programm Brot und Frieden“ in Uvira mitgemacht haben. Sie stehen jetzt obdachlos da...
Dann kam eine gute Nachricht von Freunden aus der Friedensbewegung: Sie wollen helfen, daß wir im Kivu eine Werkstatt für den Bau von Solarlampen einrichten können. In der Tat wäre die Solarlampe für viele Menschen, die abends im Dunkeln oder bei Kerzen- oder Petroleumschein noch etwas zusammensitzen, eine große Hilfe. Wir wissen noch nicht, wie schnell wir die benötigten Beträge durch Zuschüsse und Spenden zusammenbekommen, aber ein weiteres Projekt kommt auf den Weg.
Inzwischen liegt auch die Übersetzung eines Projektantrages vor, der zum Ziel hat, in der Großstadt Bukavu eine Wiederaufforstung durchzuführen. In Bukavu? Nun, keine Region im gesamten Kivu ist so stark von Erosion betroffen und geschädigt wie die Provinzhauptstadt Bukavu. Und man hat den Eindruck, daß fast noch nie eine öffentliche Stelle etwas gegen diese katastrophalen Zustände unternommen hat, die dazu führen, daß bei jedem größeren Regen Hütten die Hänge runterrutschen und manchmal Menschen unter sich begraben. Andere Hütten sind völlig schutzlos der erodierenden Erde ausgeliefert. Wahrscheinlich wissen die meisten Menschen überhaupt nicht, wie sie sich am besten dagegen schützen können. Bei unserem Projektantrag wird mit unterschiedlichen Pflanzen ganz gezielt der Boden stabilisiert und für die Abwässer sollen Drainagen gebaut werden. Das Projekt könnte eine Wende in der ökologischen Situation besonders gefährdeter Stadtteile an den Hängen Bukavus herbeiführen, insbesondere, weil auch viele Jugendliche mitwirken sollen. Aber noch steht die Finanzierung nicht für dieses Projekt und unsere Partner müssen sich gedulden.
Fast täglich kommt darüberhinaus ein neuer Projektantrag, meist für Mikrokredite und ähnliche Vorhaben. Wir haben den Leuten gesagt, daß unsere Mittel begrenzt sind und wir lange Wartezeiten haben, aber natürlich macht sich jede Gruppenleiterin Hoffnung, daß ihr Antrag von uns akzeptiert wird. Ist das nicht bei uns auch so, wenn wir hier in Deutschland Zuschüsse suchen? Unsere Aufgabe besteht hauptsächlich darin, im Kongo einen zuverlässigen Partner für die Durchführung eines Projektes zu finden, damit die Unterstützungsgelder auch wirklich bei den Bedürftigen ankommen und, auch das muß gesagt werden, damit die Gelder am Ende der Laufzeit des Projekts ordentlich abgerechnet werden. Allerdings sind viel mehr Gruppen zuverlässig und würden sicherlich die Projekte ordentlich abwickeln, als wir Mittel haben. Deshalb ist immer wieder neu zu prüfen, wo Prioritäten sind und manchmal öffnet sich ein Fenster für ein Projekt, für das wir lange nicht zu hoffen wagten, wie jetzt für 65 Kindersoldaten....
Dialog International ist hier in Deutschland immer häufiger Anlaufstelle für junge Leute, die z.B. Freiwilligendienste machen wollen oder irgendeine Facharbeit über den Kongo schreiben. Wir helfen gerne, aber nicht selten müssen wir auf andere Organisationen verweisen. Zum Beispiel, wenn der Wunsch besteht, in Afrika für einige Monate einen Freiwilligendienst zu machen. Sowas können wir nicht im Kongo anbieten und die derzeitige Situation bietet sich auch gar nicht für solch einen Dienst an. Für solch einen Aufenthalt ist erstens die politische Situation noch nicht stabil genug und zweitens, auch das muß gesagt werden, wäre die Unterbringung eines Gastes aus Europa für manche unserer Partner durchaus ein Problem, insbesondere, wenn der Aufenthalt nicht vom Gast selbst vollständig bezahlt wird. Aber in manch anderen afrikanischen Ländern gibt es durchaus solche Möglichkeiten und es gibt Berichte, daß für die Freiwilligen ein solcher Aufenthalt eine sehr große Bereicherung war. Wir haben jetzt unter den Links“ dieser Website die Organisationen aufgeführt, bei denen für solche Aufenthalte weitere Informationen eingeholt werden können.
Wir freuen uns natürlich über das Interesse vor allem junger Leute an unserer Arbeit und haben immer wieder die Vorstellung gehabt, daß doch eigentlich mehr junge deutsche und junge Afrikaner, die in Deutschland aufwachsen, irgendwas zusammen tun könnten. Das ist nämlich keineswegs selbstverständlich, auch wenn man gemeinsam die Schulbank drückt. Die meisten Afrikaner in Deutschland leben ziemlich isoliert von der deutschen Bevölkerung. Ich hatte mal mit afrikanischen (studentischen) Aushilfen zu tun, übrigens ausgesprochen fleißige Leute, die aber am Montagmorgen wesentlich schlechter deutsch sprachen als am Freitagnachmittag. Des Rätsels Lösung: Während des gesamten Wochenendes hatten sie keinen einzigen Kontakt zu einem Deutschen gehabt. Unsere Ardennenfreizeiten könnten in diesem Sommer Gelegenheit für solch afrikanisch-deutschen Begegnungen werden. (vgl. www.solarenergie-fuer-afrika.de )
So ist kein Wunder, daß in der gesamten Friedensbewegung sich fast überhaupt kein Afrikaner findet und Afrika auch kein Thema geworden ist, obwohl in den letzten Jahren sich fast alle kriegerischen Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent abspielten. Das ist umso verwunderlicher, als seit mindestens drei Jahrzehnten viele junge Leute aus Afrika nach Deutschland kommen, um hier eine Ausbildung zu machen. Sogar die Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai hatte einst in Deutschland eine zeitlang studiert. Eigentlich ist unverständlich, daß heute durch teure Reisediplomatie Menschen aus Nord und Süd für einen Transfer des Wissens um die Erkenntnisse der Konfliktforschung sorgen müssen, was ja viel einfacher ginge, wenn sehr viel mehr junge Leute, die als Gäste in Europa leben, in die Arbeit hier einbezogen würden.
Wir können nicht unbedingt behaupten, daß Dialog International auf diesem Gebiet besonders erfolgreich war, aber immerhin bemühen wir uns, Kongolesen und Deutsche, um eine konstruktive Zusammenarbeit, wobei wir uns dadurch immer mehr kennenlernen, unsere Stärken und Schwächen und so zu einer vertrauensvolleren gemeinsamen Arbeit kommen. Da könnten wir übrigens durchaus noch mehr Freiwillige gebrauchen, die bereit sind mitzuhelfen oder vielleicht sogar Mitglied zu werden.
Donnerstag, 17. Februar 2005
Die meisten Menschen in den nördlichen Industrieländern können sich gar nicht mehr vorstellen, welche fundamentale Einschnitte Ernteausfälle oder Tierkrankheiten im bäuerlichen Lebenskreis haben können. Oder vielleicht doch? Ist nicht Hartz IV z.B. etwas vergleichbares? Wer plötzlich auf das Sozialhilfeniveau abgesenkt“ wird muß sich auch in Deutschland sehr einschränken und gerät nicht selten in Not. Und doch muß an dieser Stelle betont werden, daß die bäuerlichen Menschen z.B. im Kongo ihr Leben lang in einer Not leben müssen, die auch Empfänger von Hartz IV in Deutschland nicht kennen.
Dieser Tage kamen die Frauen von Luhwinja, Muku und Bukavu weinend in das Büro von Dialog International Bukavu und berichteten, daß 70 % ihrer Schweine, die wir vor zwei Jahren in einem Projekt der rotierenden Kredite finanziert hatten, an einer Epidemie von Schweinefieber und Durchfall eingegangen seien. Die meisten Frauen sind arme Witwen, die eh kaum etwas haben. Und jetzt dies! Was machen wir? Hätte ein Tierarzt noch helfen können? Aber die Frauen hatten dafür keine Mittel! Solche Leute wollen ja auch bezahlt werden...
Uns bleibt nichts anderes übrig, als diese Frauen wieder in ein neues Mikrokreditprogramm aufzunehmen. Aber bis das soweit ist, wird es einige Monate dauern. Und viele andere Frauengruppen wollen auch einmal einen Mikrokredit bekommen. Wie die Unwetter in Uvira, von denen wir vor einigen Tagen berichten mußten, so ist auch dieses Ereignis für die betroffenen Menschen eine Katastrophe.
In Bagira, einem Stadtteil von Bukavu sind den Frauen durch Krankheit die Ziegen eingegangen. Auch hier eine Katastrophe. Bei diesen Frauen handelt es sich um Kindermütter, welche durch die Ziegen ein bescheidenes Zubrot zu ihrem Stricken und Nähen bekommen hätten.
So sind manchmal unsere Projekte durch Schicksalsschläge behindert. Erfolg ist auch ein Geschenk, das nicht immer selbstverständlich eintrifft...
Montag, 14. Februar 2005
Heute bekamen wir die erfreuliche Nachricht, daß unser erstes Kindersoldatenprojekt finanziert ist. Sicherlich, kein Riesenprojekt: Insgesamt sollen 65 ehemalige Kindersoldaten in Schreinerei, Ziegelsteinbrennerei und Lederwarenherstellung ausgebildet werden. Aber 65 junge Leute, die bisher keine Ausbildungschancen hatten, sind schon eine ganze Menge. Und das besondere an diesem Projekt ist, daß diese jungen Leute auch noch Lesen und Schreiben lernen sollen, weil die meisten von ihnen dies noch nicht können und außerdem bekommt jeder junge Mann eine Ziege, um die er sich kümmern muß. Ein ehemaliger Kindersoldat, um den sich niemand gekümmert hat und der sich bisher auch um niemanden kümmern mußte, wird also (auf dem Wege eines rotierenden Kredits) Eigentümer einer Ziege. Man bedenke, dies sind alles Kinder vom Land, die in einem bäuerlichen Haushalt großwurden. Wir finden die Idee großartig. Am Ende arbeiten sie in einem Handwerksbetrieb und halten sich ein paar Ziegen. Damit ist ihr Auskommen fürs erste gesichert. Und zur Wiedergutmachung an die Bevölkerung stellen sie einer Schule 90 Bänke und Tische zur Verfügung. Auch dafür ist in dem Projekt Geld eingeplant. Unsere Vorstellung ist, daß wir auch an anderen Orten ähnliche Projekte initiieren und auf diese Weise etlichen Kindersoldaten die Wiedereingliederung ermöglichen.
Eine Stiftung aus dem Siegerland hat sich entschlossen, dieses Projekt mit 12.348 Euro zu fördern. Die Stiftung wurde von einem inzwischen verstorbenen kinderlosen Unternehmerehepaar gegründet, die ihre Firma dort eingebracht haben. Die Mitarbeiter der Firma arbeiten heute für diese Stiftung, d.h. ihr Profit geht in die Stiftung und fördert Projekte wie diese. Ich vermute, daß die Mitarbeit in einer solchen Firma etwas mehr Spaß macht als in einer Firma wo vielleicht nur der Inhaber immer reicher wird. Leider ist die soziale Verpflichtung des Eigentums, die sogar in unserem Grundgesetz festgeschrieben wurde, heute oft in Vergessenheit geraten. Deshalb sind solche Stiftungen zu rühmen, die das wieder in Erinnerung rufen.
Bei dieser Gelegenheit sollte hier auch einmal gesagt werden, daß viele unserer Projekte lokale Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind, denn Stellen, bei denen Geld gezahlt wird, sind in einer Gesellschaft mit fast ausschließlich Subsistenzwirtschaft selten. (Das bedeutet, die Menschen sind Selbstversorger, haben nur selten Gelegenheit etwas auf dem Markt gegen Geld zu verkaufen, höchstens mal ein Schwein, eine Ziege, ein paar Hühner, oder die Frau trägt einen Teil der Maniokernte auf den Markt.) Und was geschah in Luhwinja, als wir vor drei Jahren zwei Dutzend Baumschulgärtner eingestellt hatten? Kurze Zeit später gabs ein paar Feste: vier oder fünf von ihnen konnten heiraten, weil ihr Einkommen zur Gründung einer Familie ausreichte (Monatsgehalt: 50 Dollar). Und jetzt sind sie Spezialisten für Wiederaufforstung und wir hoffen, sie können künftig auch in anderen Regionen ihr Wissen weitervermitteln, bei unseren nächsten Projekten. Aber schon hören wir, sie können doch Luhwinja nicht verlassen, sie haben doch jetzt Familie....
Samstag, 12. Februar 2005
Aus Uvira kam gestern eine Email. Keine Klage, kein Bettelbrief, keine Beschreibung der katastrophalen Situation, sondern ein ausgereifter Projektvorschlag: In dem Viertel, wo das Hochwasser am schlimmsten stand, soll eine Kanalisation gebaut werden, eine Drainage. Damit nicht nochmal sowas passiert. Und wir sollen helfen. Alles zusammen kostet 25.000 Dollar. Das Projekt ist durchdacht, die Beträge realistisch. In drei Monaten soll die Arbeit getan sein. Und wir müssen jetzt natürlich versuchen, dafür einen Zuschuß zu bekommen, denn nur mit unseren eigenen Mitteln können wir solch ein Projekt nicht finanzieren. Was mich beeindruckt, ist, daß alles so klar ist. Schon bisher: Die Rücksiedlung von 200 Flüchtlingsfamilien in die bäuerliche Umgebung war eine klare Sache. Sie bauen jetzt etwas auf und haben viele Hektaren Reisfelder unter dem Pflug oder der Hacke, betreiben die Reismühle, alles mit rotierenden Krediten. Und jetzt muß noch die Drainage für die Reisfelder erneuert werden. Allerdings, kein Zweifel, das ist nötig, wie ein Augenschein gezeigt hat.
Und nach der Unwetterkatastrophe kommt noch ein Drainageprojekt mitten in der Stadt Uvira hinzu, wo schlimmste Wasserschäden entstanden sind. Und weil die öffentlichen Ämter im Kongo nicht funktionieren, die Stadtverwaltung z.B. nicht in der Lage ist, solche Arbeiten zu erledigen, müssen das eben Nichtregierungsorganisationen in die Hand nehmen. Zumindest einen Vorteil wird dies für die Zukunft des Staates Kongo haben: Dieser wird nie wieder so mächtig werden wie andere Staaten das gelegentlich wurden. Mit ihrem maroden Staat wird die Bevölkerung erwachsen und – frei. Das war schon zu Mobutus Zeiten so. Unser Gründer, Prof. Mbaya, war 1991 erstmals nach 30 Jahren wieder in sein Heimatland gereist. Und was hatte ihn am meisten beeindruckt? Wie frei während der damals neu aufkommenden Demokratiebewegung die Presse schrieb. Die Leute bekamen Mut und nahmen kein Blatt vor den Mund. Im Laufe der Jahre haben viele Presseleute dafür sicherlich auch schonmal im Gefängnis schmachten müssen, aber sie haben sich nicht unterkriegen lassen.
Natürlich ist es besser, wenn die staatlichen Dienste funktionieren und das organisieren, was sie am besten organisieren können. Wenn nicht, voilà. Dann bauen wir uns unsere Parallelgesellschaft auf. Oder, wie jetzt in Uvira: die Leute organisieren sich selbst. Was besseres kann eigentlich gar nicht passieren.
Mittwoch, 9. Februar 2005
Schon das Elbhochwasser hatte eine überwältigende Hilfsbereitschaft ausgelöst – und jetzt der Tsunami in Asien erst. Inzwischen fliegen Touristen in die Überschwemmungsgebiete mit Koffern voll Hilfsgütern und wollen mal schaun, wem sie was verteilen können. Ihr Geld geht natürlich an die Inhaber der eleganten Luxushotels, die für Europäer gebaut und oft verschont geblieben sind.
Auch Uvira im Ostkongo liegt wunderschön am Tanganjikasee. Dort, in der Nähe, soll irgendwann in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts ein Mr.Stanley gesagt haben: Mr.Livingstone, I presume?“ – Eine wunderschöne Gegend - wenige hundert Meter vom Strand des Sees entfernt, wo morgens die Waschfrauen stehen und geschwätzig für saubere Wäsche sorgen, beginnt schon das Gebirge, geht bis auf 1000 und mehr Meter hoch und erstreckt sich dann weit nach Westen bis es da abfällt, wo die Wasser in das Kongobecken abfließen und schließlich in den Atlantischen Ozean.
Und zwischen See und Gebirge eingeklemmt liegt das Städtchen Uvira und verbreitet so ein klein bißchen das Flair vom Wilden Westen, bekannt aus amerikanischen Filmen. Doch die Siedlung besteht genau besehen vor allem aus unzähligen äußerst ärmlichen Hütten. Und Uvira hat im Verhältnis zur übrigen Region ein extremes Klima: Die Hitze ist besonders heiß und der Regen besonders heftig. Zuletzt gabs zum Jahreswechsel schlimmste Unwetter – wir schrieben darüber. Unzählige Hütten rutschten schon vor fünf Wochen die Hänge runter, Hunderte, vielleicht Tausende von Menschen wurden obdachlos. Keine Zeitung im kühlen Norden schrieb darüber. Sämtliche infrage kommenden Journalisten waren gerade in Asien und zählten die Tsunami-Opfer. Im Vergleich dazu war das Problem von Uvira natürlich nicht erwähnenswert. Und doch, wer Uvira kennt, ist erschrocken, z.B. wenn er solche Bilder sieht, wie sie jetzt die MONUC veröffentlicht hat: http://www.monuc.org/StoryPrint.aspx?StoryID=377
Und dann kam Montagnacht nochmal ein großer Regen über Uvira. Haben wir nicht eigentlich jetzt Trockenzeit in der Region? Das Wetter spielt verrückt. In Uvira ging jedenfalls ein hefter Regen nieder, so heftig, daß 8 Menschen in den Fluten starben und viele weitere Bewohner als vermißt gelten, wie der UNO-Nachrichtendienst IRIN meldet. Wir suchen im Schutt immer noch nach Überlebenden“, sagte Didas Kaningini, der stellvertretende Gouverneur de Provinz Süd-Kivu zu IRIN. Das Wasser stand in Kasenda, einem Vorort von Uvira, 80 cm hoch, wo über 300 Häuser zerstört wurden.
Und wer die Hütten kennt, weiß, daß die Menschen nirgendwohin fliehen konnten, schon gar nicht auf die Dächer, die unter ihrer Last sofort zusammengebrochen wären. Und IRIN schreibt weiter, daß die eigentlichen Zerstörungen durch Sand und Steine verursacht wurden, die von den sonst so lieblich aussehenden hohen Hängen der Mitumba-Berge hinter Uvira runterkamen – und hier rächt sich die Natur: sämtliche Hänge, die früher ohne Zweifel bewaldet waren, sind heute ratzeputz kahl. Und die Frauen und Kinder müssen immer weiter laufen, um Brennholz zu suchen. Und wer kochen will braucht Brennholz. Alles andere ist viel zu teuer. Jetzt kommt, was kommen mußte: die heftigen Regen schwemmen aus den hohen Bergen alles runter, was nicht niet- und nagelfest ist: Sand, Erde und eben Steine – und die Menschen wohnen unten und einige hat der Schutt begraben. Welch ein Leid! Welch ein Elend! Dabei ist die Not in der Region schon ohne diese Katastrophe riesengroß. Hier war der Krieg besonders heftig und langandauernd. Hier sind besonders viele Kindersoldaten und besonders wenige Hilfsorganisationen.
Unsere Partner in Uvira haben ein Wiederaufforstungsprogramm vorbereitet, welches wir hoffentlich im Laufe des Jahres beginnen können – aber wieviel müßte aufgeforstet werden in dieser Region? Wie ideal wäre für Uvira der Sonnenkocher! Die Gegend hat Sonne satt. Zwei Jahre lang herrschte fast absolute Trockenheit. Und jetzt wird offenbar der ganze Regen nachgeliefert, auf den man vorher so sehnlichst gewartet hatte. Doch inzwischen sind die Berghänge noch kahler geworden als vorher schon. Auch das ist also eine ökologische Katastrophe.
Die UNO-Vertreter im Süd-Kivu sagen, die Hilfsorganisationen müßten rasch reagieren. Die Straßen und andere Infrastrukturen wurden bereits durch den Regen in den Wochen vorher zerstört“, sagte Jean-Marc Cordaro von der UNO. Seit Montag ist die Situation noch viel schlimmer geworden.“
Dialog International hat ein Projekt vorbereitet, bei dem das Bewässerungssystem für die Reisfelder repariert werden soll. Wir müssen fürchten, daß bei dem desolaten derzeitigen Zustand des maroden künstlichen Bewässerungssystems inzwischen die gesamte Ernte unter Wasser steht. Natürlich wächst Reis im Wasser, doch muß das wohlreguliert sein. Überschwemmte Felder lassen die Ernte rasch verfaulen...
Wir planen, im März oder April mit den Reparaturarbeiten beginnen zu können. Angesichts der neuen Katastrophe in Uvira werden wir uns jedoch weiterer Hilfsmaßnahmen nicht verschließen können. Fast sämtliche Familien unserer Partner leben an den Hängen.... Angesichts der vielen anderen notleidenden Menschen im Kongo werden wir mit den bescheidenen Mitteln, die wir zur Verfügung haben, genau überlegen müssen, wo wir Prioritäten setzen...
Samstag, 5. Februar 2005
Also, eigentlich wäre sehr verwunderlich gewesen, wenn die Leopold-Statue in Kinshasa Touristen-Attraktion geworden wäre. 24 Stunden nach ihrer Aufstellung mußten dieselben Arbeiter, die sie aufstellten, sie wieder abräumen und mit ihr verschwand auch der Kulturminister.
Ist auch besser so.
Bei der Gelegenheit fällt mir die Geschichte ein, die mir einmal ein Kongolese erzählte: In den siebziger Jahren bekam Monsieur Desirée Mobutu die Idee, im Kasaï ein Denkmal für seine verehrte Frau Mutter aufzurichten. Wohlgemerkt, die Frau Mutter lebte noch. Aber was tut ein Sohn nicht alles für Mama? So wurde also in Mbuji-Maji unter lebhafter Anteilnahme der Bevölkerung das Mutter-Denkmal aufgebaut. Und jedermann war empört. Was haben wir im Kasaï mit der Mutter des Präsidenten am Hut? Sie kommt aus Gbadolite. Sollen sie ihr doch dort ein Denkmal setzen!“ Aber Mbuji-Maji bekam das Mutter-Denkmal. Und solange die Sonne schien bewachten Soldaten das Mahnmal. Und was geschah in der Nacht? Natürlich kamen irgendwelche Luba und demontierten die Statue. Am nächsten Morgen hatte Kasai kein Mutter-Denkmal mehr. Der Präsident im fernen Kinshasa war außer sich. Der Gouverneur der Provinz wurde sofort entlassen. Wie konnte das passieren? Aber den Luba war das eh egal. Mutter-Denkmal war weg. gut so. Und jetzt ist das Leopold-Denkmal weg. Gut so. So ist halt der Kongo.
Donnerstag, 3. Februar 2005
Immer wieder kommen Nachrichten aus dem Kongo zu uns, die in keiner Zeitung stehen. So jetzt jene, daß am 1.2. Präsident Kagame von Ruanda die MONUC (UNO-Truppen im Kongo) hart attackieren würde, weil diese immer noch nicht die Interahamwe entwaffnet hätten. Dabei hatte die UNO gerade ein paar Tage vorher in der Nähe von Bukavu eine Attacke dieser 1994 geflüchteten Hutu-Milizen erfolgreich zurückgeschlagen und dabei waren 8 Tote zu beklagen gewesen. Doch Mister Kagame war diesmal an die Richtigen“ geraten: Die MONUC erwiderte, Ruanda haben den Ostkongo 7 Jahre besetzt gehalten und dabei seien 60.000 Interahamwe dort gewesen. Während der ganzen Zeit habe man nie gehört, daß Ruanda auch nur ein einziges Mal erfolgreich gegen die Hutu-Milizen vorgegangen sei. Die MONUC dagegen habe in der kurzen Zeit ihrer Anwesenheit im Kivu bereits 10.000 Interahamwe nach Ruanda zurückgeführt. Was nicht gesagt wurde, ist: Der Präsident Ruandas solle doch besser still sein.
Am 2. Februar sind in Goma 10 mißbrauchte Frauen angekommen, dies ist nur der kleinste Teil der Opfer der letzten Vorgänge im Nordkivu. Sie bestätigten, daß sie durch Uniformierte verletzt wurden, die kinyaruanda sprachen. Sie hatten Schlimmstes zu berichten.
Als ob der unseligen Nachrichten nicht genug seien, kommt eine solche aus Uvira, die für uns bei Dialog International wirklich umwerfend ist: Inzwischen gehen viele demobilisierte Kindersoldaten wieder zurück zu bewaffneten Gruppen und zwar aus zwei Gründen: Erstens haben sie Hunger. Nach ihrer Demobilisierung gab es für sie keinerlei Möglichkeiten etwas für ein Einkommen zu tun. Zweitens machten ihre alten Kommandanten Jagd auf diese Kinder, vor allem auch auf Mädchen, die den Soldaten als Sexsklavinnen dienen müssen. Die MONUC hat den General Mbuzy Mabe eingeschaltet, der inzwischen im Südkivu für Ordnung sorgen soll, der sich um die Fälle kümmern soll.
Für Dialog International ist die Nachricht besonders kummervoll, weil unsere Partner in Uvira schon im späten Frühjahr letzten Jahres einen ausgereiften großen Projektantrag für über 200 solche Kindersoldaten vorgelegt hatten, damit sie wieder eingegliedert werden könnten. Kosten: 241.000 Dollar. Aber woher sollten wir soviel Geld nehmen, zumal wir nirgends irgendwelche Möglichkeiten der Finanzierung für solche Projekte fanden? Seit drei Jahren suchten wir ja schon für das Projekt in Walungu... und die öffentlichen Stellen (und die GTZ), welche Möglichkeiten der Hilfe gehabt hätten, zogen sich schließlich mit ihrem Geld in die befriedete Provinz Kindu zurück, weil dort auch Kindersoldaten seien...
Betrüblich ist die Nachricht auch deshalb, weil ein Freund in Uvira, der diesen Antrag geschrieben hatte, diese Woche sich wegen massiver Herzprobleme in ärztliche Behandlung begeben mußte. Ich darf gar nicht daran denken, daß solch eine Nachricht ihm vielleicht das Herz gebrochen haben könnte. Er hat sich wirklich für diese Kindersoldaten einsetzen wollen und wir im reichen Norden haben immer soviel anderes, was uns auch noch wichtig ist....
Dann kam über die BBC noch eine Nachricht aus Kinshasa, die einen am Verstand mancher Leute zu zweifeln Berechtigung gibt. Der kongolesische Kulturminister Christophe Muzungu
hat angeordnet, daß eine Statue des einstigen belgischen Königs und Herrschers über den Kongo Leopold II in der Hauptstadt Kinshasa wieder aufgestellt werden solle. Dieses Monument hat über 40 Jahre in einem Lager zugebracht und der Kulturminister ist der Meinung, es gehöre zur Geschichte des Kongos. Damit hat er sicher recht und zwar so wie Adolf Hitler zur Geschichte Deutschlands gehört. Leopold II. hat aus dem Kongo ein privates Konzentrationslager gemacht und einen Holocaust verursacht, der dem der Nazis ebenbürtig war. Wenn heute im Kongo allerdings jemandem gedacht werden müßte, dann den unzähligen unbekannten Menschen, denen in den Zeiten des unseligen Leopold II die Hände abgehackt wurden, weil sie nicht genug Kautschuk sammelten.
Die Statue war übrigens schon 1967 ausgerechnet von Mobutu als Relikt der Kolonialzeit entfernt worden. So sehr man gegen Mobutu und sein Regime sein kann. Hier hat er wohl mal die richtige Entscheidung getroffen.
Übrigens ist diese Woche die Nummer 200 der Zeitschrift von Dialog International DER PAZIFIST herausgekommen mit Berichten aus dem Kongo. Leser des Tagebuchs“ werden einige schon kennen, aber nicht alle. Die Artikel sind bereits im Internet nachzulesen, auf dieser Website beim Pazifisten“.
Sonntag, 30. Januar 2005
Vor genau 13 Jahren wurde Dialog International gegründet – aber was sind schon 13 Jahre?
Was lesen wir in der Niederschrift der Gründungsversammlung?
Am 30. Januar versammelten sich in Köln 8 Gründungsmitglieder... H.R. eröffnete die Versammlung. Er sagte, daß an diesem Tage vor 44 Jahren der gewaltlose Kämpfer für die Unabhängigkeit Indiens, Mahatma Gandhi, heimtückisch ermordet wurde, ein Schicksal, das er mit dem Freiheitskämpfer für Kongo-Kinshasa, Patrice E. Lumumba, teile. Der gewaltlose Weg habe für die gesamte Menschheit fortdauernde Bedeutung. Als Zeichen der Hoffnung solle an diesem Gedenktag ein Beispiel dafür aufgerichtet werden, daß die Ideen Gandhis keineswegs überholt sind. Der zu gründende Verein habe als wichtigen Zweck sowohl die europäisch-afrikanische Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe als auch die Friedens- und Konfliktforschung, eine Aufgabe, die gerade auch für das von schrecklichen militärischen Auseinandersetzungen geschüttelte Afrika noch große Bedeutung habe. So sollten denn dieser Zweck und die Tätigkeitsbereiche des zu gründenden Vereins auch im Geiste der Gewaltlosigkeit Gandhis gefördert werden, die dieser ja zuerst auf dem afrikanischen Kontinent entwickeln konnte.
Außerdem solle die Zusammenarbeit auf der Grundlage der Gleichberechtigung geschehen, zwischen Zairern und Deutschen...“
Bei der anschließenden Gründungsversammlung wurde Prof. Mbaya zum 1. Vorsitzenden gewählt und hat dieses Amt bis zu seiner Rückkehr nach Kinshasa ausgeübt. Leider ist Prof. Mbaya am 3. Oktober 2001 allzu früh verstorben.
Schon wenige Tage nach der Gründung waren wir mittendrin in den damals schon turbulenten Ereignissen im Kongo. Mitte Februar 1992 fand in Kinshasa eine große Demonstration für die Demokratisierung von den Christen statt, die plötzlich von den Soldaten Mobutus ganz brutal zusammengeschossen wurden, mit einigen Toten und vielen Verletzten.
Und nochmal 2 Wochen später hatten wir ebenfalls in Köln unsere erste große Tagung mit Gästen aus der kongolesischen Diaspora. Mir ist davon noch in Erinnerung geblieben, daß uns die Staatskanzlei NRW seinerzeit einen damals großzügigen Zuschuß von über 2.000 Mark zugesagt hatte und wir dann so sparsam wie möglich wirtschafteten und ausgezahlt bekamen wir ganze 60 oder 70 Mark. Uns wurde erklärt, daß wir ja offenbar alles selbst finanzieren könnten.. Des Rätsels Lösung: Die versprochene Zuwendung des Landes nannte sich Fehlbedarfsfinanzierung“ und weil wir wegen der Sparsamkeit einen bestimmten vorher schon festgelegten Prozentsatz unter dem geplanten Budget geblieben waren, wurde uns amtlicherseits beschieden, daß ja gar kein Fehlbedarf vorhanden sei und somit auch (fast) kein Zuschußbedarf. Mit anderen Worten, hätten wir üppiger“ gewirtschaftet, so hätten wir auch den Zuschuß bekommen. So sind unsere Behörden. Natürlich fehlte uns trotzdem ein hoher Betrag und wir mußten schließlich unsere Mitgliedsbeiträge im ersten Jahr fast ausschließlich zur Begleichung der Kosten dieser Tagung aufwenden. So begann die Arbeit von DI finanziell ganz betrüblich. Inzwischen hat sich da manches entspannt und bisher waren die staatlichen Zuschüsse oft eine gute Hilfe bei der Realisierung der vielen Projekte, die wir im Laufe der Jahre realisieren konnten.
Freitag, 28. Januar 2005
Heute kam eine Nachricht aus dem Projekt für mißhandelte und vergewaltigte Frauen in Ciherano, ein paar Dutzend Kilometer östlich von Bukavu, hoch oben in den Bergen. Dialog International arbeitet dort mit den Mamans UMOJA zusammen, die 350 Frauen in das Projekt aufnehmen konnten. Die Leiterin der Organisation, eine sehr engagierte junge Frau, schreibt:
Wir waren sehr damit beschäftigt, Solidaritätsgruppen zu organisieren. Dies war nicht einfach, weil die vergewaltigten Frauen nicht öffentlich bekannt werden möchten. (Diese Gruppen sind nötig für die Verwaltung der Mikrokredite.) Gleichzeitig haben wir weiterhin medizinische Hilfe geleistet. Ab sofort planen wir bis März die Ausgabe von Hacken, Saatgut und Sets mit Haushaltsgerät und danach Haustiere. Bis jetzt läuft alles nach Plan. Die wichtigste Arbeit bleibt nach wie vor, die vergewaltigten Mädchen und Frauen in Gruppen zusammenzufassen.
Ein anderes großes Problem kommt auf uns zu durch die Bitten von Frauen von Walungu, Ibona
und Izege Kaniola, wo bis heute die Interahamwe (seit dem Massaker 1994 geflüchtete ruandische Hutu-Milizen) damit fortfahren, täglich Frauen und Mädchen zu vergewaltigen. Sie mißbrauchen sie als Sexsklavinnen. Ihre Ehemänner werden normalerweise deportiert bzw. entführt und die Interahamwe verlangen Geld für die Freilassung und zwar zwischen 100 und 200 $. Letzte Woche wurden sieben Männer von Cikuro nach Ninja in den Regenwald entführt, wo die Interahamwe hausen. Gleichzeitig stellen wir fest, daß die AIDS-Rate unter den vergewaltigten Frauen rapide zunimmt....“
Dialog International plant ohnehin eine Aufstockung des Projektes, weil auch in anderen Regionen durch den Junikrieg 2004 viele Frauen vergewaltigt wurden – und jetzt diese Nachricht. Was können wir tun? Welche Nachwirkungen hat unterlassene Hilfeleistung, die beim Massaker in Ruanda vor über 10 Jahren durch westliche Mächte, die über die UNO die Möglichkeit dazu hatten, gerade nicht stattfand.... Bis heute muß nicht nur das ruandische Volk, sondern auch das kongolesische Volk im Osten des Landes bitter dafür zahlen.
Dienstag, 25. Januar 2005
Ich bin am 20 November 2004 in Kigali angekommen, und unser Flugzeug landete gegen 21.30 h. Am nächsten Tag bin ich zum Flughafen gegangen, um Heinz und Kapuya zu empfangen, die mich seit 20 Minuten in der Flughafenhalle erwarteten.
In der Erwartung, das Taxi nach Bukavu zu nehmen, sind wir auf einen kleinen Imbiss zu einem Mitglied von AMIZERO gefahren, und das erlaubte uns, auf die Abfahrtzeit zu warten.
Um 8.00 h haben wir den Taxibus in Richtung Cyangugu genommen, wo uns einige Mitglieder der Gruppe erwarteten. An der Grenze wurden die Formalitäten sehr schnell und ohne Probleme erledigt. Nachdem wir unsere Sachen im CAP abgelegt hatten, wo wir logieren sollten, wurde uns ein großes Abendessen von den Mitgliedern von DIALOG“ angeboten.
Am selben Abend gab uns B. zu verstehen, daß ich nicht an der Delegation teilnehmen könnte, die nach Luhwindja fahren wollte, denn auf der Strecke gebe es Interahamwes; dies sei für meine Person gefährlich.
Mit ein wenig Zögern habe ich mich doch gefügt, und am nächsten Tag, als die andern nach Luhwindja gefahren waren, ging ich in die Stadt, um K. und D. zu treffen und endlich einen Plan für meinen Aufenthalt zu machen.
Zurück zum CAP erfuhr ich, daß es Leute von der 10 Militärregion gab, die gekommen waren, um mich zu suchen, 10 Minuten nach unserem Weggang. Beunruhigt ging ich zum Leiter des CAP, der mir versicherte, die Militärs seien sicher gekommen, um jemanden zu suchen, der vor mir in meinem Zimmer gewohnt habe.
Am nächsten Morgen um 6 Uhr kamen drei Leutnants von der 10. Militärregion, um mich festzunehmen, mit einem Befehl, der besagte, daß ich eine eingeschleuste Ruanderin sei. Mit Angst bin ich in einen Jeep mit Allradantrieb eingestiegen, den sie für diese Gelegenheit gemietet hatten und den ich in Folge selbst habe bezahlen müssen.
Nachdem ich an verschiede Orte geführt worden war, die ich selbst nicht kannte, obwohl ich doch annahm, Bukavu zu kennen, (Anmerkung: Emeritha ist in Bukavu/Cyangugu aufgewachsen) hat man mich zur 10. Brigade mitgenommen, wo ein Major anfing, mich über mehrere Stunden zu verhören, und diese Verhör hatte keinen Bezug zu dem, was mich als infiltriert“ qualifiziert hätte.
In der Zwischenzeit fingen die Leute vom CAP an, mich überall zu suchen (der Leiter). Der Major sagte dem Leiter des CAP, er werde mich freilassen, er solle sich beruhigen. Nachdem sie meine Papiere genommen hatten und damit ich nicht die Nacht im Gefängnis verbringen musste, habe ich am Abend um 19.30 h dreihundert Dollar zahlen müssen und 50 Dollar für diesen berühmten Transport im Allradantrieb-Wagen. Sie haben mich selbst zum CAP zurückgebracht und gesagt, am nächsten Morgen müsse ich um 7 Uhr wieder vorstellig werden.
Weil wir schon das Programm dieser Tage ausgearbeitet hatten, haben K. und D. gegen 16 Uhr von meiner Festnahme erfahren, aber das Programm war schon festgelegt. Als aber die Frauen der Basisgruppen von meiner Festnahme erfuhren, wollten sie vor der 10. Militärregion protestieren. Unterwegs erfuhren sie dann, dass ich feigelassen war.
Am nächsten Tag habe ich mich um 8.00 Uhr mit K. und D. gemeldet, wie der Major es gefordert hatte. Als aber K., D. und der Leiter des CAP ihnen beigebracht haben, sie würden mein Konsulat einschalten, weil ich nämlich belgischer Nationalität sei und daß all dies Konsequenzen zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Belgien zur Folge haben werde, ließen sie mich dann frei, da war es schon spät (18 Uhr).
Beim Weggehen von dort erklärte mir einer der Leutnants, die mich festgenommen hatten, dies sei ein Coup von unseren Mitarbeitern in Bukavu gewesen, die meine Anwesenheit nicht haben wollten, um meine Arbeit am Ort zu neutralisieren. Das wurde noch einmal bekräftigt durch den Chef der Einwanderungsbehörde, als ich meine Visa erneuern ließ.
Gruppenbesuche:
Ich habe mit der Basisgruppe AMANI angefangen, die mir einen bitteren Geschmack von dem vermittelten, was sie während des Krieges (Anm.: im Juni 2004) erlebt hatten. Während der ganzen Unterhaltung haben die Frauen nicht aufgehört zu weinen, indem sie mir von den Grausamkeiten erzählten, die sie erlebt hatte.
Sie wurden auch in ihren Häusern und auf dem Markt geplündert, all ihre Seife und auch einige Materialien für die Seifenherstellung wurden ebenfalls geplündert. Es blieb nur die Maschine zur Seifenherstellung übrig, die Plünderer nicht mitnehmen konnten, weil sie zu schwer war. Sie hatten das Glück, auch ihre Nähmaschinen zu bewahren. Trotzdem konnten sie einiges Material kaufen, um wieder die Seifenproduktion aufzunehmen.
Ich besuchte die Gruppe AMICALE.
Weil dies junge Mädchen/Frauen sind, wollten sie nicht offen über ihre Erlebnisse während des Krieges berichten, solange sie in der Gruppe waren. Jede wollte mich einzeln sprechen, um nicht von der Gesellschaft oder von ihrer Familie verstoßen zu werden. Die Anzahl der Vergewaltigungen war zahlreicher in bezug auf das, was WOTE PAMOJA uns in seinem Bericht geschickt hatte. Dieses Vertrauen, das sie aufbrachten, um mir ihre Leiden zu erzählen, verdankt sich der Tatsache, daß ich eine Frau bin und vor allem eine Fremde, die von außen kommt. Sie machen aber weiter damit, nähen zu lernen und Taschen aus Leder herzustellen.
Ich besuchte die Frauen von AFENYA.
Wie die andern auch, mussten sie die Auswirkungen des Krieges (Plünderungen, Vergewaltigung usw.) kennenlernen. Für sie ist es schwierig, sich zu offenbaren, denn ihr rotierender Kredit, den man ihnen gegeben hatte, existierte nicht mehr, da er vernichtet wurde mit den Gegenständen, die sie auf dem Markt von Kadutu bei sich hatten, der geplündert worden war.
Die Frauen von AVECI lernten dieselben Probleme kennen; aber es gelang ihnen doch, für ihren Unterhalt zu sorgen, weil ihre Strick- und Nähmaschinen nicht geplündert worden waren. Um sich wieder Strickgarn zu besorgen, haben sie ihre Kasse ausgeschöpft, um sich wieder Strickgarn zu beschaffen und Gewebe, um Stickereien anzufertigen usw.
Beim Besuch der Gruppe FUD stellte ich fest, daß sie dieselben Probleme kannten wie die anderen Gruppen. Nichtsdestoweniger versuchten sie, für ihren Unterhalt recht und schlecht zu sorgen mit ein bißchen Schneiderei, Viehzucht und kleines Handelsgeschäfte.
Nach all diesen Besuchen haben wir mit Heinz und Kapuja zusammen die Projekte besucht, die nach dem Krieg von diesen Basisgruppen durchgeführt wurden und übrig blieben
Nachdem am Freitag die anderen das Flugzeug nach Deutschland genommen hatten, fuhr ich nach Shangi (Ruanda) zu unserer Gruppe ABATWESEHAMWE: Obwohl sie nicht vom Krieg berührt waren, jedoch ganz nahe an der Grenze lebten, haben sie die Auswirkungen des Krieges indirekt zu spüren bekommen.
Sie haben viele ihrer Verwandten aufgenommen, die aus dem Kongo kamen, mindestens 4 Personen pro Familie.
Wirtschaftlich sind die Preise für alle Sachen in die Höhe gegangen, und die Kinder, die im Kongo zur Schule gingen, sind dank der MONUC zurückgekommen.
Ich konnte ihnen helfen, indem ich ihnen Geld für 10 Ziegen daließ, im Hinblick darauf, daß dies das einzige Projekt war, das sie TWESE HAMWE vorgestellt haben.
Ich konnte die Basisgruppe AMIZERO (Ruanda) besuchen.
Sie entwickelt sich normal. Ich habe ihnen auch ein bißchen Geld dagelassen, um sich vier Ziegen der verbesserten Zuchtrasse zu kaufen.
Im Augenblick versuche ich, die Mitglieder der Gruppe INKINGI aufzufinden, die sich nach den Informationen im Lager von Cyangugu und an der Grenze von Burundi zum Kongo aufhalten. Ich habe indes erfahren können, daß es nur wenige Überlebende unter ihnen gibt. Ich bleibe dabei, diese wenigen Überlebenden zu suchen, um ihnen mit den wenigen Mitteln zu helfen, die ich habe. Danach kann ich zurückkommen.
Montag, 25. Januar 2005
Tsunami und Folgen sind für die Betroffenen schrecklich – kein Zweifel. Für manche mag ein Trost sein, daß die Weltöffentlichkeit in der nachweihnachtlichen Zeit außergewöhnlich großherzig für Hilfsmaßnahmen gespendet hat. Man hatte zeitweise den Eindruck, in Deutschland sei ein Wettrennen zwischen Spenderorganisationen zugange. Jede, die irgendwie in Asien Projekte hat, versuchte, etwas von dem beträchtlichen Kuchen abzubekommen.
Für Afrika fielen noch nicht einmal Krümel ab. Allein bei Dialog International ist die Unterstützung der Kongoprojekte seit Tsunami fast abrupt abgebrochen. Jan Egeland von der UNO hat Anfang Januar schon versucht, auf internationaler Ebene gegenzusteuern und große seriöse Zeitungen haben seinen Appell, bei aller Not in Asien Afrika nicht zu vergessen, abgedruckt. Doch nichts hilft. Wir hörten von der absurden Situation, daß Organisationen für Asien zu viele Spenden bekommen haben, die sie gar nicht sofort ausgeben können und vor allem auch nicht in anderen Projekten, weil sie ja zweckgebunden sind. Das Phänomen ist unbegreiflich: Dort, wo der Mainstream“, wo die Scheinwerfer, der Medien künstliches Licht hinfallen lassen, dort sind die Chancen viel größer, daß geholfen wird. Alle anderen fallen der Vergessenheit anheim. Wer spricht schon über die 3,8 Millionen Toten, die in den letzten 7-8 Jahren die beiden Kongokriege gefordert haben? Wer weiß überhaupt noch, daß von 1885-1908 sich die Bevölkerung der Privatkolonie Leopolds II von Belgien in Zentralafrika sich um die Hälfte reduziert hat, wegen der unglaublichen Brutalität der Herrschaft des philantropisch gesinnten Königs? War da was?
Vor einigen Tagen fand ein Ruandatag der VEM statt, der in familiärer Atmosphäre Ruanda- und Kongofreunde vorwiegend aus dem kirchlichen Bereich vereinte, vor allem Mitglieder der deutschen Partnerkirchenkreise. Natürlich kann kein Ruandatag stattfinden, ohne irgendwie der Massaker von 1994 zu gedenken und auch hier wurde betont, daß die Politik der nördlichen Industriestaaten Ruanda gegenüber vom schlechten Gewissen geprägt ist, wegen unterlassener Hilfeleistung 1994. Das macht blind gegenüber einer ziemlich imperialistischen Politik der entwicklungshilfe-gestützten englischsprachigen Tutsi-Regierung in Kigali, die selbst nur indirekt von den 1994-Massakern betroffen war, weil sie erst danach die Regierung übernahm. Ihre Aufgabe im Inland ist sicherlich nicht zu beneiden. Die Bewältigung der Traumata kann aber keine Regierung anordnen, doch wäre den Menschen schon gedient, wenn sie etwas mehr sogenannte bürgerliche Freiheiten genießen könnten und sich – ebenso wie die Kongolesen – ohne Einschränkungen in Nichtregierungsorganisationen zusammenschließen könnten. Hier mißtraut die Regierung dem Volk offenbar massiv und handhabt Genehmigungen ziemlich restriktiv. Und außerdem mischt sie sich allzu sehr in die Angelegenheiten im benachbarten Kongo ein. So sehr die Forderung nach einer Neutralisierung der bewaffneten Interahamwe/Hutu-Flüchtlinge im benachbarten Kongo auch berechtigt ist, so wenig hat sich die ruandische Besatzungsherrschaft im Ostkongo in den letzten Jahren genau darum bemüht, obwohl dies offizieller Einmarschgrund in den Kongo war. Ein Thema, das hier schon seit langem beklagt wird.
Doch eine Seite ist die ruandische Regierungspolitik, welche ihre Kongo- und Afrikapolitik betreibt und die andere Seite ist das ruandische Volk, welches in der Regel keine Probleme mit den Nachbarn hat und umgekehrt gibt’s eigentlich auch keine gravierenden Probleme von Kongolesen mit Ruandesen. Die Partnerschaftskreise versuchen nun Begegnungen zwischen Ruandern und Kongolesen und insbesondere auch Banyamulenge und übriger kongolesischer Bevölkerung in den dortigen Partnergemeinden zu fördern. Ein sehr erfreuliches Vorhaben, dem man nur gutes Gelingen wünschen kann.
Sonntag, 23. Januar 2005
Schon wieder ein längere Lücke im Tagebuch. So als ob nichts gewesen wäre. Dabei haben wir am Dienstag z. B. mit einigen Lehrern zusammengesessen: Am 15. März wird’s wieder eine Lehrerfortbildung geben zum Thema Schulen entdecken Solarenergie“. Wir haben intensiv das Programm beraten, bei dem vor allem ein Erfahrungsaustausch im Vordergrund stehen soll. Vier Wochen später soll in Köln-Deutz zum selben Thema eine Schulkonferenz sein. Da ist noch viel vorzubereiten.
Am Mittwoch gab’s in Bonn ein Planungsgepräch über unsere BMZ-Projekte in diesem Jahr. Wir hoffen, kurz und knapp gesagt, folgende Projekte durchführen zu können: In Luhwinja soll endlich die Wasserleitung für 28.000 Menschen gebaut und außerdem sollen dort Obstplantagen angelegt werden. Und in den nächsten Jahren ist geplant, ganz viele Aktivitäten in eine Genossenschaft einzubringen.
Im gesamten Kivu planen wir weitere Wiederaufforstungen, vielleicht auch in Bukavu, jedoch in der Stadt weniger Aufforstung als Kampf gegen die Erosion, die dort wirklich am schlimmsten ist, viel schlimmer als überall sonst in der Provinz. Dafür eignen sich auch andere Futterpflanzen z.B., die zudem noch nützlich sind für kleine Haustüre.
Im UNO-Jahr der Mikrokredite hoffen wir außerdem nochmal einen Kreditfonds für Frauengruppen auflegen zu können, insbesondere aber auch weitere vergewaltigte und mißhandelte Frauen sollen in ein Hilfsprogramm kommen. All dies im Kivu.
In Kinshasa soll ein Projekt für Kindermütter gefördert werden.
Außerdem hoffen wir, in Kürze wenigstens ein kleines Kindersoldatenprojekt beginnen zu können, in Burhinyi, wo unsere zweite Wiederaufforstung stattfindet, mit Unterstützung eines privaten Geldgebers. Wir können nicht warten, bis vielleicht eine öffentliche Stelle Unterstützung gibt. So müssen wir klein anfangen, zumal uns signalisiert worden ist, daß wir mit einem Zuschuß rechnen können. Normalerweise setzen wir solche Zuschüsse als Eigenmittel“ in öffentlich geförderte Projekte ein, aber bei den laufenden Kindersoldatenanträgen ist offenbar leider so schnell nichts zu erwarten.
Aus Burhinyi hören wir, daß die erste Phase der Aufforstung beendet ist. Man hat 27 km Straßenränder mit Bäumchen bepflanzt, damit die Menschen in einigen Jahren ihre Wege im Schatten gehen können. Dabei haben viele Menschen aus Burhinyi beim Transport der Setzlinge und beim Graben der Pflanzlöcher geholfen. Diese Woche soll als zweite Stufe die Bepflanzung der seitlichen Hänge eines großen Tals kommen, die bereits letzten Herbst dafür vorbereitet worden waren.
In Bukavu fand letzte Woche ein Seminar statt, bei dem 36 Frauen eine Ausbildung im Färben von Stoffen (Batik) bekommen haben und zwar von 36 anderen Frauen, die dies bereits kennen. Sie werden wieder andere Frauen anlernen. Danach bekommen in 4 Gruppen jeweils 31 Frauen eine finanzielle Unterstützung, damit sie Stoffe, Farbe und Produktionsmaterial anschaffen und dadurch ein eigenes Gewerbe beginnen können – damit können sie gegen ihre Armut kämpfen“, schreibt unser Partner. Konkret heißt dies, diese Frauen erwirtschaften in absehbarer Zeit dauerhaft ein eigenes Einkommen. Das Projekt wird zu 75 % vom Land NRW gefördert, den Rest gibt Dialog International aus Spendenmitteln dazu. Insgesamt rund 8.000 Euro.
Aus Bukavu schreibt Emmanuel noch eine interessante Überlegung, die er in Deutschland auf der Jahrestagung des Internationalen Versöhnungsbundes mit einer Dame diskutiert hat, nämlich ein Diskussionspapier über die Stellung der Geschlechter. Jetzt beginnen unsere Freunde in Bukavu in ihre Projekte auch Ehemänner zu integrieren und siehe da, dies hat einen großen Erfolg. Seitdem werden viel mehr Frauen in den Mikrokreditgruppen von ihren Ehemännern unterstützt. Vorher hatten diese gar nicht richtig verstanden, was ihre Frauen da in den Gruppen überhaupt machen.
Ein weiteres Thema, das wir mit Bukavu diskutieren, ist die Frage der Alphabetisierung von Frauen. Ich weiß gar nicht, ob ich früher einmal berichtet habe, daß wir bei den meisten der vielen vielen Frauengruppen, die wir besucht haben, auch fragten, wie viele der anwesenden Frauen denn Lesen und Schreiben könnten. Und dann meldeten sich jeweils höchstens eine Handvoll, von manchmal über 100 Frauen. Und die anderen haben uns versichert, daß sie sehnlichst wünschten, auch Lesen und Schreiben zu lernen. Ganz zu Beginn der Arbeit von Dialog International im Kongo hatten wir in Luhwinja mal im Zusammenhang mit dem Frauenprojekt für Nähen und Stricken ein Alphabetisierungsprogramm. Damals hatten rund 100 Frauen Lesen und Schreiben gelernt. Ganz aktuell ist das Thema im Zusammenhang mit den geplanten Wahlen im Kongo. Die Frauen würden gerne an die Wahlurne gehen und den Wahlzettel gerne selber lesen können. Sie wollen nicht unbedingt die Partei ihres Mannes oder einer sonstigen Hilfsperson wählen. Sie wollen sicher sein, daß sie die Partei wählen, die sie wirklich ausgewählt haben. Inzwischen liegen uns bereits Anträge für Alphabetisierungskurse vor. Allein eine Organisation nördlich von Bukavu möchte über 500 Frauen alphabetisieren und noch viele wollen dazu kommen. Eins ist klar: Dialog International kann nicht in den nächsten Monaten sämtlichen Analphabeten im Kivu Lesen und Schreiben beibringen.
So kam ein Freund auf die Idee, auf das indische Wahlsystem hinzuweisen. Dort werben die Parteien auch mit optischen Symbolen, nicht nur mit Buchstaben, und so wissen auch Analphabeten, daß ihre Partei z.B. die Partei des Huhns oder des Vogels oder des Elefanten ist und haben kein Problem, an der Wahl teilzunehmen. Und um Problemen der Registrierung aus dem Weg zu gehen, muß jeder indische Wähler seinen Finger in eine Tinte stecken, die für ein paar Tage haften bleibt: Eine Garantie, daß am selben Tag nicht zweimal von derselben Person gewählt wird. Inzwischen wird dieses Beispiel in der kongolesischen Zivilgesellschaft diskutiert - und wir müssen nicht bis zu den Wahlen das Problem der Frauenalphabetisierung gelöst bekommen.
Ob der Kongo seine Lösung für Analphabeten bis zu den nächsten Wahlen findet? Natürlich sollen auch Alphabetisierungskurse für Frauen stattfinden. Aber gefördert bekommen wir das nicht ohne weiteres, höchstens im Zusammenhang mit anderen Frauenprojekten.
Warum sind im Kongo viel mehr Frauen als Männer Analphabeten? Die Antwort ist einfach: Schule kostet Geld. So kann nicht jede Familie alle Kinder zur Schule schicken. Und für viele Eltern haben Jungs Vorfahrt. Eigentlich ein Denkfehler, weil die Mädchen im späteren Leben sehr viel mehr Verantwortung übernehmen als Jungs. Es sind die Frauen, die im Kongo die meisten Lasten tragen – und zwar nicht nur körperlich, sehr sehr viel weniger die Männer...
Donnerstag, 13. Januar 2005
Auch heute nochmal ein Bericht von der Reise, eine Vertiefung der Tagebucheintragung vom 30. November letzten Jahres, nämlich über den Besuch bei den Pax-Christi-Gruppen in Bukavu:
Pax Christi Bukavu ist keine Gruppe mit einer Handvoll Aktiven, die in einem Hinterzimmer den Frieden aushecken wollen. PCB ist ein Netzwerk mit 17 Einzelgruppen im Einzugsbereich der Großstadt Bukavu, die, wie uns gesagt wurde, zusammen 3.159 Mitglieder haben, davon 1.216 Kinder, viele davon Straßenkinder, die meisten anderen sind Frauen, darunter zahlreiche Witwen.
Das Komitee, welches dieses Netzwerk koordiniert, ist NSF/PCB. Ein weiteres Netzwerk vergleichbarer Größenordnung, aber im gesamten Kivu tätig, ist Dialog International Bukavu, jedoch mit völlig verschiedener Struktur und – in einem etwas kleineren Rahmen – Twese Hamwe Bukavu, dessen europäische Mutterorganisation“ in Mönchengladbach zum Bereich Pax Christi Aachen gehört.
Von den 17 Gruppen, die zum PCB-Netzwerk gehören, haben wir am 30. November 2004 neun Gruppen besucht. Anschließend hatten wir im Büro von PCB, in der Nähe der Kathedrale, wo eine Bürogemeinschaft mit DIB und ADMR (Action pour développement de milieux ruraux) besteht, ein Abschlußgespräch mit Flavien, Angelique u.a., bei dem ich z.B. auf die spirituelle Struktur der PC-Bewegung hinwies und empfahl, NSF-PCB möge für diese gute Arbeit auch einen geistlichen Beistand nominieren, was auch als realistisch angesehen wurde, zumal zum Freundeskreis auch einige katholische Priester gehören.
Im Zentrum Bukavus hatten wir am frühen Morgen die Gruppe Femmes Vouées au Travail/FEVOT besucht, die in einem winzigen Hinterhof – immerhin im Schatten eines Avocado-Baumes (der einzige Baum weit und breit), eine Batik-Tuchfärberei betreibt und außerdem Seife herstellt. Die Frauen waren eifrig bei ihren Arbeiten und zeigten uns stolz die Produktion. Etwas Schutz bietet noch ein Bretterverhau, doch der gesamte Boden des Hinterhofes war nach dem nächtlichen Regen butterweich. Das gesamte Ensemble hing am Hang, wie drei Viertel der Bauten in Bukavu und ist extrem erosionsgefährdet.
Die Gruppe ISFB (Initiative pour la solidarité féminine à la base) hat sehr viele Mitglieder und einen Stützpunkt, weit außerhalb der Innenstadt, in einem südlichen Vorort. Das dichtbesiedelte, weite, fruchtbare Tal, hoch über dem Ruzizi-Fluß, der sich vom Kivu- zum Tanganjikasee durch undurchdringliche Schluchten schlängelt, macht von ferne einen ganz aufgeräumten und fast behäbigen Eindruck. Doch dieses Bild täuscht. Aus der Nähe betrachtet, sehen wir überall die ärmlichen Hütten, die weitgehend die Außenbezirke von Bukavu prägen. Mittendrin zwei etwas, aber wirklich nur etwas, größere Gebäude von jeweils vielleicht allerhöchstens 50 qm Umfang im Rechteck mit Strohdach und drei winzigen Fenstern. Und diese Gebäude waren gepackt voll mit Grundschülern, die in den jeweils drei winzigen Klassenräumen dicht an dicht auf Stangen saßen und vor denen ebenso kleine Bretter die Schreibpulte darstellten. Mein allererster Eindruck war aber: O Schreck, die Kinder werden demnächst alle eine Brille brauchen“, als wir in den düsteren Klassenraum eintraten, mit eine Lichtquelle von der Größe eines deutschen Kellerfensters.
Insgesamt rund 200 Straßenkinder werden in diesen Räumlichkeiten unterrichtet. Es gibt keine Eltern, welche die Lehrer unterstützen. Der Staat sowieso nicht. Einige Lehrer haben einen Nebenerwerb. Außerdem waren die Kinder eifrig damit beschäftigt, die Grußkarten aus Bananenblättern zu üben (die kleineren, also die meisten) und herzustellen (die etwas älteren), die aus Deutschland bestellt worden waren. Offenbar ist dies die wichtigste Einnahmequelle der Schule. Ansonsten, so wurde betont, arbeiten die hier tätigen Lehrer aus Idealismus, damit die Kinder von der Straße runterkommen. Die meisten anwesenden Kinder sind im Grundschulalter, vielleicht ein oder zwei Dutzend Jugendliche dabei.
Die Schule hat keinen Freiraum rund um die Hütten, wo die Kinder mal toben könnten. Die Nachbarhütten stehen wenige Meter daneben und die Nachbarn würden sich Kinderlärm von dieser Schule verbitten, wurde uns gesagt. Aber afrikanische Kinder sind ohnehin unendlich lernbegieriger als europäische Kinder und vielleicht glücklicher in der Schule zu sitzen und nicht draußen ...
Wenn ein Projekt bevorzugt unterstützt werden sollte, das war mein zweiter Gedanke – nach dem Schrecken über die schummrigen Klassenräume – dann dieses Schulprojekt. Wo sonst auf der Welt lernen 200 Schüler unter dem Zeichen von Pax Christi in einer richtigen Schule? Denn das war dies zweifellos, so ärmlich sie auch war. Die Kinder hatten sicherlich noch nie vorher einen Gast aus Europa gehabt und wenn sich mal ein brauner Fleck auf den Karten findet, die Sie, liebe Leserin, lieber Leser, vielleicht in der Weihnachtszeit oder zu sonstiger Gelegenheit in Deutschland versenden, so ist das höchstwahrscheinlich afrikanische Erde, weil auch hier der Fußboden der Klassenräume aus nichts anderem besteht als rotbrauner Erde und die Kinder keinerlei Waschbecken kennen und kein fließendes kaltes Wasser, warmes schon mal gar nicht. Wasser muß von einer entfernten Wasserstelle geholt werden, in gelben Kanistern.
Zurück in der Innenstadt besuchten wir die Gruppe AJAP (Association des jeunes amis de la Paix). Das Haus stand an einem Abhang neben der Straße, die Hälfte des Raumes von vielleicht 30 qm stand schon auf Stangen und hatte einen schwankenden Bretterboden. Eine wacklige Treppe führte in das Untergeschoß, welches auch durch die Bretter zu sehen war. Auch diese Räume gepackt voll mit vorwiegend jungen Menschen – die Gruppe hat insgesamt 60 Kindermütter, Witwen und verheiratete Frauen, sowie 20 vorher umherstreunende jugendliche demobilisierte Kindersoldaten. Letztere waren ganz offensichtlich völlig integriert und hatten in einer Ecke dieses Raumes bei AJAP offensichtlich eine sinnvolle Arbeit gefunden: Mit einer urtümlichen alten Maschine stellten sie Lederwaren her: Gürtel, Geldbörsen, Handygürteltäschchen, so schön, daß ich spontan eine etwas größere Bestellung aufgab. Die Frauen im restlichen Raumteil und im Tiefgeschoß nähten und strickten eifrig für den lokalen Markt. Einige stellten auch Kunstgewerbeartikel her.
Anschließend besuchten wir die Gruppe Veuves de la Cathedrales, die – ebenso wie die erste Gruppe FEVOT – mit professioneller Tuchfärberei beschäftigt war und einen kleinen Handel betreibt. Sie hat 113 Witwen als Mitglieder.
Kurz später waren wir auf einer Stippvisite bei EPO (Eleveurs des Porcs), bei der ich als Vegetarier einen schweren Stand hatte, weil die Gruppe Schweine- und Hühnerfleisch brät, um dies kurz später frisch auf dem Markt zu verkaufen. 40 Frauen und 10 Männer haben so immerhin ein bescheidenes Auskommen.
Ebenfalls in einem kleinen einfachen Industriegebiet sind 40 Kindermütter der Gruppe AFID (Action de la fille-mère pour son Intégration et son développement) mit Strickarbeiten, Stickerei, Schneiderei und Kleinhandel tätig.
Dann fuhren wir noch einmal in einen – jetzt nördlichen – Vorort von Bukavu, vorbei am Kivusee und dem kleinen Hafen, wo die Boote nach Goma ablegen und vorbei an der Primus-Brauerei und der berühmten Arzneimittelfirma Pharmakina, welche tropische Heilpflanzen professionell anbaut und weltweit vertreibt und glücklicherweise vom Krieg verschont geblieben ist.
Dann ging’s wieder hoch hinaus in die Berge zur Siedlung Bagira. Plötzlich umwehte uns der Flair der Fünfziger Jahre – offensichtlich waren die winzigen Reihenhäuschen noch in belgischer Zeit erbaut worden, vom Zugfenster nach Brüssel sah man früher ähnliche Architektur. In Bagira werden die Häuschen seither abgewohnt. Einen funktionierenden Handwerksstand gibt’s ja auch nicht und wenn Reparaturen angezeigt sind, können die Bewohner sie meist nicht bezahlen. Die Reste der befestigten Straße waren an einer Stelle durch Erosion komplett abgerutscht und im Tal unten, etwa 100 Meter tiefer noch zu besichtigen. Unser Jeep mußte sich an dieser Stelle seinen Weg elegant durch den einstigen Vorgarten zurück auf die Fortsetzung der Straße bahnen. Ganz am Ende der Reihenhaussiedlung oder was davon übriggeblieben war, sind fast als Nachbarn in jeweils einem Hausteil die zwei dortigen PCB-Frauengruppen tätig: Eine davon ist Filles de Sante Agnes, ebenfalls mit Schneiderarbeiten, Stickereien und Strickerei befaßt. Aber diese 45 Kindermütter, welche die Gruppe bilden und bei unserem Besuch wenigstens teilweise die winzigen Räume bevölkerten, verstehen sich als Spezialität noch auf das Brauen von Bananenbier, was eine zusätzliche Einnahmequelle darstellt. In dieser Gruppe zirkulieren im übrigen auch Mikrokredite.
Die Nachbargruppe, fast gegenüber auf der anderen Straßenseite ist AMVS (Association de mamans veuves Spéciales de Bagira) Hier fanden sich im Hinterhof ein paar Schweine- und Hühnerställe und ansonsten wurde auch hier eifrig genäht und gestrickt. Die Gruppe hat 60 weibliche und 10 männliche Mitglieder. Diese Gruppe hat eine Erfahrung bei der Verteidigung von Frauenrechten.
Unmittelbar neben und im Büro von NSF/PCB, welches wir am späten Nachmittag aufsuchten, sind 20 Mädchen der Gruppe Filles de la Paix ebenfalls mit Schneiderei und Stickerei beschäftigt. Insbesondere waren hier in einem Raum des Bürogebäudes zwei Frauen an den Strickmaschinen tätig, die einst aus Köln nach Bukavu transportiert worden waren. Die übrigen Frauen arbeiteten draußen, neben dem Gebäude, in einem offenen Bretterverschlag.
Es gab noch eine Reihe von weiteren Gruppen, die wir aus zeitlichen Gründen nicht besuchen konnten. Bei allen besuchten Gruppen hielt ich eine kurze Begrüßungsrede, übermittelte Grüße von PC Köln, erzählte ein bißchen von der Arbeit von Pax Christi und von der Zusammenarbeit mit Dialog International, meist auf englisch, was dann in die Lokalsprache kisuaheli oder hin und wieder auch auf mashi übersetzt wurde.
Natürlich sind viele der Gruppen in Bereichen tätig, die hierzulande als sozialer Brennpunkt“ gelten. Doch die Arbeit ist nicht wirklich mit europäischer Sozialarbeit zu vergleichen: Alle, aber auch wirklich alle Gruppen, die ich sah, waren überaus fleißig tätig und versuchten etwas für ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Die Produkte werden von Gruppenmitgliedern auf einigen der winzigen Marktstände angeboten, die allüberall in Bukavu von früh bis spät an den Straßenrändern zu finden sind.
Meist sind es die Leiterinnen und über sie einzelne Mitglieder, welche an den friedenspolitischen Themen von Pax Christi Interesse haben. Sie beteiligen sich dann z.B. an den Aktionen von NSF/PCB, z.B. gelegentlichen kleinen Demonstrationen in Bukavu. Generell ist die Armut so unendlich, alles durchdringend, daß dies mit Deutschland in keiner Weise zu vergleichen ist. Wer in Deutschland als arm gilt, lebt auch im Vergleich zur Mittelschicht von Bukavu in beträchtlichem Luxus. Dies sind also die Bedingungen, unter welchen Friedensarbeit in Bukavu anfangen muß und weshalb der Slogan erst Brot und dann Frieden solch eine große Bedeutung hat. Pax Christi Bukavu ist dabei jedoch auf einem sehr guten, soliden Weg....
Mittwoch, 12. Januar 2005
Heute kommen nochmal einige Eindrücke von der Reise in den Ostkongo. Für den Newsletter des Friedensfonds der GTZ wurde dieser Bericht geschrieben über das Projekt der juristischen Berater:
In der gesamten Geschichte des Kongo hat es ein einziges Vierteljahr lang Demokratie gegeben: 1960, kurz nach der Unabhängigkeit von Belgien. Der demokratisch gewählte Ministerpräsident P.E.Lumumba wurde im Januar 1961 von westlichen Geheimdiensten brutal ermordet. Ihm folgte über 30 Jahre lang die kleptokratische Mobutu-Diktatur, die das Land weiter ausplünderte, so wie vorher die Kolonialherren. Und 1994 hatte der Osten des Landes auch noch Millionen Flüchtlinge aus Ruanda zu verkraften.
Als dann nach dem Tod Mobutus Laurent D. Kabila kriegerisch die Macht übernahm – anstelle der Nationalkonferenz, die aus der Demokratiebewegung hervorgegangen war - und sich Kabila kurz später mit Ruanda überwarf, besetzte dieses Ostkongo und installierte das Regime der Rebellenregierung RCD in Goma. Seitdem entstanden dort lokale Milizen, die oft mit Unterstützung ruandischer Truppen aus dem Südkivu einen Unruheherd gemacht haben.
Von nun an hat sich in dieser Provinz die Unkultur der Straflosigkeit festgesetzt und darüberhinaus wucherte auch noch die Korruption munter weiter. Anstelle einer Rechtsordnung herrschte immer mehr das Recht des Stärkeren. Gravierende Verletzungen der Menschenrechte sind zu beklagen und zwar vor allem in Regionen, wo die Bevölkerung ihre Rechte nicht kannte und die Eroberer sich an keinerlei Rechtsordnung hielten. Somit wurden Angst und Furcht zu einer gravierenden Bedrohung von Frieden und Gerechtigkeit.
Dies ist der Hintergrund für ein Programm von Dialog International Bukavu zur Ausbildung von 327 ehrenamtlich tätigen Rechtsbeiständen (moniteur juridique“), welches von Juli 2003 bis Juni 2004 mit Unterstützung des Friedensfonds der GTZ durchgeführt wurde. Insgesamt gab es in verschiedenen Regionen der Provinz Südkivu sechs jeweils einwöchige Seminare, bei denen Juristen, Soziologen und andere Experten führende lokale Persönlichkeiten zu Multiplikatoren ausgebildet haben. Zu den Seminarteilnehmern gehörten Mitarbeiter der Kirchen, Lehrer, Leiter von lokalen Entwicklungsorganisationen, lokale traditionelle Chefs, Leiter von Polizeidienststellen, von Jugend- und Frauengruppen, ja sogar Offiziere der Milizen und Mitarbeiter vom Sicherheitsdienst (Geheimdienst). Sie alle haben sich eine Woche lang mit den Allgemeinen Menschenrechten und den Strategien für ihren Schutz, dem internationalen humanitären Völkerrecht, mit Fragen der gewaltlosen Lösung von Konflikten, mit dem kongolesischen Recht (Erbschaftsrecht, Eherecht, Recht auf Eigentum) und dem Recht für Frauen und Kinder befasst und haben über die Bedeutung des Dialogs zur friedlichen Beilegung von Konflikten nicht nur nachgedacht, sondern in Übungen praktisch erlebt, was auch im Alltag funktionieren soll.
Inzwischen haben viele der ausgebildeten Teilnehmer nicht nur vor Ort einen Journée ouvert“ organisiert, eine Art Volksversammlung, in der über all diese Fragen in einer breiteren Öffentlichkeit gesprochen wurde, sondern sie haben überall im Kivu ihre ehrenamtliche Arbeit unter unglaublich schwierigen Bedingungen aufgenommen, sodaß in der gesamten Region das Projekt bekannt ist und von der Bevölkerung sehr gelobt wurde. Opfer von Menschenrechtsverletzungen haben inzwischen keine Scheu, sich an juristische Berater zu wenden. Ein Meisterstück hat bereits eine Gruppe von ihnen vollbracht, die ihr Domizil in der Nähe des Flughafens von Bukavu hat: Als im August 2004 in Burundi ein Massaker an kongolesischen Banyamulenge-(Tutsi)Flüchtlingen stattfand, waren Ruanda und Burundi schnell dabei, dem Kongo alle Schuld in die Schuhe zu schieben und drohten allen Ernstes mit einer neuen Besetzung des Kivu. Doch das Netzwerk der moniteur juridique hat in aller Eile sorgfältig sämtliche erreichbaren Informationen zusammengetragen und konnte am Ende in einem Gutachten, das der UNO und der EU vorgelegt wurde, hieb- und stichfest beweisen, daß es keinerlei Verstrickung des Kongo in dieses Massaker gab. Seitdem sind alle Anschuldigungen der Nachbarregierungen vom Tisch.
Die durch den GTZ-Friedensfonds im Kivu ausgebildeten juristischen Berater tragen also dazu bei, daß die dritte Kraft der Demokratie, die Judikative, im Bewußtsein der Bevölkerung wieder einen Platz einnimmt und einen Beitrag zum inneren Frieden des Landes geben kann. So wie in Deutschland mit den Schiedsleuten und letztenendes auch mit den Schöffen ein starkes ehrenamtliches Element in der Rechtsprechung existiert, so entsteht im Osten des Kongo eine Bewegung zur Vorbereitung des künftigen Rechtsstaates. Die bisher ausgebildeten 327 Berater werden allerdings ohne Fortbildung und ohne Ermutigung aus dem Ausland die schwere Bürde ihrer Belastungen wahrscheinlich nicht allzulange tragen können. Deshalb ist ein Stabilisierungsprogramm vorgesehen, welches dafür sorgen soll, daß immer fundiertere Rechtskenntnisse das Selbstbewußtsein der so oft mißhandelten Bevölkerung stärken und so die Macht, die bisher meist aus den Gewehrläufen kam, überwinden hilft.
Ein kleines Beispiel aus unserer kürzlichen Reise nach Uvira mag dies verdeutlichen: Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung hatten wir ein Projekt besichtigt. Plötzlich war unsere Weiterfahrt blockiert, weil der lokale Milizenführer gekränkt darüber war, daß ihm nicht rechtzeitig unsere Anwesenheit gemeldet worden war. Unser Partner, Teilnehmer der Ausbildung zum juristischen Berater, verhandelte fast 2 Stunden mit ihm, telefonierte mit seinen Vorgesetzten und dem Stadtkommandanten von Uvira und warf dem lokalen Milizenführer dann vor aller Öffentlichkeit Sabotage“ vor - und bekam am Ende Rückendeckung vom Stadtkommandanten, der seinen Untergebenen sogar ins Gefängnis werfen wollte, was unser Partner indes am nächsten Tag großzügig zu verhindern wußte. Ohne diese Ausbildung und ohne die dort erworbenen Rechtskenntnisse wäre seine Stellung sicherlich viel schwächer gewesen.
Montag, 10. Januar 2005
Also, daß sich deutsche Gerichte bei Ehescheidungen zuständig fühlen, dürfte sich inzwischen rumgesprochen haben. Und man hört, daß sie deswegen nicht gerade wenig zu tun haben.
Daß sie sich auch noch mit der Eheanerkennung eines Paares befassen müssen, das seit 1983 (immer noch) glücklich verheiratet ist, scheint die Justiz restlos zu überfordern.
Der Kongo macht dies möglich.
Heute sprach ich mit einem Kongolesen, Vater von drei Söhnen, 22, 20, 18 Jahre, alle kurz vor oder hinter dem Abitur und ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.
Die Hochzeit war 1983 im Kongo. Die Photos zeigen ein glückliches Paar.
Mobutu sei dank mußten sie das Weite suchen und kamen nach Deutschland, wo sie immerhin noch als Flüchtlinge Anerkennung fanden.
Aber nicht als Ehepaar. Weil die Deutsche Botschaft irgendwann einmal den Eindruck gewann, daß kongolesische Dokumente auch gefälscht sein könnten, wurde dies zur Doktrin erhoben.
Seit genau fünf Jahren kämpft unser Freund um die Anerkennung seiner Ehe in Deutschland. Nicht, daß er dies unbedingt nötig hätte. Unter dem Gesichtspunkt des Sozialgesetzbuches stünden sich die Eheleute getrennt viel besser - nur: das Sozialamt behandelt sie wie Eheleute, mit der Konsequenz, daß die Frau keinerlei Ansprüche geltend machen kann.
Aber kein anderes Amt sonst hat diesen Weitblick.
Für den Rest der deutschen Ämterwelt ist unser Freund nach wie vor unverheiratet, Lohnsteuerklasse 1.
Inzwischen ein Fall für Gerichte.
Sie mühen sich ab.
Erklärungen des Mandanten kommen nicht an.
Die Rechtsanwälte mussten gewechselt werden.
Am Ende wurde der Gerichtspräsident eingeschaltet, der feststellte, daß der Mandant Briefe nicht beantwortet habe - die er gar nicht bekommen hatte und umgekehrt war eine Antwort von ihm nicht aktenkundig geworden.
In der (bisher nicht angekommenen) Antwort hatte er erklärt, daß er bereit sei, vor einem deutschen Standesamt 3 Jahre vor seiner Silbernen Hochzeit noch einmal mit seiner Gattin zwecks Eheschließung zu erscheinen. Die Antwort nahm das Gericht in seiner höheren Weisheit nicht zur Kenntnis und das Standesamt wegen des laufenden Verfahrens schon mal gar nicht.
Der Fall ist nach wie vor nicht abgeschlossen.
Muß noch hinzugefügt werden, daß die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten vom Sozialamt beglichen werden?
Montag, 3. Januar 2005
Aus Uvira erreichen uns traurige Nachrichten zu Beginn des Neuen Jahres. Am 30. und 31. Dezember hat’s dort sehr schlimme Unwetter gegeben, außerordentlich heftige Regenfälle. Dabei wurden über 600 Familien obdachlos. Ihre Hütten sind entweder fortgerutscht oder die Dächer sind zusammengebrochen.
Wer weiß, wie fragil die Behausungen in den Elendsvierteln von Uvira sind, benötigt nicht viel Phantasie, um sich dies vorzustellen. Und wenn in den Tropen unter normalen Umständen“ eine Stunde lang ein Platzregen runterkommt, dann entlädt der Himmel so viel Wasser wie hierzulande vielleicht ein 24-Stunden-Landregen. Wenn also an Silvester der Regen solch verheerende Auswirkungen hatte, so muß dieser wirklich außergewöhnlich gewesen sein – für tropische Verhältnisse. Die 600 Familien stehen jetzt obdachlos da und wissen nicht weiter. Welche Organisation wird helfen können? Die einzige internationale Organisation, die bisher in Uvira substantielle Hilfe organisiert, ist die Caritas. Aber schon unter normalen“ Umständen ist die Not in Uvira sehr groß, weil hier der Krieg besonders lange und heftig tobte. Wenn jetzt plötzlich noch 600 Familien zusätzlich versorgt werden müssen, wird dies nicht einfach sein. Dialog International hat Projekte in Uvira und wir wissen noch nicht, ob unsere Partner von der Not betroffen sind, doch wir sind absolut nicht auf akute Notsituationen eingerichtet. Wir haben immer die größte Mühe die übrigen laufenden Projekte zu finanzieren, die wir unterstützen. Leider war uns bisher noch nicht möglich, eine Rücklage für solche Notsituationen einzurichten.
Und alle Welt schaut nach Asien. Die Hilfsbereitschaft ist überwältigend. Ärzte ohne Grenzen hat schon verkündet, daß sie für ihre Asienprogramme jetzt genügend Spenden bekommen hätten, aber eigentlich noch dringend Spenden für die Not in Afrika benötigten.
Für Afrika – war da was?
Dienstag, 28. Dezember 2004
Aus Asien kommen Nachrichten von dem Tsunami. Täglich erhöhen sich die Opferzahlen. Für die Hilfsbereitsschaft der Weltöffentlichkeit wird ganz entscheidend sein, daß auch Europäer unter den Opfern sind. Andernfalls wären die Nachrichten höchstens Fußnoten gewesen.
Natürlich, die Folgen des Seebebens sind für viele Menschen in der Region eine große Katastrophe und brachten viel Leid. Wer aber so lange sich mit dem Kongo befasst, ist immer wieder erstaunt, wie selektiv die Wahrnehmung durch die Medien gesteuert wird. Und wenn dann der nachgewiesenermaßen beste Kongoberichterstatter in Deutschland doch sehr freundlich über die Nachbarländer schreibt, so gibt er damit keinen Beitrag zur Lösung des Problems.
Montag, 20. Dezember 2004
Eigentlich hätte man sich das ja denken können. Wenn in Europa eine Zeitung sagt, was gesagt werden muß, dann ist das der britische Guardian. Am 14.12. erschien ein bahnbrechender Kommentar von George Monbiot (www.monbiot.com). Titel: Im Kongo wurden die gestrigen Opfer zu den heutigen Aggressoren.
Der Kommentator beginnt damit, daß die britischen Zeitungen voll mit Skandalgeschichten über eine Sexaffäre des Londoner Innenministers sind und daß wohl fast jeder Leser nichts davon mitbekommen hat, daß im Kongo wieder Kriegsgetümmel herrscht und sowieso, von den bisher 3,8 Mio. Toten in Zentralafrika hat auch kaum jemand etwas mitbekommen. Doch dann redet Monbiot Klartext und stellt ganz einwandfrei fest, welche Interessen Ruanda im Kongo hat, ja, während der Besetzung habe man sogar zeitweilig mit Hutu-Milizen Bündnisse abgeschlossen zwecks besserer Ausbeutung der lokalen Rohstoffe. Das einzige Interesse Ruandas am Kongo habe darin bestanden, die kongolesischen Diamanten- und Coltanminen auszubeuten. Einem Bericht des UN-Sicherheitsrats von 1999 zufolge sind seinerzeit 80 % des ruandischen Militärbudgets - ungefähr 320 Millionen US-Dollar – von Rohstoffen gekommen, die dem Kongo gestohlen wurden. Jawohl, da steht: gestohlen worden“. Der Guardian spricht eindeutig davon, daß der gesamte Kongokrieg ein Krieg um Rohstoffe war. Uganda, Ruanda, Burundi, die Aggressoren im Kongo, haben also ganz klar die Plünderung der Rohstoffe im Sinn gehabt und die Millionen Menschen, die diesem Krieg zum Opfer fielen, haben diese Länder auf dem Gewissen. Und mit ihnen auch viele Länder im Norden, die sie nicht nur gewähren ließen, sondern gleichzeitig – gleichzeitig, jawohl – diese Leute, die im bürgerlichen Leben sich wegen Diebstahls verantworten müßten, auch mit Entwicklungshilfegeldern verwöhnt haben. Wer hat hierzulande auch nur eine kritische Stimme dazu gelesen?
Und im Guardian wird dann erinnert, daß alle Kriegsverbrechen dieser Länder in den letzten Jahren sorgfältig durch internationale Untersuchungen in Berichten festgehalten sind. Die Berichte enthielten Namen der Agenten und der Opfer, der Daten der Verbrechen, präzise Ortsangaben, den Wert der gestohlenen Rohstoffe und die Namen der Leute und Gesellschaften, die diese gekauft haben. Und erst Anfang Dezember 2004 sei der BBC ein geheimer UN-Bericht bekannt geworden, in dem klar festgehalten ist, daß Ruanda und seine Militärs nach wie vor im Osten des Kongos die mächtigsten Kräfte seien. Sie würden fast den gesamten Rohstoffhandel kontrollieren und seien an den meisten Kämpfen beteiligt.
Für die internationale Gemeinschaft sei es ein leichtes gewesen, Ruanda zur Raison zu bringen. Der Staat breche ohne Entwicklungshilfe zusammen.
Doch nichts geschah. Kigali konnte schalten und walten wie es wollte. Eigentlich wundert sich ja auch niemand über 3,8 Millionen Tote im Kongo. Sind in Afrika nicht ohnehin viel zu viele Menschen? Als König Leopold II vor 100 Jahren Millionen Kongolesen die Hände abhacken ließ, weil sie ihm nicht genug Kautschuk sammelten, haben ihn in Europa immer noch die meisten Menschen als Philantropen gesehen, der in Zentralafrika den Sklavenhandel bekämpft. So stand’s in den Zeitungen. Und was die schreiben muß doch stimmen, oder? Nebenbei: die Zeitungsschreiber wurden großzügig von Leopold II entlohnt.
Mittwoch, 15. Dezember 2004
Die Nachrichten aus dem Osten des Kongo sind mal wieder nicht gut. Im Norden des Kivu seien Kämpfe entbrannt, in dem Städtchen Kanyabayonga, 150 km nördlich von Goma sind dort wahrscheinlich ruandische Soldaten gefunden worden. Zumindest gab es gewisse Truppenbewegungen aus Ruanda in der Region. Manche sind neulich über Uganda wieder geflüchtet, wie von dort mitgeteilt wurde. Ruanda hat gut dementieren, weil es auch kinyaruanda-sprechende Banyamulenge-Milizen in der Region gibt.
Generell ist die Region noch nicht befriedet. Seit fast 10 Jahren gibt es immer wieder in kleineren Regionen Kämpfe zwischen irgendwelchen Milizen und später den Eindringlingen aus
Uganda, Ruanda und Burundi. In einer Region, so groß wie ganz Deutschland, sind das lokale Ereignisse. Somit besteht oft die gute Nachricht darin, daß darüber in Europa berichtet wird. Andererseits hat Ruanda im Kongo nichts zu suchen. Wenn von irgendwelchen Hutumilizen von 1994 Gefahren ausgingen, so ließen sich diese während der langen Jahre ruandischer Kongobesetzung gewiß leichter lokalisieren als die Exploration der Rohstoffe, die man geschickt bewerkstelligte. Aber ob man überhaupt ein Interesse daran hatte, dies ist die Frage, die offen geblieben ist.
TAZ: In Deutschland gibt es auch Forderungen, Ruanda die Entwicklungshilfe zu streichen, weil das Land am Kongokrieg beteiligt war. Wie stehen Sie dazu?
Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul: Ich habe das schon früher immer für völlig falsch gehalten, und nachdem ich jetzt in Ruanda war, kann ich das noch weniger verstehen. Ich habe alle getroffen, die mit Unterstützung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit arbeiten. Das sind zum Beispiel Organisationen der Hinterbliebenen des Völkermords, Versöhnungsnetzwerke, Menschenrechtsnetzwerke. Wenn man einer Gruppe ehemaliger Kämpfer, die jetzt ins zivile Leben integriert werden, ihre Zertifikate übergibt und hört, dass sich einst verfeindete Kämpfer zusammentun, um gemeinsam eine Beschäftigung aufzubauen - wer das nicht unterstützen will, weiß nicht, wovon er redet. Nachdem die internationale Gemeinschaft und auch Deutschland versagt haben, 1994 den Völkermord zu verhindern, wäre es geradezu absurd, jetzt das zu stoppen, was wir versuchen, an Versöhnung und an innerem Wiederaufbau voranzubringen. Ruandas innere Entwicklung nach dem Genozid ist schon beeindruckend. Zum Beispiel, dass jetzt alle Kinder eine Grundschulbildung bekommen, was durch den Schuldenerlass umgesetzt wurde.
Heidemarie Wieczorek-Zeul im TAZ-Interview vom 6. November 2004.
Natürlich wird von ihr – man beachte dies - die eigentliche Frage gar nicht beantwortet. Die Beteiligung Ruandas am Kongokrieg ist in Deutschland auf Regierungsebene in den letzten Jahren kein Thema gewesen. Deshalb konnte Ruanda in den letzten Monaten auch ohne irgendeine Rüge immer wieder öffentlich erklären, man plane, in den Kongo einzumarschieren. Offiziell wird als Grund angegeben, dort seien nach wie vor Hutu-Milizen, die 1994 am Völkermord in Ruanda beteiligt gewesen seien. Doch, wie schon gesagt, während der jahrelangen Besetzung des Ostkongo durch Ruanda hat man überhaupt nicht diese Hutumilizen gejagt, sondern die Rohstoffe ausgeplündert und beträchtliche Reichtümer außer Landes geschafft.
Der UNO-Sicherheitsrat hat am 24. November eindeutig die Handlungen und Absichten Ruandas im Kongo verurteilt. Die taz dagegen schreibt noch am 8.12.: Ruanda will keinen Krieg“. Als Kabila weitere Soldaten in den Kivu entsendet, zur Sicherung der Grenzen, schreibt die taz am 14.12. Kabila beginnt Offensive im Kivu“ – so als ob der Kivu für Kinshasa Ausland sei.
Leider ist die sich so fortschrittlich gebende taz im Einklang mit wichtigen Leuten der Bundesregierung zumindest gegenüber der derzeitigen Politik Kigalis ziemlich unkritisch.
Aber Ruanda beeindruckt ja auch nach wie vor, insbesondere der ruandische Staat – hat nicht neulich noch der belgische Minister van Gucht diesen gelobt, er funktioniere wenigstens im Gegensatz zu dem des Kongo? Ruanda macht also Staat und das ist im Land selbst mehr als genug zu sehen. Sicherlich ist manches auch erfreulich. In Kigali ist der sogenannte Entwicklungsstand eindeutig höher als im Kongo und auch auf dem Land sind viele Menschen immer noch etwas dran als bei den Nachbarn im Westen. Viele Menschen werden von den Hügeln an die Ränder der ausgebauten Straßen umgesiedelt, damit sie Anschluß an Wasserversorgung, Strom und Telefon bekommen. Ruanda ist in vielen Dingen sehr zuverlässig, sicher auch als Partner der Entwicklungszusammenarbeit, was Frau Wieczorek-Zeul beeindrucken mag.
Doch war Ruanda auch jahrelang völkerrechtswidrig Besatzungsmacht im Kongo und kann bis heute offenbar die Finger nicht draußen lassen und keiner ist da, der in dieser Angelegenheit den Regierenden in Kigali auf die Finger schaut, mit Ausnahme des Sicherheitsrates. Hat für Deutschland der Noch-Vertreter im Sicherheitsrat seine Schuldigkeit in der Verurteilung Ruandas getan? Wie hat er überhaupt abgestimmt? Warum schweigt Berlin (und Rheinland-Pfalz – Partnerland von Ruanda)?
Aber - mit dem Kongo kann man’s ja treiben...
Mittwoch, 8. Dezember 2004
So viel wäre noch zu erzählen, doch hier geht der Alltag weiter. Die Buchführung muß erledigt werden, jetzt kommen die Bestellungen für die Weihnachtskarten, das Schulprojekt muß organisiert werden. Kalé arbeitet bereits seit einigen Wochen für Dialog International und übersetzt sehr viele Texte ins Französische. Wir hoffen, demnächst auch endlich dadurch eine französischsprachige Abteilung der Website haben zu können. Dies ist wirklich eigentlich ein unbedingtes MUSS und wir freuen uns, daß ein Kongolese daran arbeitet. Einiges konnte bereits auf den Weg gebracht werden. Vor allem hoffe ich, daß das blinde Mädchen in Bukavu hoffentlich mit Hilfe der Christoffel-Blindenmission bald ärztliche Versorgung erfährt. Und, daß die Ausbildungsstätten für Blinde und Taubstumme in Uvira ebenfalls in absehbarer Zeit einige Unterstützung bekommen. Ein wenig Hoffnung besteht auch, daß wir noch weiteren Opfern der Plünderungen und Vergewaltigungen helfen können.
Wie oft werde ich in diesen Tagen gefragt, ob ich mich wieder eingelebt hätte? Nein, ist die Antwort. Das habe ich nicht. Warum denn nicht? Kann man sich in dieser künstlichen Welt des Nordens einleben“? Wie oft habe ich gedacht, daß unser Leben in der sogenannten Wohlstandsgesellschaft völlig unnormal ist, während die einfache Lebensweise der Menschen in Zentralafrika eigentlich sehr viel mehr dem Normalzustand menschlichen Lebens entspricht. Das wird bestätigt allein durch Zahlen des Energieverbrauchs. Wenn alle Menschen auf der Erde soviel Energie verbrauchen würden wie Europäer und Nordamerikaner, dann stünde gar nicht soviel Energie zur Verfügung. Somit haben wir hier ein Problem, nicht die Menschen im Süden.
Natürlich sind die Menschen in den Tropen klimatisch begünstigt. Wer barfuß rumlaufen muß, braucht oft nicht zu frieren. Aber schon ein kleines Beispiel zeigt ganz andere Probleme: Oft waren wir im Kivu mit sehr vielen Frauen zusammen, die z.B. in Mikrokreditgruppen organisiert sind. Und wir haben regelmäßig gefragt, welche Frau denn Lesen und Schreiben könne. Und mit ziemlicher Regelmäßigkeit meldete sich dann gerade mal eine Handvoll Frauen von 50, 100 oder mehr Versammelten. Bei Männern sähen die Zahlen ganz anders aus, das ist klar. Aber Frauen wurden oft nicht zur Schule geschickt.
Wir sind der festen Überzeugung, daß wir Alphabetisierungskurse für Frauen anbieten müssen, wissen allerdings noch überhaupt nicht, wie wir das finanziert bekommen. Bei einem unserer ersten Projekte in Luhwindja, einem Frauenprojekt mit Stricken und Nähen, hatten wir auch für etwa 50 Frauen eine erfolgreiche Alphabetisierung eingeplant und durchgeführt. Unsere Partner sagen, sie brauchen etwa drei Monate für einen Kurs mit den Grundbegriffen. Sie unterrichten nach der Methode Paulo Freire, d.h. nicht Lehrbuchwissen wird vermittelt, sondern die Pädagogen ermitteln die Begriffe, welche für die Frauen im Moment die größte Dringlichkeit haben und bauen darauf ihre Alphabetisierung auf. Dann haben alle ein brennendes Interesse daran, Lesen und Schreiben zu lernen. Im Moment sind dies die geplanten Wahlen im Kongo. Frauen, die Lesen können, denen kann man kein X für ein U vormachen, die können wirklich den Kandidaten wählen, den sie wollen, weil sie die Namen lesen können.
Falls aber wirklich Mitte nächsten Jahres im Kongo Wahlen stattfinden, dann müssen wir uns mit Alphabetisierungsprogrammen beeilen, wenn die Frauen daran wie mündige Bürger teilnehmen sollen. Sie würden auch ohne Alphabetisierung teilnehmen, hörten wir, aber sie würden da ihr Kreuzchen hinsetzen, wo ihr Mann oder sonstwer dies haben wollte. Und das muß ja nicht sein.
Auf dem Weg nach Uvira stoppten wir unterwegs und nahmen einen jungen Mann als Anhalter mit. Es stellte sich heraus, daß er mit 23 Jahren ein Lehrer war und jeden Tag von zu Hause, wo er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern lebt, drei Stunden zu Fuß tief runter ins Tal laufen muß zu seiner Schule - und nach dem Unterricht drei Stunden lang wieder zurück. Natürlich war er froh, heute einmal mitgenommen zu werden. Und dann fragten wir ihn, wer denn zu Hause die Landwirtschaft betreibe. Natürlich die Mutter. Ob er ihr helfe. Er? Igitt, nein. Aber warum denn nicht? Er sei doch Lehrer. Aber was das denn sei. Er müsse unbedingt seiner Mutter helfen. In Deutschland gebe es viele Lehrer, die nebenbei Gartenbau betrieben. So richtig überzeugt war der junge Herr nicht, als er unseren Wagen verließ, weil wir an seiner Schule angekommen waren. Als wir am nächsten Tag denselben Weg zurückfuhren, kam uns der Wandersmann bekannt vor. Ach, das war ja der Lehrer von gestern. Heute auf dem Heimweg. Natürlich packten wir ihn mit viel Lachen wieder in den Jeep und er bekam die nächste Lektion in Sachen Gartenwirtschaft. Ob er am Morgen seiner Mutter im Garten geholfen habe? Ja, er habe und er helfe tatsächlich hin und wieder. Aber eigentlich träume er davon, irgendwann ganz woanders unterrichten zu können. Nun ja, wer möchte nicht mal raus aus der Enge des heimischen Herdes. Aber er solle bitteschön nicht alle Arbeiten seiner Mutter überlassen. Er sei der Älteste zu Hause und müsse helfen, auch wenn er täglich immer 6 Stunden Fußweg habe (übrigens auch bei strömendem Regen). An diesem Tage war er in nur 30 Minuten bei seiner Mutter und seinen Geschwistern. Ob er sich herabgelassen und noch etwas im Garten mitgeholfen hat?
Dienstag, 7. Dezember 2004
Der Alltag hat schon längst wieder begonnen, aber die Gedanken schweifen oft ab und sind noch in den Straßen und Wegen und bei den Menschen im Kivu. Gestern mußte ich im Supermarkt meine ersten Einkäufe erledigen. Woher kommen nur alle unsere Lebensmittel: von China bis Südamerika, Portugal, Griechenland, Thailand usf. Und wir wissen nicht, wieviel die chemische Industrie darein investiert hat.
Ganz anders im Kongo. Auf den Tisch kommen wirklich nur biologisch angebaute Lebensmittel, die in der Region gewachsen sind und die mit Sicherheit nicht von irgendwelchen Konzernen auf den Markt gebracht werden, sondern höchstwahrscheinlich von einem Mütterchen in einem Sack auf dem Rücken.
Überhaupt haben die Dinge einen ganz anderen Stellenwert. Ich habe eigentlich nirgends Müll gesehen. Die Kongolesen leben nicht in einer Wegwerfgesellschaft. Alles, aber auch wirklich alles wird bis zum letzten Atemzug genutzt und wieder und wieder repariert. Und alle Dinge haben einen Wert. Ich frage mich in Deutschland nicht selten: Was ist eigentlich wertvoller: die Flasche oder ihr Inhalt. Natürlich kommt dies auf den Standpunkt an. Aber das Wasser trinke ich vielleicht in ganz kurzer Zeit und dann gehört laut Aufdruck die Flasche zum Müll. Dabei würde sie problemlos noch ein paar Jahre halten und gute Dienste leisten können. Stattdessen wird sie günstigenfalls eingeschmolzen und zu einer neuen Flasche verarbeitet. Etwas absurd das alles.
Die meisten Menschen im Kongo besitzen nur ganz wenige Dinge. In den Hütten stehen vielleicht ein paar Töpfe, ein Hocker, ein Ofen, eine Schale, ein Korb... Sehr viel mehr nicht.
Braucht der Mensch eigentlich mehr zum Leben? Ok, in den Tropen kannst Du fast das ganze Jahr über ernten und somit jeden Tag etwas Eßbares finden.
Aber ist bei uns wirklich Mangel, ich meine, bei dem, was die Bauern hierzulande ernten? Muß wirklich aus Neuseeland und Chile und ich weiß nicht woher was Eßbares auf unseren Tisch kommen?
Wir hatten als Geschenke u.a. ein paar Brusttäschchen aus Plastikleder oder so ähnlich mitgebracht, die man um den Hals hängen kann und einige Kugelschreiber. Für den Rest der Zeit sah ich sämtliche Empfänger mit dem Brusttäschchen rumlaufen und diese Kugelschreiber benutzen. Dinge, die bei uns absolut marginal sind, bringen Freude ins Leben.
Natürlich sahen wir auch Probleme. Manche Bauern können sich einfach nicht abgewöhnen, Pflanzenreste zu verbrennen – als ob es keinen Kompost gäbe und als ob der Boden nicht dringend diesen als Dünger brauchte. Unsere Freunde hatten schon resigniert. Wir können auch nicht mehr als allen Bauern immer wieder sagen, daß Pflanzenreste auf den Kompost gehören. Und trotzdem verbrennen manche dies immer noch.“
Auch in der Stadt gab es hier und da ein kleines Müllproblem“, aber mit Resten, die eigentlich auf den Kompost gehörten. Und in Gegenden wo während zwei Drittel des Jahres jeden Tag Regen fällt, dürfte ein Kompost eigentlich kein Problem sein. Übrigens werden abgeerntete Bananenstauden nicht verbrannt, sondern kompostiert. Es geht also doch.
Noch ein weiteres Problem darf ich nicht verschweigen. Nicht alle Kinder sind fröhlich und reichen einem die Hand zum Gruß. Wahrscheinlich dort, wo immer mal wieder Weiße vorbeikommen, an vielbefahrenen Straßen, am Flughafen von Bukavu etc. halten viele Kinder dem Weißen ganz aufdringlich die Hand auf. Ist das schon Receiver Mentality“? Für mich waren diese Situationen immer sehr schwierig. Ich hatte in keiner Phase des Besuches kongolesisches Geld in der Tasche und mit den paar Euro, die noch irgendwo eingesteckt waren, hätten sie nichts anfangen können. Da ich aber selten gesehen habe, daß bei den schwarzen Landsleuten gebettelt wurde, scheint ein Weißer ganz offenbar Begehrlichkeiten zu wecken und vermutlich immer wieder auch zu befriedigen. Dabei ist gar kein Zweifel, daß die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung guten Grund hätte, betteln zu gehen. Aber sie geht nicht betteln, sondern arbeitet ganz hart daran, ihre Lebenssituation zu verbessern. So bekam ich denn auch von den Freunden zu hören: Bei Euch gibt’s doch auch genug Bettler...“
Samstag, 4. Dezember 2004
Der Flug hatte eine Stunde Verspätung, sodaß die Sonne schon über dem Viktoriasee untergegangen war. Die Ankunft in Frankfurt war dann am Samstagmorgen nicht nur ein Kälte- sondern auch ein Kulturschock. Was ist an Afrika so schön, daß man gar nicht mehr zurückkehren möchte? Sicherlich die Herzlichkeit, Geselligkeit, Freundlichkeit der Menschen. Menschen, die hart arbeiten müssen, um ihr Leben zu meistern. Auch in Europa müssen viele Menschen hart arbeiten, aber eigentlich nur, um den Reichtum zu verwalten. Afrika und speziell die afrikanische Frau arbeitet, um einen ganz anderen Reichtum Afrikas zu ernähren: die vielen Kinder. Ich erinnere mich an keine einzige Szene, bei der nicht auch immer viele viele Kinder dabei waren.
Wie wird ihre Zukunft sein? Werden auch ihre Kinder immer noch in zerlumpter Kleidung barfuß durch den Schlamm der Dörfer oder der Stadt Bukavu waten müssen? Oder wird der Kongo endlich eine Regierung finden, die aufrichtig und ohne Korruption den Wiederaufbau anpackt, die Beamten bezahlt, die öffentlichen Dienste zum Funktionieren bringt und die Menschen ermutigt, wieder an die Zukunft zu glauben, eine Zukunft, bei der Soldaten nicht mehr derart im Mittelpunkt der Probleme stehen wie heute. Jemand sagte unterwegs, Afrika habe im Prinzip eine große Zukunft. Wenn der Jugend Afrikas gelingt, Tradition und Moderne harmonisch zu verbinden – und es gibt immer wieder Zeichen, daß dies gelingen könnte - dann sieht das alte Europa“ wirklich alt aus und dann verkehren sich manche Paradigmen. Europa liebt es Afrika zu vergessen, weil das afrikanische Weltbild ganz und gar nicht in das Weltbild guter“ Bürgerlichkeit paßt. Wie sagt Wilhelm Mensching in seinem Buch Ruanda – Eine Selbstdarstellung des Volkes in alten Überlieferungen“? (1987, Restexemplare noch über DI zu beziehen) Ich ging nach Afrika, um zu lehren, belehrt kam ich zurück!“
Volià.
Und noch eine Nachbemerkung: Diese Eintragungen sind sehr persönlich. Ich habe das Engagement meines afrikanischen Partners David fast völlig ausgeklammert und dabei war dies doch ganz entscheidend für den Erfolg der Reise. Dialog International ist eine kongolesisch-deutsche Vereinigung. Somit sandten wir aus Deutschland einen Kongolesen und einen Deutschen. David sprach nicht nur Französisch, sondern auch Kisuaheli, konnte also mit allen Menschen kommunizieren. Sämtliche Bewohner des Kivu, bis ins letzte Dorf hinein, sind zweisprachig, sprechen ihre Lokalsprache und eben kisuaheli, die lingua franca Ostafrikas. Somit kamen wir nicht vor allem als Weiße zu den Partnern, sondern als Kongolesen und die wirklich wesentlichen Angelegenheiten konnte David im Sinne von Dialog International regeln, während ich für die schönen“ Reden zuständig war. Vielleicht ist das ein Grund, warum viele weiße“ Organisationen in Afrika eher enttäuschende Erfahrungen machen, Dialog International aber (fast) eine einheimische Organisation ist, mit einer Filiale in Deutschland. Wie überall fanden wir natürlich auch das eine oder andere Problem. Aber über eins waren wir uns völlig einig: Die Projektarbeit unserer Partner ist ganz ausgezeichnet. Oft wurde sehr viel mehr geleistet, als in den Projekten ursprünglich vorgesehen war. Und sehr viel mehr Menschen partizipieren an den eigentlich recht bescheidenen Hilfen, die wir geben können, als wir uns das bisher vorstellen konnten. Und die Hilfen sind eine wichtige Ermutigung – und das sollen sie auch sein. Wir können also ohne Umschweife sagen, daß in den letzten 12 Jahren unsere Kongohilfe im Kivu voll angekommen ist und ein Netzwerk von Partnergruppen geschaffen hat, die tief in der lokalen Bevölkerung verwurzelt sind und die z.T. führend in der regionalen Societé civile tätig sind. All dies macht Mut und wir sollten jetzt hier weitermachen. Natürlich ist klar, daß in anderen Regionen des Kongos die Situation oft noch viel schlimmer ist als im Kivu und Dialog International kann nicht immerzu Gruppen nur im Kivu unterstützen. Aber wir haben ja schon Kontakte in Bandundu und in Kinshasa. Das erste Projekt im Kwango begann in diesen Tagen mit der Ausbildung der Dorfgesundheitshelfer und weitere Projekte in Kinshasa sind in Vorbereitung.
Klar ist, daß die Menschen im Kongo jegliche Unterstützung verdienen. Klar ist auch, daß sie sehr fleißig sind. Aber ohne fremde Hilfe können sie in der gegenwärtigen Situation viele Probleme nicht lösen. Deshalb müssen wir gezielt die wichtigsten Projekte fördern, sodaß Inseln der Stabilität entstehen, wie man das vielleicht inzwischen schon von Luhwindja sagen kann.
Und noch etwas. Wir waren eigentlich zu dritt, weil Emeritha von Twese Hamwe auch die ganze Zeit in Bukavu war, um teilweise mit uns gemeinsam und teilweise alleine Gruppen zu besuchen. Sie war, da ist kein Zweifel, die gute Seele unseres Aufenthaltes, die schon viele Partner kannte und wohl nicht aushalten konnte, daß ich ohne ihren Schutz das erstemal meine Füße auf den Boden Afrikas setzte. Dabei war Emeritha gefährdeter als wir: Ich vergaß einzutragen, daß schon am zweiten Tag unseres Aufenthaltes, genau 15 Minuten nachdem wir nach Luhwindja abgefahren waren, wo Emeritha gerne mitgefahren wäre, um die Wiederaufforstung zu sehen und wir dies aus Sicherheitsgründen ablehnten, weil wir nicht wußten, wie eine ruandische Frau auf dem Land im Kivu geschützt wäre - also 15 Minuten später kamen Soldaten in unser Hotel, um Emeritha mitten in Bukavu zu verhaften. Unsere Freunde Descartes und Kajunju setzten sofort alle Hebel in Bewegung, um Emeritha wieder freizubekommen. Eine ruandische Frau wird also in Bukavu immer noch als Spionin angesehen und nur ihr belgischer Paß schützte sie vor weiterer Verfolgung. Maman Emeritha, wie sie liebevoll in den Gruppen genannt wird, reist seit über 10 Jahren regelmäßig zu den Twese Hamwe Gruppen nach Bukavu und Ruanda und überbringt immer wieder kleinere Hilfsmittel für Projekte. Diese kontinuierliche Arbeit hat auch mit ganz wenigen Mitteln ein Netzwerk geschaffen, das sich sehen lassen kann. In Europa ist Twese Hamwe eine belgisch-deutsche Vereinigung, die Pax Christi und dem Versöhnungsbund Belgien nahesteht. In Bukavu gehört Twese Hamwe zu den Partnern von Dialog International. Wen wundert’s - Dialog International Deutschland hat, wie langjährige Leser unserer Zeitschrift DER PAZIFIST wissen, 1994 Twese Hamwe mitbegründet. So war klar, daß sich Emeritha, sobald sie von unseren Reiseplänen hörte, zur selben Zeit ihre Reise buchte und dadurch mit uns in Bukavu sein konnte.